S.

17. November 1918

C I R C U L A R

 

in Sachen der psychoanalytischen Stiftung

 

Wenn die Geldgebarung es gestattet, möchte ich aus den Zinsen der Stif- tung jährlich zwei Preise zur Verteilung bringen. Ich konsultiere hierüber die Mitglieder des Komitees: Dr. F e r e n c z i, Dr. v. F r e u n d und Dr. R a n k.

a) Der eine der Preise soll für eine rein ärztliche, der andere für eine Arbeit bestimmt sein, welche die Analyse auf ein nicht ärztliches Thema mit Erfolg anwendet. (Also Typus: Zeitschrift und Imago.)

b) Die Preise sollen je 1000 K. betragen und gleichzeitig mit der Zu- sprechung ausgezahlt werden. Es soll möglich sein, anstatt des einen großen Preises zwei kleine zu je 500 K. an zwei verschiedene Auto- ren zu vergeben.

c) Die Preiszuteilung soll am 27. September jedes Jahres erfolgen und kurz nachher verlautbart werden, zur Erinnerung an den Kongreß in Budapest, mit dem die analytische Stiftung verknüpft ist. Wenn im Herbst ein Kongreß stattfindet, soll die Verkündung der Preise auf diesem Kongreß erfolgen.

d) Ich schwanke, ob ich diesen Preis nach der Stadt Budapest oder nach dem formellen Stifter Dr. Stefan Bárczy benennen soll. Für letz- tere Entscheidung spricht, daß auch der Fond diesen Namen trägt, dagegen aber, daß die Person des Oberbürgermeisters von Budapest zur Psychoanalyse gekommen ist wie etwa Pontius Pilatus ins Credo. Der Name des wirklichen Stifters soll ja nicht genannt werden.

e) Die Preise sollen nicht den Charakter von Subventionen oder Un- terstützungen tragen, für welche die Anerkennung der Arbeit nur ein Vorwand ist. Sie werden nicht den Personen, sondern den veröffent- lichten Arbeiten verliehen, so daß auch nicht ein bedürftiger Analyti-ker sie unbedenklich annehmen kann. Doch bleibt die materielle Ne- benwirkung nicht ohne Einfluß auf die Verteilung.

f) Die Entscheidung darüber, welche Arbeiten alljährlich in solcher Weise auszuzeichnen sind, möchte ich mir allein vorbehalten. Es lei- tet mich dabei die Überlegung, daß die Anzahl von Personen, von denen man des Preises würdige Arbeiten erwarten darf, heute nicht groß ist. Würde ich mehrere von ihnen zur Bildung eines Preisrich- ter-Kollegiums auffordern und andere sind wohl nicht urteilsfähig, so würden diese von der Bewerbung ausgeschlossen bleiben, wozu kein Anlaß besteht.

g) Ich halte es nicht für angezeigt, bei der Beurteilung einer für die Psychoanalyse bedeutsamen Arbeit die Frage, ob der Autor Mitglied der psychoanalytischen Vereinigung ist, in Betracht zu ziehen. 

h) Als den ersten Zeitabschnitt, aus dem ich die preisgekrönten Ar- beiten entnehme, möchte ich die Jahre vom Kriegsbeginn bis zum Budapester Kongreß (also Kriegsende) zusammenfassen, einen Zeit- raum, in dem verhältnismäßig wenig veröffentlicht wurde. Später wird wohl jedes einzelne Jahr genug zur Auswahl bringen. Wenn nicht praktische Rücksichten den Aufschub gebieten, kann die erste Preiszuteilung noch in diesem Jahre – allerdings gegen den sonstigen Vorsatz – verspätet vorgenommen werden.

 

In Erwartung Ihrer vom Interesse für die psychoanalytische Bewegung getragenen Äußerungen zu diesem Vorschlag,

mit herzlichem Gruß

Freud

[Kommentar von Anton von Freund]2

  1. Geldgebarung gestatte jede Verwendungs-Kombination. Nur muß ich zwecks Verbuchung davon wissen.
  2. a) b) c) einverstanden