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S.
Berlin 11.7.21
Liebe Freunde,
Von uns ist, nachdem der Verein seine Ferien angetreten hat,
wenig zu berichten. Sachs verreist am 15. d. M. Seine Adresse für die
nächsten Wochen ist Südbahn-Hotel, Semmering.Ein hiesiger Verlag, S. Seemann, der kleine populär-wissen-
schaftliche Broschüren herausgibt, hat mich zur Anfertigung einer sol-
chen über PsA aufgefordert. Ich habe wegen anderer Absichten abgelehnt,
dagegen ist Sachs bereit, die Sache zu übernehmen, falls die Bedin-
gungen befriedigend sind.Ich hatte vor einigen Tagen den Besuch eines Dr. Cohn, Assi-
stent an einer psychiatrischen Privatanstalt in Stuttgart, der bestimmt
vorhat, sich der PsA zu widmen und im nächsten Frühjahr nach Berlin
übersiedeln will, um sich zunächst selbst analysieren zu lassen.Dein Vorschlag, l. Ferenczi, ein Nachwort zu unsrer Tic-
Diskussion zu schreiben, sagt uns sehr zu, und ich kann nur bedauern,
daß wir Dich nicht von uns aus sogleich dazu aufgefordert haben. Ich
(A) hatte bei Übersendung meines Votums natürlich die Erwartung, Du
würdest Dich dazu äußern. Wir bitten also Rank, den Diskussions-
bericht an Ferenczi zu senden.Über Freimark weiß ich (A) nichts. Ev. werden Eitingon oder
Sachs am Schluß des Briefes angeben, was sie wissen.Ein interessantes Document liegt vor mir: das Programm des
Kongresses der Gesellschaft deutscher Nervenärzte. Unter den mehr als
20 Vorträgen ist nicht einer, der das Gebiet der Neurose auch nur
streifte.– Ein guter Beweis dafür, daß man nichts zu sagen hat. Da-
gegen hagelt es Mitteilungen über Tumoren, mikroskopische Befunde bei
organischen Gehirnkrankheiten etc. Diese guten Neurologen leben doch
alle von den Neurosen, verdecken aber ihre wissenschaftliche und
praktische Ohnmacht gegenüber diesen Zuständen durch eine fast komische
Vielgeschäftigkeit bezüglich der organischen Leiden.Sehr erfreuen uns Deine diesmaligen Berichte, l. Jones, über
die Verhandlungen wegen der Clinic. Die Verlegung in ein anderes Lokal
ist eine sehr gute Idee. Hoffentlich sind nun bald alle Schwierigkeiten
überwunden!Über unseren Briefwechsel in nächster Zeit besteht noch keine
volle Einigkeit. Da aber sowohl Wien wie London in diesem Monat noch
einen Brief vorschlagen, so werden wir den unsrigen am 21. versenden. -
S.
Wegen des folgenden Briefes erbitten wir noch um Äußerung.
Für Rank: Mein „Manuskript Äußerungsformen des weibl. Kastrations-
komplexes“ ist abgeschlossen, befindet sich in Abschrift und geht Dir
in Kürze zu. Eventuell gebe ich es Sachs mit. Ich taxiere die Arbeit auf 2 1/2
Druckbogen. Ein kleiner Aufsatz über Rettungsphantasien soll sehr bald
folgen.Allen, die jetzt in die Ferien gehen, wünschen wir gute Erho-
lung, an der Spitze Ihnen, l. Herr Professor. Wir wissen übrigens bisher
nur, daß Sie nach Gastein gehen, aber nicht die nähere Adresse und
bitten Rank um Mitteilung im nächsten Brief. Du, l. Ferenczi, erwähnst
eine Indisposition; hoffentlich ist sie nur vorübergehend.Mit besten Grüße
Abraham Sachs Eitingon