S.

Berlin, 17.11.20

Nr. 7

Antwort auf Bud. & Lo. 62,

Wien 5 & 63

Liebe Freunde,

Dieses Mal sind alle drei Briefe pünktlich eingetroffen. Wir bedauern sehr Ferenczi’s Unpäßlichkeiten und wüßten gern Näheres über Dein Be- finden. Gib uns doch einmal genauere Nachricht! Wir ersehen aus einer Bemerkung in Deinem Briefe, daß Du einen Domizilwechsel ernstlich erwägst. Rank‘s Vorschlag in einem früheren Briefe wäre ein uns gewiß sehr befriedigende Lösung, aber wir haben große Bedenken für die Sa- che, die in einem Lande manchmal an einer Person hängt. Vielleicht ha- ben wir in nicht zu ferner Zeit eine Komiteezusammenkunft und könnten die Frage gemeinsam besprechen.

Das wissenschaftliche Diskussionsthema für diese Zusammenkunft ver- dient volle Zustimmung. Da der Vorschlag von Ihnen, lieber Herr Pro- fessor, ausgeht, so darf man vielleicht vermuten, daß Sie uns wieder einmal mit neuen Ideen überraschen wollen, und wir können uns freuen, wenn wir sie mit Ihnen diskutieren dürfen!

Mit der Tempest-Übersetzunghat meine Frau 5 bereits in Verabredung

mit Sachs begonnen. Hiller hat Kapitel 1-3 übersetzt, so daß nur der Rest zu tun bleibt.

Wir freuen uns über die Fortschritte in Italien und Spanien. Es ist ein Zeichen der inneren Kraft unserer Sache, daß sie gerade in einer Zeit der größten internationalen Schwierigkeiten und der nicht geringeren Schwierigkeiten im Buchgewerbe solche Fortschritte macht. Wir wissen auch gut, wessen selbstloser und unermüdlicher Arbeit wir das Meiste daran zu verdanken haben. Deine Überlastung, lieber Rank, mit dieser Menge nicht immer erfreulicher Arbeiten erklärt uns eine gewisse Unge-duld, die aus den Wochenberichten spricht. Manches Monitum ist voll- berechtigt, aber manches auch nicht. Die wiederholten Mahnungen in der Sache Kolnai zeugen von dieser Ungeduld. Auf die erste habe ich sofort reagiert. Ebenso auf den Wunsch, Briefe an Dich zu richten. Leider war nur der vorletzte Wiener Brief erst an mich gelangt, als meiner schon ab- gesandt war. Also es ist nicht alles Bummelei. In der Sache Frost erklärt mir Liebermann, sofort nach dem Kongreß im verabredeten Sinn an F. geschrieben zu haben. Hat denn Frost Beschwerde geführt? Du, lieber Jones, erwähnst nichts Näheres. soweit ich sehe, liegt hier kein Ver- schulden Liebermanns vor. Und in der Sache Pietsch noch weniger. Ich verstehe Dich, l. Rank, nicht, warum Du die beiden Sachen in Verbin- dung bringst. Ich erhielt von P. kürzlich die erste Anfrage, die ich Lie- bermann zur Beantwortung übergab. Hier sehe ich auch nicht den leises- ten Anlaß zu einem Monitum! Die Sache befindet sich im ersten Stadi- um. L. hat ihm geschrieben, daß er sich bei uns durch einen Vortrag oder eine eingesandte Arbeit einführen möge – so wie wir es auf dem Kon- greß für derartige Fälle verabredet haben. Auf Pfister’s Empfehlung al- lein können wir niemanden aufnehmen. Das ist die Ansicht von Sachs, der wohl das beste Urteil über Pf. hat. (Übrigens ein nettes Verschreiben von Rank: »Peach« statt Pietsch! I suppose you like peaches more than such letters.)

Daß Liebermanns Geschäftsführung in anderer Hinsicht zu wünschen übrig läßt, soll nicht geleugnet werden; nur in den beiden erwähnten Fäl- len geschieht ihm Unrecht. Außenstehenden wird es gewiß unverständ- lich sein, daß ich als Vorsitzender nicht mit Erfolg einschreiten konnte. Im nächsten Bericht soll die Angelegenheit, nach vorheriger Bespre- chung mit Eitingon & Sachs, noch zur Sprache kommen. Im Allgemei- nen wird man mir ja kaum zutrauen, daß ich eine nachlässige Geschäfts- führung begünstige. Ich beschränke mich für heute darauf, zu versichern, daß besondere Verhältnisse vorliegen, daß ich selbst die Mängel mehr als irgend ein anderer empfinde und nach Möglichkeit die Vereinsge- schäfte schon selbst erledige. Also nächste Woche mehr!

Der Vorschlag Rank’s betr. die literar. Zentralstelle und Reik’s Beauf- tragung mit dem zu schaffenden Posten findet unsere Zustimmung, zu- mal das Zusammenarbeiten im Verlag sicher erhebliche Schwierigkeiten hat. Ich weiß, daß Reik, trotz seiner sonstigen guten Eigenschaften und vortrefflichen Leistungen einen Fehler hat. Er kann das Persönliche nicht ausschalten, fühlt sich Rank gegenüber als der zurückgesetzte, jüngere Sohn unseres gemeinsamen Vatersund wird daher an einem für ihn be- sonders eingerichteten Posten sicher weit Besseres als im Verlag leisten. Ob sich ein kombiniertes französisch-italienisches Journal empfehlen würde, erscheint zweifelhaft. Jones hat zwar Recht, daß die gebildeten Italiener französisch verstehen. Aber, soweit mir bekannt, verstehen die Franzosen nicht italienisch. Mir scheint, daß unsre Sache in Italien grö- ßere Aussicht als in Frankreich hat! Denn in Italien ist die Ablehnung alles aus Deutschland und Österreich Kommenden ganz geschwunden, in Frankreich dagegen nicht. In Fr. werden wir zunächst auch kaum geeig- nete Vorkämpfer und Mitarbeiter haben. Ein Journal aber, das nur über- setzte deutsche Artikel brächte, hätte in Frankreich zunächst keine Aus- sicht auf Erfolg. Die paar jungen Leute in Genf werden uns da auch nicht helfen können, da sie noch keinen eigenen Namen in der Wissenschaft und demnach kein Gewicht in Frankr. haben. Darum scheint mir zu- nächst nur die Gründung eines rein italienischen Journals in Frage zu kommen.

Italia fara da se.7

In der Frage der Festschrift stimmen wir Jones‘ Bedenken zu, besonders im Hinblick auf den sehr kurzen Zeitraum. Was sagen die anderen dazu? Für die Sammlung von Kinder-Aussprüchen machen wir nach Kräften Propaganda. Einiges sandte ich schon vor mehreren Tagen an Rank. Weiteres folgt.

Nun zur Sache der Brunswick Square-Klinik! Wir sind Dir, lieber Jones, für die gründliche Information sehr dankbar. Ich will ausdrücklich zugeben, daß die geschilderten Mißstände auch unseren Verein zu sol- chem Verhalten veranlaßt haben würden. Aber gerade wenn ein solches Institut so verkehrt geleitet wird, so haben wir das größte Interesse an einer Änderung, und die kann anscheinend jetzt erreicht werden. Ich glaube auch aus Jones Schreiben entnehmen zu dürfen, daß unsere Ab- sicht, die Brüder Glover und Miss Sharpe hierher kommen zu lassen, bei der Londoner Gruppe nicht auf Widerspruch stößt. Frau Dr. Herford war, als sie hierher kam, zweifellos mangelhaft in der Psychoanalyse un- terrichtet. Die kurze Zeit der Analyse bei Flügel hatte diese Defekte noch nicht ausgeglichen. Sie ist aber mit großem und ausdauernden Eifer bei ihrer Analyse, erscheint täglich früh um 8 Uhr bei mir, ohne sich je zu verspäten und zeigt sehr gutes Verständnis. Sie wird niemals eine beson- dere wissenschaftliche Arbeitskraft werden, hat aber um so größere the- rapeutische Interessen und scheint zu einem loyalen Zusammenarbeiten mit dem dortigen Verein ehrlich bereit zu sein. Sie bedarf natürlich nach ihrer Rückkehr des Kontaktes mit solchen, die mehr wissen & können als sie selbst. Sie hatte sich zuerst entschlossen, 3 Wochen hier zu bleiben und Weihnachten heimzufahren. Jetzt spricht sie von einer Verlängerung ihres Aufenthaltes, weil sie fürchtet, in einem Monat noch nicht weit ge- nug analysiert zu sein. Ich werde sie natürlich vor der Illusion schützen, vollkommen fertig in der PsA zu sein, wenn sie von hier fortgeht. Auch habe ich ihr schon jetzt erklärt, daß sie sich in die London Society mit einer eigenen Arbeit einführen müsse.

Von den beiden Brüdern Glover kenne ich nur den älteren, der etwa 35 Jahre alt ist.Ich finde immerhin schon die Bereitwilligkeit anerken- nenswert, mit welcher diese Leute in solchem Alter sich zur Analyse melden, um Neues zu lernen. Von dem jüngeren Bruder weiß ich nur, daß er noch nicht analytisch gearbeitet hat, was gewiß noch günstiger ist. Es wäre Sachs und mir eine große Freude, aus den dreien und Miss Sharpe brauchbare Mitarbeiter zu machen. Die Londoner Gruppe würde so einen Einfluß auf die Klinik gewinnen, der dem Eingehen des Instituts vorzuziehen wäre. Auch ist es gewiß ein Vorteil, wenn alle vier außer- halb Londons analysiert sind. In unserer Gruppe haben sich genug Schwierigkeiten daraus ergeben, daß der größte Teil der Mitglieder von mir analysiert war.

Ich habe mit Frau Dr. H[erford] . den Inhalt Deines Briefes, l. Jones, be- sprochen, selbstverständlich unter Ausschluß alles Persönlichen, das dar- in enthalten war. Sie gab zu, daß die Eröffnung des Instituts mit der Rede des Earl of S[andwich] ein Mißgriff war, gab ebenso auch die anderen Einwände als berechtigt zu, allerdings großenteils nur für frühere Jahre. Sie selbst arbeitet dort seit 1917. Sie bestreitet entschieden, daß in diesen letzten Jahren Schüler nach einigen Wochen als fertige Analytiker ent- lassen worden seien. Im Gegenteil werde eine sehr lange Ausbildung verlangt. Auch sei in den letzten Jahren keine Rede davon, daß jemand andre analysiere, der selbst noch in der eigenen Analyse befindlich sei.

 

Mißbräuche solcher Art seien, wenn auch nicht im großem Umfang vor- gekommen. Als Frau Dr. H[erford]. in die Klinik eintrat, war dort eine Sekretärin, die eigenmächtig alle erreichbaren Personen analysierte. Sie wurde damals entlassen. Daraus, daß sich mehrere an der Klinik tätige Personen zur PsA zu uns zu kommen wünschen, geht doch hervor, daß sie die Mängel ihres Könnens einsehen, und aus diesem Grunde war es doch wertvoll, daß Dr. Herford & Glover am Kongreß teilgenommen haben. Sie haben erst dort einen Begriff von PsA bekommen.

Ich werde über alles Weitere berichten.

Anbei für Jones verschiedene Zeitungsausschnitte9, die nach Wien zu- rückgehen müssen.

Das Briefpapier ist tatsächlich etwas zu dick. Zwar kann ich mit meiner Maschine leserliche Kopien durchschlagen, aber das Papier läuft, wenn man 4 Bogen hat, zu schwer über die Walze.

An Rank: Unter den Teilnehmern meines Kurses besteht lebhaftes Be- dürfnis nach ps-a. Literatur. Ich sende demnächst eine Sammelbestel- lung, um die Teilnehmer auf möglichst billigem Wege (unter Ausschluß des Buchhändler-Aufschlages) mit Literatur zu versorgen.

Das mag nun für dieses Mal genügen! Mit den besten Grüßen für alle

Abraham