S.

W i e n 10 am 11. Dezember 1920

Liebe Freunde!

Wir bestätigen den Eingang von Budapest 82, Berlin und London No 9und 104. –

Wir schließen uns dem Berliner Vorschlag der Dekade (1., 11. und 21.) an, obwohl uns die Lösung nicht gerade ideal erscheint; sollte es sich nicht bewähren, dann würden wir lieber einen Intervall von 14 Tagen vorschlagen. Unser Einwand gegen die Dekade kam daher, daß wir für unsere Besprechungen einen fixen Tag (den Mittwoch Abend) haben.

Ad. Berlin: Die Nachrichten über die dortige Situation und die event. Aussichten nehmen wir zur Kenntnis. Wir freuen uns, daß Abraham die Restitution der altpreussischen Ordnung wenigstens auf dem Gebiete der Vereinigung anstrebt und hoffen, daß dagegen auch Jones nichts einzu- wenden haben wird. Der Fall Pietsch (noch immer nicht reif!) zeigt doch, daß eine gewisse Gefahr darin liegt, wenn die Berliner Gruppe sich durch Intoleranz gegenüber von Aufnahmebewerbern den Ruf der zuge- knöpften Geheimsekte verschafft und so schließlich auch ernsthafte und wertvolle Bewerber abschreckt.So haben wir z. B. trotz mehrfacher An- frage (einmal auch im Rundbrief) keine Auskunft über das Schicksal der beiden Frankfurter Assistenten erhalten! – Bei dieser Gelegenheit urgie- ren wir nochmals – zum wievielten male ahnst du lieber Abraham viel- leicht nicht – die Abonnementsbeiträge der Mitglieder für die beiden Zeitschriften pro 1920!!

Die gewünschten Bücher und noch einige verwendbare mehr sind bereits vor einigen Tagen an die Poliklinik abgegangen; Liste und Preisver- zeichnis hat Dr. Hárnik mitgenommen; 500 Prospekte folgen morgen.

Von der Arbeit Blumenthals legen wir einen Abzug bei; mehr wissen wir nicht von ihm!6

Über die wissenschaftlichen Anregungen Abrahams haben wir uns ge- freut und werden die Sache verfolgen, mit der wir im Ganzen einver- standen sind.

Ad London: Bezüglich der Mohamet-Arbeit hat der Professor nichts da- gegen, wenn das von ihm Bemerkte B[erkeley]-H[ill] zur Verfügung ge- stellt wird. – Die Anregungen von Jones, alle englischen Angelegenhei- ten des Journals (Übersetzungen etc.) durch seine Hand gehen zu lassen, begrüßen wir aufs Wärmste und hoffen damit die Organisation dieser Seite zu fördern.

Bei dieser Gelegenheit vermissen wir eine Aufklärung von Jones über das gleichzeitige Erscheinen seines Artikels (Recent Advances) in Mit- chells Journal?Was die Übersetzung von Kolnai betrifft wären wir ganz der Meinung von Jones, bedauern nur, daß das bisher Übersetzte nicht verwendet werden kann. Gegen eine Übersetzung in einem anderen Ver- lag sind wir aber auf das Entschiedenste: entweder wir haben eine Press und eine dort erscheinende Library oder nicht; es muß doch einen schlechten Eindruck machen, wenn wir unsere eigenen Bücher nicht einmal übersetzen, wie es mit dem Tagebuch geschehen ist, mit dem man hätte Geld verdienen können, wenn das Übersetzungsrecht nicht verkauft worden wäre. Bezüglich der Notwendigkeit einer eingehenden und kla- ren Auseinandersetzung mit Jung und Adler für das anglo-amerikanische Publikum stimmen wir Dir, lieber Jones, vollkommen zu. Auch der Pro- fessor meint, es wäre sehr anerkennenswert das zu unternehmen, aber das kann wirklich nur ein Engländer machen, der mit den entsprechen- den Verhältnissen, der betreffenden Literatur und den nötigen Wissen genügend vertraut ist. Für die deutschen Leser ist diese Aufgabe ja be- reits gelöst worden.

Was die Kola-Sache betrifft, so wird fieberhaft an der Bilanz gearbeitet, die aber vor Jahresende bestimmt nicht fertig werden wird. Sobald sich irgend etwas zeigt, werden wir natürlich sofort über die ganze Angelegenheit berichten. Vorläufig wünschen wir auch keinerlei Veränderun- gen, weder in unseren Beziehungen zur englischen Firma noch in dieser selbst. Mit Hillers Ankunft am 16. ds. M. freuen wir uns sehr, wünschten nur, daß die Frage seiner Bezüge vorher ganz klar gestellt worden wären. Wir ersuchen Jones um diesbezügliche rückhaltlose Äußerung. –

Was endlich die Frage der Komitee-Sitzung und die in letztem Brief von Berlin und London aufgeworfenen Kongreßfragen betrifft, so können wir zu letzterer ganz präzise Stellung nahmen. – Wir meinen allen Erns- tes, daß wir alle miteinander viel zu sehr überarbeitet sind, um uns noch heuer den Strapazen eines Kongresses auszusetzen, der wie wir gesehen haben, auch unter den günstigen äußeren Verhältnissen in Holland keine Erholung war. Daß gerade die Berliner Gruppe, deren führende Mitglie- der persönlich so überaus stark in Anspruch genommen sind, noch die nicht unbeträchtlichen Mühen einer Kongreß-Vorbereitung auf sich nehmen sollen, erscheint uns höchst unökonomisch. Außerdem ist, wie schon in Holland bemerkt wurde, der Termin von einem Jahr zu kurz, damit sich das Interesse entsprechend anhäufe. – Ein weiteres persönli- ches Motiv des Professors gegen die Abhaltung eines Kongresses in die- sem Jahre ist sein starkes und dringendes Erholungsbedürfnis gerade heuer, wo seine Arbeitsleistung weit über seine Kräfte geht. –

Dann wird von der Komitee-Sitzung im selben Atem gesprochen wie vom Kongreß. während die Komiteesitzung heuer gerade als Ersatz des Kongresses gelten sollte (in anderen Jahren soll sie im Anschluß an den Kongreß stattfinden). Was den Zeitpunkt der Komitee-Sitzung betrifft, so sind zwei Möglichkeiten hierfür [vorgesehen], über die wir die Äuße- rungen im nächsten Brief erbitten: entweder im Laufe des Jahres (an ei- nem der großen Feste: Ostern oder Pfingsten), oder am Ende der Ferien vor Beginn des neuen Arbeitsjahres. Der Ort würde sich nach der Wahl der Zeit richten: im ersten Falle eine etwas neutral gelegene Stadt (Salz- burg, München etz), im zweiten Falle, wo der Professor von den Ferien käme (heuer voraussichtlich im Süden) entweder Comersee oder Boden- see etz.). Der Charakter der Zusammenkunft soll ein wesentlich freund- schaftlicher sein, natürlich mit wissenschaftlicher Arbeit. Es steht selbst- verständlich jedem frei, zu sagen oder zu fragen, was er auf dem Herzen hat; doch wollen wir von jeder Art Zwang, etwas mitteilen oder vorbe- reiten zu müssen, absehen. Eines der dann vorgebrachten Themen kann zur Diskussion gestellt werden. Wenn nicht das vom Prof. vorgeschlage- ne Thema der Telepathie so ein anderes. Jedenfalls ist der Prof. bereit, sein Exposé über »Telepathie« zu halten8, worin er seine Erfahrungen mitzuteilen gedenkt. –

Dieser Brief ist nur von mir (Rank) unterzeichnet, selbstverständlich im Einverständnis mit dem Professor, der vom Inhalt des Briefes vorher Kenntnis genommen hat; es geschieht dies ausnahmsweise, um den ers- ten Dekaden-Tag pünktlich einzuhalten.

Herzliche Grüße

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