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S.
[Briefkopf London] 19. XII. 1938
Lieber Freund
Ich habe Ihnen noch nicht für Ihre gewissenhafte Berichterstattung über unseren Arnold Zweig gedankt. Seither habe ich auch einen ersten Brief von ihm erhalten, recht unleserlich, aber doch erfreulich. Wenigstens hier ein Stück gute Nachricht; alles, was man sonst hört, ist ja abscheulich. Auch Sie, im heiligen Land, scheinen nicht grade immer „Honig zu lecken“.1
Hier schneit es grade zum ersten Mal. Es ist bitter kalt, Wasserleitungen sind eingefroren, und die britischen Mängel in der Bewältigung des Heizungsproblems sind ganz evident.
Minna macht langsame Fortschritte, ist noch sehr unbehilflich, ich warte auf einen mir versprochenen Knochen wie ein hungriger Hund, nur daß es ein eigener sein soll.2 Ich arbeite jetzt vier Stunden täglich. Es ist nicht ganz leicht, die Engländer sind offenbar durch ihre Ersparungen beim Maulaufmachen so reich und stark geworden.
Ich korrigiere eben den deutschen ‚Moses‘, der im Frühling bei Allerta de Lange in Amsterdam erscheinen soll. Die englische Übersetzung ist noch unter den Händen des Ehepaares Jones, das über Weihnachten in die Schweiz reist. Ich fange an zu verstehen, daß diese Abwesenheiten, über weekend von London, über Feiertage von England, ein wesentliches Stück im Lebensplan der Engländer sind, um ihre englischen Probleme zu bewältigen. Ich kann da leider nicht mittun.
Oli ist endlich Franzose geworden,3 ein erster Schritt zu unserer Internationalität. Die Prinzessin ist in Athen, geht später nach Ägypten. Auch da bin ich nicht dabei.
Viele herzliche Grüße für Sie und Mirra von
Ihrem Freud
a MS: Alers.
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S.
20 Marefield Gardens
London NW3 5SD
Vereinigtes Königreich
C24F3