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BERLINER PSYCHOANALYTISCHES INSTITUT
POLIKLINIK u. LEHRANSTALT
SPRECHSTUNDEN:
MONTAG, DIENSTAG,
DONNERSTAG, FREITAG
9‑10½ UHR VORM.BERLIN W 62
WICHMANNSTR. 101
FERNSPRECHER: B5 BARBAROSSA 8126
24.III.1933
Lieber Herr Professor,
ich danke Ihnen vielmals für Ihre so rasche Antwort. Ihre Auffassung
deckt sich ja in einigen Punkten ganz mit der meinigen. Ich habe ja implicite
auch an die drei Möglichkeiten gedacht, sie nur nicht deutlich gesondert.Gerade die Möglichkeit, dass man gezwungen sein würde das Institut
einem „Indifferenten“ zu unterstellen, und dieser Indifferente gerade eine Person
wie die von Ihnen genannte sein könnte, war ja das, was ich befürchte. Unter dem
grossen Druck, unter dem man hier in den nächsten Jahren stehen dürfte, ist ja
ein Kompromissmachen auchWwiderwWillen, besonders bei Menschen, die nicht ganz
klar sehen was sie tun, mehr als wahrscheinlich und so auch etwas zu befürchten,
was man schon eine Verrottung nennen dürfte. Nicht den von Ihnen weiterhin zi-
tierten Sch.‑H. befürchte ich, sondern die braven, nicht sehr klugen, dafür aber
sehr langsam und subaltern denkenden Indifferenten. Simmel würde ich natürlich sehr gern das
Institut lassen, aber alle nötigen sichernden Qualitäten hat auch er nicht und
vor allem ist er leider auch nicht indifferent.Den rechtlichen Standpunkt der Vereinigung gegenüber habe ich aller-
dings anders beurteilt als Sie, Herr Professor, weil es mir schien, als ob der
Gesichtspunkt der Verteidigung eines wertvollen Gutes entscheidender wäre. Es
ist ja nicht einmal so, daß ich das Institut der Vereinigung übergeben oder ge-
schenkt hätte, sondern eigentlich nur unterstellt habe ich es ihr. als vor nicht ganz zwei Jahren das Institut in materiellen Schwie-
rigkeiten war, musste ich einen Kreis von Freunden des Institutes schaffen, der
sehr klein blieb und eigentlich aus den ausländischen Kollegen besteht, die jetzt -
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nicht in Berlin sind. Aber diese Details sind ja nicht so entscheidend. Der Rechtsan-
spruch der Vereinigung ruht im wesentlichen auf dem gläsernen Schild des Institutes
„Berliner Psychoanalytisches Institut der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“,
sehr viel weniger auf dem, was die Vereinigung für das Institut materiell wirklich getan hat.
Aber zu Ihrer von der meinigen abweichenden Auffassung ist noch etwas anderes dazu
getreten, was mir zwar nicht unerwartet kam, aber mich doch beeindruckt hat. Die
Art, wie die drei deutschen Kollegen im Vorstand meinen Vorschlag, mir in erster
Linie die Entscheidung über das Schicksal des Institutes zu überlassen, aufgenommen
haben, zeigt, dass sie gar nicht sonderlich geneigt dazu sind, und so können wir ja
das ganze Problem einstweilen ruhen lassen und sehen, was die Entwicklung der Ereig-
nisse als dasrRichtigere oder Mögliche diktieren wird.Daß ich nicht freiwillig und nicht eine Sekunde früher als der Zwang
der äußeren Verhältnisse mich dazu nötigen würde Berlin verlasse, war der still-
schweigende Hintergrund meiner Ausführungen.Mit den wärmsten Wünschen und Grüssen für Sie Alle
IhrUnd dass eine eventuelle Verlegung des Institutes anderswohin die persönliche Frage
meiner äusseren Zukunft irgendwie erleichtern könnte, ist eine sekundäre Frage;
und nicht in diesem Sinne ist von mir die Rede.
Wichmannstraße 101
Berlin 10787
Deutschland
Berggasse 19
Wien 1090
Österreich
C24F5