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    [Briefkopf Wien] [5.] Oktober 1933a

    Herr Dr. Max Eitingon, bis vor kurzem wohnhaft in Berlin-Dahlem und Vorsitzender der „Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“, gehört zu den bekanntesten, einflußreichsten und verdientesten Personen in der psychoanalytischen Bewegung unserer Zeit.

    Ich lernte ihn im Jahre 1907 kennen. Er kam von Zürich, wo er seine Ausbildung als Psychiater unter Prof. Bleuler gewonnen hatte. Nach seiner Niederlassung in Berlin gründete er dort 1919/20 aus eigenen Mitteln das Berliner Lehrinstitut, das auch bis zu seiner Abwanderung unter seiner Leitung verblieb. Dies Institut ist mustergiltig für alle ähnlichen Anstalten geworden und hat sehr viel für die Fixierung und Ausbreitung der psychoanalytischen Lehren geleistet. In seinem Rahmen wurde es auch möglich, die analytische Therapie breiten Schichten der mittellosen Bevölkerung zugänglich zu machen.

    Dr. Eitingon wurde im J[ahr] 1922 Zentralsekretär der Internationalen Vereinigung, im J[ahr] 1925 ihr Präsident und blieb es, von mehreren Kongressen bestätigt, bis zum September 1932. In diesen Jahren hatte er reichlich Gelegenheit, sich als Organisator zu bewähren, in schwierigen Situationen zu vermitteln, die Interessen der Psychoanalyse als Wissenschaft und als praktischer Betrieb in der Umwelt zu vertreten. Ich bin der sicheren Überzeugung, daß seine Loslösung von der Stätte seiner bisherigen Tätigkeit nur einen Zwischenfall und kein Ende seiner für unsere Sache unschätzbaren Leistung bedeutet.

    Prof. Dr. Sigm. Freud

     

    a Tagesdatum nach Poststempel auf dem zugehörigen Briefumschlag ergänzt (so auch von Eitingon im Original). Adressiert nach: Jerusalem, Hotel King David.