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S.
Prof. Dr. Freud
Wien, IX. Berggasse 19.11.5.11.
Lieber Freund
Die illustrirten Träume sind herrlich. Der
Künstler versteht die Träume offenbar
viel besser als Bleuler, Morton Prince,
Havelock Ellis u.a. Ihre Bemerkungen
haben ganz Recht. Das schönste Blatt scheint
mir das der franz. Bonne u das wichtigste
Ihre daran gehängte Folgerung. Aber
nun eine Frage. Wer ist der Künstler, ist
er gewiß ein Ungar und nicht ein Deutscher?
Im letzteren Falle entfiele die Beweis-
kraft.Auch Ihr Erlebnis mit dem Herrn Kohn ist
unheimlich schön. Aber sind Sie einer Krypto-
mnesie sicher? Haben Sie den Mann nicht
doch vielleicht an einer Familienähnlich-
keit erkannt? Soll er denn das visuelle
Bild seines eigenen Namens bei sich
herumtragen, während er in der Tramway
fährt? Gestehen Sie zu, daß dieser Erfolg
auch durch Gedankenübertragung nicht
zu erklären ist.Jung schreibt, wir müßten auch den
Okkultismus erobern u bittet um die
Genehmigung, einen Feldzug ins Reich
der Mystik zu unternehmen. Ich sehe, -
S.
Sie sind beide nicht zurückzuhalten. Gehen Sie
wenigstens im Einvernehmen mit einander
vor; es sind gefährliche Expeditionen, und
ich kann da nicht mitgehen.Brill beklagt sich so lange nichts von Ihnen
gehört zu haben. Im selben Brief berichtet er,
daß seine Frau post partum gefährlich
krank war, zweimal operiert werden mußte
aber jetzt in Rekonvaleszenz und zu Hause ist.
Das Töchterchen soll gedeihen.Bei mir nicht viel Neues. Die Krankenliste
ist durch Ernst vermehrt, dem man ein
Ulcus oder eine Fissura gastroduodenalis
andiagnostizirt hat. Er ist auf Milchdiät
gesetzt, soll aber seine Matura machen,
ehe er sich einer Liegekur unterzieht.
Er nim̄t es sehr verständig.Über Kongreß usw. soll die nächste Num̄er
des Korresp. blattes Auskunft bringen.Ich grüße Sie Unheimlichen
herzlich Ihr
FreudIllustrationen im ungarischen Witzblatt Fidbus. Aufgenommen in die 4. Auflage.
Siehe auch das Protokoll der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung vom 17. Mai 1911, in der Freud diese Zeichnungen vorstellte.Zu: "Wer ist der Künstler, ist
er gewiß ein Ungar und nicht ein Deutscher?
Im letzteren Falle entfiele die Beweis-
kraft.": GW 2/3:357Ehefrau von A. A. Brill ist K. Rose Owen Brill (1877-1963), seine Tochter Gioia, verehlichte Mrs. Philip G. Bernheim.
Berggasse 19
Wien 1090
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Budapest 1073
Ungarn
http://data.onb.ac.at/rec/AC16607581 Autogr. 1053/10(1-12) HAN MAG