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S.
Wien, am 1. Oktober 1923
Liebe Freunde!Wir müssen leider den diesmaligen Briefwechsel mit der bedauer-
lichen Nachricht beginnen, daß der Professor sich in den nächsten Tagen
auf Anraten seiner Ärzte einer neuerlichen Operation unterziehen muß,
die ihm aber glücklicherweise nach einer etwa vierwöchigen Rekonvaleszenz
wieder volle Arbeitsfähigkeit in Aussicht stellen können. Ich hoffe jeden-
falls noch vor dem nächsten Rundbrief (Mitte des Monats) gute Nachrichten
über den Verlauf der Operation und das Befinden des Professors geben zu
können.Im übrigen will ich mich im heutigen Schreiben auf die Mittei-
lungen der notwendigsten Neuigkeiten beschränken. Im Verlag geht vorläufig
noch alles den gewohnten Gang weiter (insbesondere die Gesamtausgabe und
die „Zeitschriften“). Doch werden wir das angesichts der immer trostloseren
wirtschaftlichen Verhältnisse im Reiche bald wesentlich einschränken müs-
sen. Als erstes Opfer wird nun doch die „Imago“ fallen müssen, die wir vom
nächsten Jahrgang ab mit der „Zeitschrift“ vereinigen wollen. Über die re-
daktionellen (bes. technischen) Fragen können wir später sprechen. Doch möch-
ten wir womöglich schon jetzt etwaige Wünsche und Vorschläge hören, z. B. ob
es besser wäre, die Herausgabe von angewandten bzw. ärztlichen Sondernummern
anzustreben, oder ob wir jede Nummer immer mit gemischtem Inhalt bringen sol-
len etc.). Redaktionell habe ich vorgeschlagen und der Professor hat dem
gerne zugestimmt, daß Du, l. Sándor, wieder in Deine früheren Rechte als
aktiver Mitredakteur eingesetzt würdest, um sowohl nach innen wie nach aus-
sen hin die ärztliche Seite zu vertreten, während ich die angewandte über-
nehme. Ich nehme an, daß nicht nur die anderen, sondern vor allem Du,
l. Sándor, mit unserem Vorschlag einverstanden bist, und vor allem auch damit,
mir wirklich einen Teil der redaktionellen Arbeit abzunehmen. Ferner haben
wir, verschiedenen Wünschen Rechnung tragend, beschlossen, daß vom nächs-
ten Jahrgang an, bei jeder Arbeit das Einlaufsdatum beigedruckt wird. Von
„Imago“ und „Zschr.“ erscheint also nur noch je eine Nummer, in der alten Form
(von ersterer ein ästhetisch-kunstpsychologisches Heft).Da der Professor an der Mitte des Monats stattfindenden General-
versammlung der Vereinigung, die ja übrigens meist nur formalen Charakter
hat, voraussichtlich noch nicht wird teilnehmen können, haben wir gestern
noch unter seinem Vorsitz die Ausschuß-Sitzung abgehalten, in der alles
Wesentliche festgehalten wurde: Der Vorstand des Vereins und der Poliklinik
bleiben unverändert. Eine Änderung ist die geplante Anstellung eines Arztes
für das Ambulatorium, dessen Gehalt von der Vereinigung in der Form aufge-
bracht wird, daß die einzelnen Mitglieder sich zu einem fixen monatlichen
Beitrag verpflichten (was wir vorläufig bei der stabilisierenden Krone tun
können). Für die Stelle selbst ist Dr. Reich in Aussicht genommen. -
S.