• S.

    Prof. Dr. Freud
    Marienbad 

     3. Aug 13

    Lieber Freund

    Ich habe gestern meine Kur beendigt und 
    damit ist die toxische Trägheit von mir 
    gewichen. Zudem kam heute die Zusendung 
    die ich Ihnen beilege, ein gutes Muster 
    der spezifisch Adler schen Giftigkeit. Das 
    sind nun unsere Gegner! Ich antworte 
    natürlich überhaupt nicht, es scheint ein Versuch 
    einer boshaften Frozzelei. Ich kenne den 
    Autor nicht. Am bedauerlichsten, daß er 
    mit sovielem über Jung recht hat.

    Die neue Jung’sche Arbeit werde ich jetzt 
    lesen; sie wird unser Benehmen auf 
    dem Kongreß fixiren, aber nicht mehr 
    ändern. Warum ich vom Jahrb zurück-
    treten soll, weiß ich nicht. Ich will weder 
    den Bruch provoziren noch eine Position 
    räumen, die noch gut ist.

    Heute hat Ihre Mutter meinen Besuch 
    erwidert. Eine feine Frau mit merk-
    würdig frischen Augen. Wir werden 
    sie noch vor ihrer Abreise sehen.

    Wir reisen Montag 11 und kom̄en 
    am 13 in S. Martino an. Ich weiß 
    daß Ihre Verspätung durch eine 

  • S.

    Hochzeit in der Familie hervorgerufen 
    ist, bedauere sie aber doch.

    Marienbad war in den letzten fünf Tagen 
    herrlich schön. Ich bin aber bereits zu un-
    ruhig für das harmlose Leben hier.

    Ich habe zugesagt, auf dem Kongreß eine 
    kurze Mitteilung zu machen. Worüber, 
    werde ich Ihnen noch vortragen. Eine 
    Anfrage von Jung u eine dringende 
    Mahnung von Abraham bestim̄ten 
    mich dazu, obwol mir die Diskussionsfrei-
    heit, die Jung eingerichtet hat, nicht paßt. 
    Ich fürchte, wir werden auf dem 
    Kongreß doch schlechter auseinander 
    kom̄en als in unseren Absichten liegt. 
    Wir wollen diese Absichten aber 
    doch, solange es noch geht, festhalten.

    Mit herzlichen Grüßen, in der 
    Erwartung, von Ihnen zu hören, 
    Ihr getreuer 
    Freud

    Beigelegte Zusendung: Dazu Falzeder: 
    Eine nicht identifizierte Arbeit von Alexander Neuer (1883-1940 oder 1941). Neuer, Dr. med. und phil., ein aus Lemberg (Lodz) stammender Psychiater, war ein Schüler Adlers. Eine seiner Arbeiten (>Wandlungen der Libido<; Zeitschrift für medizinische Psychotherapie und medizinische Psychologie, 1916, 7) wurde von Ferenczi referiert (1921, 236); siehe auch unten 413 Fer.

    Die neue Jungsche Arbeit:  Siehe oben 411 Fer, Anm. 1.

    Falzeder zu: "obwohl mir die Diskussionsfreiheit, die Jung eingerichtet hat, nicht paßt.": Bei den vorangegangenen Kongressen waren keine Diskussionen der Vorträge vorgesehen gewesen.

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