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    [Transkription / diplomatische Umschrift: CD]

    PROF. DR. FREUD.   WIEN, IX. Berggasse 19.

    28.11.12

    Verehrter Herr Kollege

    Die arbeit, die Sie ankündigen (12 Nov.) 
    ist noch nicht eingetroffen, doch brauche ich 
    sie nicht abzuwarten um zu wissen, daß 
    sie uns aufs höchste interessiren und 
    unserer Zeitschrift zur Zierde gereichen 
    wird. Der Einspruch unseres Freundes 
    Ferenczi hat die Bedeutsamkeit Ihrer 
    Gedankengängen nicht übersehen. 

    Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, daß der 
    Aufsatz in der neunen „Internat. Zeitsch. 
    f. ärztliche Psychoanalyse“ erscheint,. Sie wissen, 
    daß ich durch Verräterei von 
    Stekel genötigt worden bin, ihm das 
    Zentralblatt zu überlassen u mit fast allen 
    unseren Mitarbeitern in ein neues 
    Heim zu übersiedeln. Ihre Zustim̄ung 
    zu diesem neuen Beginn, um die ich in 
    einem Zirkular gebeten habe, ist 
    hoffentlich unterwegs. 

    Vorigen Sonntag fand eine Zusam̄en-
    kunft in München statt (Jung, Riklin
    Seif, Abraham, Jones, ich u der Sekretär.

  • S.

    von Zürich in Vertretung Maeders), die einen 
    sehr befriedigenden Verlauf nahm. 

    Es wurde besprochen, das neue Blatt an 
    Stelle des Zentralbl. zum offiziellen Organ 
    zu erheben. Die Kollegen benehmen sich 
    charmant gegen mich, Jung nicht am 
    wenigsten. eine persönliche Aussprache 
    zwischen uns hat eine Menge überflüßiger 
    Empfindlichkeiten weggeräumt. Ich hoffe 
    auf weiteres erfolgreiches Zusam̄en-
    wirken. Theoretische Differenzen brauchen 
    es nicht zu trüben, ich werde in der 
    Libidofrage kaum seine Modifikation 
    akzeptiren können, da alle meinen 
    Erfahrungen gegen diese Auffassung 
    sprechen. 

    Indem ich Sie herzlich grüße u 
    von Ihrem Wolbefinden zu hören 
    hoffe, 
    Ihr aufrichtig ergebner
    Freud