Das Unbewusste 1915-005/1922
  • S.

    Unbewußten,

    XVIII.
    DAS UNBEWUSSTE. »

    Wir haben aus der Psychoanalyse erfahren, das Wesen

    des Prozesses der Verdrängung bestehe nicht darin, eine den
    Trieb repräsentierende Vorstellung aufzuheben, zu vernichten,
    sondern sie vom Bewnßtwerden abzuhalten. Wir sagen dann,
    sie befinde sich im Zustande des „Unbewußten“, und haben
    gute Beweise dafür vorzubringen, daß sie auch unbewußt
    Wirkungen äußern kann, auch solche, die endlich das Be-

    wußtsein erreichen, Alles Verdrängte muß unbewußt bleiben,
    aber wir wollen gleich eingangs feststellen, daß das Ver-
    drängte nicht alles UnbewuBte deckt. Das Unbewulte hat
    den weiteren Umfang; das Verdrängte ist ein Teil des Un-
    bewußten.

    Wie sollen wir zur Kenntnis des Unbewußten kommen?
    Wir kennen es natürlich nur als Bewußtes, nachdem es eine
    Umsetzung oder Übersetzung in Bewuftes erfahren hat. Die
    psychoanalytische Arbeit läßt uns alltäglich die Erfahrung
    machen, daB solche Übersetzung möglich ist. Es wird hiezu
    erfordert, daß der Analysierte gewisse Widerstände iiber-
    winde, die nåmlichen, welche es seinerzeit durch Abweisung

    vom Bewuften zu einem Verdrängten gemacht haben.
    Die Berechtigung, ein unbewußtes Seelisches anzu- '
    nehmen und mit dieser Annahme wissenschaftlich zu ar-

    *) Intern. Zeitschr. für årztl. Psychoanalyse, III, 1915.

  • S.

    , wird uns von vielen Seiten bestritten. Wir können
    ren anführen, daß die Annahme des UnbewuBten not-
    ig und legitim ist, und daB wir fir die Existenz
    Unbewußten mehrfache Beweise besitzen. Sie ist not-
    g, weil die Daten des Bewußtseins in hohem Grade
    ken t sind; sowohl bei Gesunden als bei Kranken kom-

    | häufig psychische Akte vor, welche zu ihrer Erklärung‘.
    dere Akte voraussetzen, für die aber das Bewußtsein nicht
    gt. Solche Akte sind nicht nur die Fehlhandlungen und
    Träume bei Gesunden, alles, was man psychische Sym-
    und Zwangserscheinungen heißt, bei Kranken — unsere
    lichste tägliche Erfahrung macht uns mit Einfällen
    nt, deren Herkunft wir nicht kennen, und mit Denk-

    ltaten, deren Ausarbeitung uns verborgen geblieben ist.
    ese bewußten Akte blieben zusammenhanglos und un-
    dlich, wenn wir den Anspruch festhalten wollen, daß
    uch alles durchs Bewußtsein erfahren müssen, was an
    chen Akten in uns vorgeht, und ordnen sich in einen
    gbaren Zusammenhang cin, wenn wir die erschlossenen
    en Akte interpolieren. Gewinn an Sinn und Zu-
    enhang ‘ist aber ein vollberechtigtes Motiv, das uns
    die unmittelbare Erfahrung hinaus führen darf, Zeigt
    dann noch, daß wir auf die Annahme des Unbewußten
    lerciches Handeln aufbauen können, durch welches
    den Ablauf der bewubten Vorgänge zweckdienlich beein-
    so haben wir in diesem Erfolg einen unanfechtbaren
    fir die Existenz des Angenommenen gewonnen. Man :
    ch ー auf den Standpunkt stellen, es sci nichts

  • S.

    SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Man kann weiter gehen und zur Unterstützung eines
    unbewuBten psychischen Zustandes anführen, daß das Be-
    wußtsein in jedem Moment nur einen geringen Inhalt um-
    faßt, so daß der größte Teil dessen, was wir bewußte Kenntnis
    heißen, sich ohnedies über die längsten Zeiten im Zustande

    der Latenz, also in einem Zustande von psychischer Unbe-

    wußtheit befinden muß. Der Widerspruch gegen das Unbe-
    wußte würde mit Rücksicht auf alle unsere latenten Erin-
    nerungen völlig unbegreiflich werden, Wir stoßen dann auf
    den Einwand, daß diese latenten Erinnerungen nicht mehr
    als psychisch zu bezeichnen seien, sondern den Resten von
    somatischen Vorgången entsprechen, aus denen das Psychische
    wieder hervorgehen kann. Es liegt nahe zu erwidern, die
    latente Erinnerung sei im Gegenteil ein unzweifelhafter Rick-
    stand eines psychischen Vorganges. Wichtiger ist es aber,
    sich klarzumachen, daB der Einwand auf der nicht ausge-
    sprochenen, aber von vornherein fixierten Gleichstellung des
    BewuBten mit dem Seelischen ruht. Diese Gleichstellung ist
    entweder eine petitio principii, welche die Frage, ob alles
    Psychische auch bewußt sein müsse, nicht zulåft, oder eine
    Sache der Konvention, der Nomenklatur. In letzterem Cha-
    rakter ist sie natürlich wie jede Konvention unwiderlegbar.
    Es bleibt nur die Frage offen, ob sie sich als so zweckmäßig
    erweist, daß man sich ihr anschließen. muß, Man darf ant-
    worten, die konventionelle Gleichstellung des Psychischen
    mit dem BewuBten ist durchaus unzweckmifBig. 816 7
    die psychischen Kontinuitåten, stürzt uns in die unlósbaren
    Schwierigkeiten des psychophysischen Parallelismus, unter-
    liegt dem Vorwurf, daß sie ohne einsichtliche Begründung
    die Rolle des Bewuftseins überschätzt, und nôtigt uns, das
    Gebiet der psychologischen Forschung vorzeitig zu ver-

  • S.

    merhin ist es klar, daß die Frage, ob man die un-
    en latenten Zustände des Seelenlebens als unbe-
    seelische oder als physische auffassen soll, auf einen
    treit hinauszulaufen droht. Es ist darum ratsamer, das
    Vordergrund zu rücken, was uns von der Natur dieser
    Zustände mit Sicherheit bekannt ist. Nun sind
    nach ihren physischen Charakteren vollkommen un-
    ich; keine physiologische Vorstellung, kein chemischer |
    ann uns eine Ahnung von ihrem Wesen vermitteln,
    anderen Seite’ steht fest, daß sie mit den bewußten
    en Vorgängen die ausgiebigste Berührung haben; sie
    h mit einer gewissen Arbeitsleistung in sie um-
    durch sie ersetzen, und sie können mit all den Kate-
    schrieben werden, die wir auf die bewußten Seelen-
    den, als Vorstellungen, Strebungen, EntschlieBun-

    Ja von manchen dieser latenten Zustände müssen

    en, sie unterscheiden sich von den bewuBten eben
    den Wegfall des BewuBtseins. Wir werden also

    m Zusammenhang mit den bewuften seelischen
    1 behandeln.

    m seelischen Akte erklärt sich daraus, daß die

    er in Betracht kcmmenden Phänomene außerhalb
    oanalyse nicht Gegenstand des Studiums geworden

    der alten Weisheit bescheidet, Träume seien _

    - braucht dann nur noch einige Rátsel der Be-

  • S.

    SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    wubtseinspsychologie zu vernachlässigen, um sich die An-

    nahme unbewußter seelischer Tätigkeit zu ersparen. Übrigens
    haben die hypnotischen Experimente, besonders die post-
    hypnotische Suggestion, Existenz und Wirkungsweise des
    seelisch Unbewubten bereits vor der Zeit der Psychoanalyse
    sinnfållig demonstriert.

    Die Annahme des Unbewußten ist aber auch eine völlig
    legitime, insofern wir bei ihrer Aufstellung keinen Schritt
    von unserer gewohnten, für korrekt gehaltenen Denkweise ab- |
    weichen, Das Bewußtsein vermittelt jedem einzelnen von uns
    nur die Kenntnis von eigenen Scelenzuständen; daß auch
    ein anderer Mensch ein Bewußtsein hat, ist ein Schluß, der
    per analogiam auf Grund der wahrnehmbaren Äußerungen
    und Handlungen dieses anderen gezogen wird, um uns dieses
    Benehmen des anderen verständlich zu machen. (Psycho-
    logisch richtiger ist wohl die Beschreibung, daß wir ohne be-
    sondere Überlegung jedem anderen außer uns unsere eigene
    Konstitution, und also auch unser Bewußtsein, beilegen, und
    daß diese Identifizierung die Voraussetzung unseres Verstånd-
    nisses ist.) Dieser Schluß — oder diese Identifizierung —
    wurde einst vom Ich auf andere Menschen, Tiere, Pflanzen,
    Unbelebtes und auf das Ganze der Welt ausgedehnt und er-
    wies sich als brauchbar, solange die Ähnlichkeit mit dem
    Binzel-Ich eine überwältigend große war, wurde aber in dem
    Maße unverläßlicher, als sich das Andere vom Ich entfernte.
    Unsere heutige, Kritik wird bereits beim Bewußtsein der
    Tiere unsicher, verweigert sich dem Bewußtsein der Pflanzen
    und weist die Annahme eines Bewußtseins des Unbelebten
    der Mystik zu. Aber auch, wo die ursprüngliche Identifizie-
    rungsneigung die kritische Prüfung bestanden hat, bei dem
    uns nächsten menschlichen Anderen, ruht die Annahme eines

  • S.

    ns auf einem Schluß und kann nicht die unmittel-

    erheit unseres eigenen Bewußtseins teilen,

    e Psychoanalyse fordert nun nichts anderes, als daß
    Schlußverfahren auch gegen die eigene Person ge-

    werde, wozu eine konstitutionelle Neigung allerdings ‏א‎

    steht, Geht man so vor, so muß man sagen, alle

    und Äußerungen, die ich an mir bemerke und mit

    sonstigen psychischen Leben nicht zu verknüpfen
    tissen beurteilt werden, als ob sie einer anderen
    gehörten, und sollen durch ein ihr zugeschriebenes

    dieselben Akte, denen man bei der eigenen Person

    shische Anerkennung verweigert, bei anderen sehr

    deuten, d. h. in den seelischen Zusammenhang ein-
    versteht, Unsere Forschung wird hier offenbar durch

    nderes Hindernis von der eigenen Person abgelenkt

    eren richtiger Erkenntnis behindert.
    trotz inneren Widerstrebens gegen die eigene Person

    ten Anlaß, einiges einzuwerfen. Erstens ist ein Be-

    , von dem der eigene Träger nichts weiß, noch

    leres als ein fremdes Bewußtsein, und es wird frag-

  • S.

    300 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    wir erschließen, sich eines hohen Grades von gegenseitiger
    Unabhängigkeit erfreuen, so als ob sie miteinander nicht in
    Verbindung stünden und nichts voneinander wüßten. Wir

    müssen. also bereit sein, nicht nur ein zweites Bewußtsein
    in uns anzunehmen, sondern auch ein drittes, viertes, viel-
    leicht eine unabschließbare Reihe von Bewußtseinszuständen,
    die sämtlich uns: und miteinander unbekannt sind. Drittens
    kommt als schwerstes Argument in Betracht, daß wir durch

    die analytische Untersuchung erfahren, ein Teil dieser latenten
    Vorgänge besitze Charaktere und Eigentümlichkeiten, welche
    uns fremd, selbst unglaublich erscheinen und den uns be-
    kannten Eigenschaften des Bewußtseins direkt zuwiderlaufen.
    Somit werden wir Grund haben, den gegen die eigene Person
    gewendeten Schluß dahin abzuändern, er beweise uns nicht
    ein zweites Bewußtsein in uns, sondern die Existenz von
    psychischen Akten, welche des Bewußtseins entbehren. Wir
    werden auch die Bezeichnung eines „Unterbewußtseins“ als in-
    korrekt und irreführend ablehnen dürfen. Die bekannten Fälle
    von „Double conscience“ (Bewußtseinsspaltung) beweisen
    nichts gegen unsere Auffassung. Sie lassen sich am zutref-
    fendsten beschreiben als Fälle von Spaltung der seelischen
    Tätigkeiten in zwei Gruppen, wobei sich dann das nämliche
    Bewußtsein alternierend dem einen oder dem anderen Lager
    zuwendet.

    Es bleibt uns in der Psychoanalyse gar nichts anderes
    übrig, als die seelischen, Vorgänge für an sich unbewubt zu
    erklären und ihre Wahrnehmung durch das Bewußtsein mit
    der Wahrnehmung der Außenwelt durch die Sinnesorgane zu
    vergleichen. Wir hoffen sogar aus diesem Vergleich einen
    Gewinn fiir unsere Erkenntnis zu ziehen. Die psychoanaly-
    tische Annahme der unbewubten Seelentátigkeit erscheint

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE.

    ts als eine weitere Fortbildung des primitiven
    der uns überall Ebenbilder unseres Bewubtseins

    , und anderseits als die Fortsetzung der Korrek-
    Kant an unserer Auffassung der äußeren Wahr-
    vorgenommen hat. Wie Kant uns gewarnt hat,
    ktive Bedingtheit unserer Wahrnehmung nicht zu
    1 und unsere Wahrnehmung nicht fiir identisch mit
    kennbaren Wahrgenommenen zu halten, so mahnt
    :hoanalyse, die BewuBtseinswahrnehmung nicht an
    des unbewuBten psychischen Vorganges zu setzen,
    Objekt ist. Wie das Physische, so braucht auch’
    che nicht in Wirklichkeit so zu sein, wie es uns
    Wir werden uns aber mit Befriedigung auf die
    otberciten, daß die Korrektur der inneren Wahr-
    nicht ebenso große Schwierigkeit bietet wie die
    ‚daß das innere Objekt minder unerkennbar ist

    weitergehen, wollen wir die wichtige, aber auch Die Vejs
    ⑧ les
    e Tatsache feststellen, daß die UnbewuBtheit nur Unbewusten. 」

    des Psychischen ist, welches fiir dessen Cha-
    keineswegs ausreicht. Es gibt psychische Akte
    verschiedener Dignität, die doch in dem Charakter,
    zu sein, übereinstimmen. Das Unbewußte umfaßt
    Akte, die bloß latent, zeitweilig unbewußt sind,
    sonst von den bewuBten in nichts unterscheiden,
    its Vorgänge. wie die verdrångten, die, wenn sie
    den, sich von den übrigen bewufiten aufs grellste
    ten. Es würde allen Mifverstándnissen ein Ende
    wir von nun an bei der Beschreibung der ver-

    o psychischen Akte ganz davon absehen wiir-
    pewuBt odór unbewuBt sind, und sie blog nach

  • S.

    Der topische
    Gesichtspunkt .

    302 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    ihrer Beziehung zu den Trieben und Zielen, nach ihrer Zu-
    sammensetzung und Angehôrigkeit zu den einander überge-
    ordneten psychischen Systemen klassifizieren und in Zu-
    sammenhang bringen würden. Dies ist aber aus verschiedenen
    Gründen undurchführbar, und somit können wir der Zwei:
    deutigkeit nicht entgehen, daß wir die Worte bewußt und
    unbewußt bald im deskriptiven Sinne gebrauchen, bald im
    systematischen, wo sie dann Zugehörigkeit zu bestimmten
    Systemen und Begabung mit gewissen Eigenschaften bedeuten.
    Man könnte noch den Versuch machen, die Verwirrung da-
    durch zu vermeiden, daß man die erkannten psychischen į
    Systeme mit willkürlich gewählten Namen bezeichnet, in
    denen die Bewußtheit nicht gestreift wird. Allein man müßte
    vorher Rechenschaft ablegen, worauf man die Unterschei-
    dung der Systeme gründet, und könnte dabei die Bewußtheit
    nicht umgehen, da sie den Ausgangspunkt aller unserer Un-
    tersuchungen bildet. Wir können vielleicht einige Abhilfe
    von. dem Vorschlag erwarten, wenigstens in der Schrift Be-
    wuDtsein durch die Darstellung Bw. und Unbewußtes durch
    die entsprechende“ Abkürzung Ubw. zu ersetzen, wenn wir

    die beiden Worte im systematischen Sinne gebrauchen.

    In positiver Darstellung sagen wir nun als Ergebnis der
    Psychoanalyse aus, daß ein psychischer Akt im allgemeinen
    zwei Zustandsphasen durchläuft, zwischen welche eine Art
    Priifung (Zensur) eingeschaltet ist. In der ersten Phase
    ist er unbewubt und gehört dem System Ubw. an; wird er
    bei der Prüfung von der Zensur abgewiesen, so ist ihm der
    Übergang in die zweite. Phase versagt; es heißt dann „ver-
    drängt“ und muß unbewußt bleiben. Besteht er aber diese
    Prüfung, so tritt er in die zweite Phase ein und wird dem
    zweiten System zugehörig, welches wir das System Bw.

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE, 303

    wollen, Sein Verhältnis zum Bewußtsein ist aber
    diese Zugehörigkeit noch nicht eindeutig bestimmt.
    noch nicht bewußt, wohl aber bewuBtscinsfåhig
    m Ausdruck von J. Breuer), d. h. er kann nun
    sonderen Widerstand beim Zutreffen gewisser Bedin-
    | Objekt des Bewubtseins werden. Mit Rücksicht auf
    Bewubtseinsfåhigkeit heißen wir das System Bw. auch
    rbewußte“. Sollte es sich herausstellen, daß auch
    wulitwerden des VorbewuBten durch eine gewisse Zen-
    estimmt wird, so werden wir die Systeme Vbw. und |
    nger voneinander sondern. Vorliufig genüge es fest-
    ten, daB das System Vbw. die Eigenschaften des Systems
    t, und daB die strenge Zensur am Ubergang vom Ubw.
    (oder Bw.) ihres Amtes waltet.

    der Aufnahme dieser (zwei oder drei) psychischen
    hat sich die Psychoanalyse einen Schritt weiter von
    kriptiven BewuBtseinspsychologie entfernt, sich eine
    ragestellung und einen neuen Inhalt beigelegt. Sie
    160 sich von der Psychologie bisher hauptsächlich
    1 die E ‏בשש‎ В p KIO ve

    ⑧ MNO bereichert werden kann.
    wir mit einer Topik der s De Ernst

    enden Zweifelfrage zuwenden. Wenn ein psychischer
    en wir uns hier auf einen solchen von der

  • S.

    304 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Natur einer Vorstellung) die Umsetzung aus dem System
    Ubw. in das System Bw. (oder Vbw,) erfährt, sollen wir
    annehmen, daß mit dieser Umsetzung eine neuerliche Fixie-
    rung, gleichsam eine zweite Niederschrift der betreffenden
    Vorstellung verbunden ist, die also auch an einer neuen

    psychischen Lokalität enthalten sein kann, und neben wel-

    cher die ursprüngliche unbewußte Niederschrift fortbesteht?
    Oder sollen wir eher glauben, daß die Umsetzung in einer
    Zustandsänderung besteht, welche sich an dem nämlichen
    Material und an derselben Lokalität vollzieht? Diese Frage
    kann abstrus erscheinen, muß aber aufgeworfen werden, wenn
    wir uns von der psychischen Topik, der psychischen Tiefen-
    dimension, eine bestimmtere Idee bilden wollen. Sie ist
    schwierig, weil sie über das rein Psychologische hinausgeht
    und die Beziehungen des seelischen Apparates zur Anatomie
    streift. Wir wissen, daß solche Beziehungen im Gróbsten
    existieren. Es ist ein unerschütterliches Resultat der For-
    schung, daß die seelische Tätigkeit an die Funktion des Ge-
    hirns gebunden ist wie an kein anderes Organ. Ein Stück
    weiter — es ist nicht bekannt, wie. weit — führt die Ent-
    deckung von der Ungleichwertigkeit der Gehirnteile und
    deren Sonderbeziehung zu bestimmten Körperteilen und gei-

    stigen Tätigkeiten. Aber alle Versuche, von da aus. eine
    Lokalisation, der seelischen Vorgänge zu erraten, alle Be-
    mühungen, die Vorstellungen in Nervenzellen aufgespeichert
    zu denken und die Erregungen auf Nervenfasern wandern zu
    lassen, sind gründlich gescheitert. Dasselbe Schicksal würde
    einer Lehre bevorstehen, die etwa den anatomischen Ort des
    Systems Bw., der bewußten Seelentätigkeit, in der Hirnrinde
    erkennen und die unbewußten Vorgänge in die subkortikalen
    Hirnpartien versetzen wollte. Es klafft hier eine Lücke, deren

  • S.

    ein, wenn wir uns daran mahnen, daß unsere An-
    nächst nur den Wert von Veranschaulichungen be-
    m. Die erstere der beiden in Betracht gezogenen
    iten, nämlich daß die bw. Phase der Vorstellung 、
    an anderem Orte befindliche Niederschrift der-
    d ute, ist unzweifelhaft die grôbere, aber auch die
    re. Die zweite Annahme, die einer bloß funktio-
    tandsånderung, ist die von vornherein wahrschein-
    r sie ist minder plastisch, weniger leicht zu hand-
    der ersten, der topischen Annahme ist die einer
    Trennung der Systeme Ubw. und Bw. und die
    ; verknüpft, daß eine Vorstellung gleichzeitig an

    urch die Zensur ungehemmt, regelmäßig von dem
    an den anderen vorriicke, eventuell, ohne ihre erste
    ung oder Niederschrift zu verlieren, Das mag be-
    ussehen, kann sich aber an Eindrücke aus der
    tischen Praxis anlehnen. ⑧
    n einen Patienten eine seinerzeit von ihm ver-
    tellung, dic man erraten hat, mitteilt, so ändert
    st an seinem psychischen Zustand nichts. Es
    nicht die Verdrängung auf, macht deren Fol-
    gångig, wie man vielleicht erwarten konnte,

  • S.

    Gibt es
    unbewuBte
    _ Gefühle?

    306 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    weil die früher unbewußte Vorstellung nun bewußt geworden
    ist. Man wird im Gegenteil zunächst nur eine neuerliche Ab-
    lehnung der verdrängten Vorstellung erzielen, Der Patient
    hat aber jetzt tatsächlich dieselbe Vorstellung in zweifacher
    Form an verschiedenen Stellen seines seelischen Apparats,
    erstens hat er die bewußte Erinnerung an die Gehörspur der
    Vorstellung. durch die Mitteilung, zweitens trägt er daneben,

    wie wir mit Sicherheit wissen, die unbewußte Erinnerung

    an das Erlebte in der früheren Form in sich. In Wirklichkeit
    tritt nun eine Aufhebung der Verdrängung nicht eher ein,
    als bis die bewußte Vorstellung sich nach Überwindung der
    Widerstände mit der unbewuften Erinnerungsspur in Ver-
    bindung gesetzt hat. Erst durch das BewuBtmachen dieser
    letzteren selbst wird der Erfolg erreicht. Damit schiene ja
    für oberflächliche Erwägung erwiesen, daß bewuDte und un-
    bewuBte Vorstellungen verschiedene und topiseh gesonderte
    Niederschriften des nåmlichen Inhaltes sind. Aber die nåchste
    Uberlegung zeigt, daB die Identitåt der Mitteilung mit der
    verdrångten Erinnerung des Patienten nur eine scheinbare ist.
    Das Gehórthaben und das Erlebthaben sind zwei nach ihrer
    psychologischen Natur ganz verschiedene Dinge, auch wenn
    sie den nåmlichen Inhalt haben.

    Wir sind also zunåchst nicht im stande, zwischen den
    beiden erórterten Möglichkeiten zu entscheiden. Vielleicht
    treffen wir späterhin auf Momente, welche für eine von bei-
    ‚leicht steht uns die”
    Entdeckung bevor, daß unsere Fragestellung unzureichend
    war, und daß die Unterscheidung der unbewuBten Vorstel-
    lung von der bewuBten noch ganz anders zu bestimmen ist,

    den den Anschlag geben können,

    Wir haben die vorstehende Diskussion auf Vorstellungen

    eingeschränkt und können nun eine neue Frage aufwerfen,

  • S.

    XVIII, DAS UNBEWUSSTE.

    Beantwortung zur Klärung unserer theoretischen An-
    ragen muß. Wir sagten, es gäbe bewubte und
    forstellungen ; gibt es aber auch unbewuBte Trieb-
    Gefühle, Empfindungen, oder ist es diesmal sinn-
    .Zusammensetzungen zu bilden?

    eine. wirklich, der Gegensatz von bewußt und un-
    auf den Trieb keine Anwendung. Ein Trieb kann
    des Bewuftseins werden, nur die Vorstellung, die
    äsentiert. Er kann aber auch im Unbewuften nicht
    s durch die Vorstellung repräsentiert sein. Würde :
    sich nicht an eine Vorstellung heften oder nicht
    ektzustand zum Vorschein kommen, so kónnten
    ; von ihm wissen. Wenn wir aber doch von einer
    Triebregung oder einer verdrángten Triebregung
    ist dies eine harmlose Nachlåssigkeit des Aus-
    ir können nichts anderes meinen als cine Trieb-
    en Vorstellungsrepråsentanz unbewuBt ist, denn
    leres kommt nicht in Betracht.

    ollte meinen, die Antwort auf die Frage nach den
    - Empfindungen, Gefühlen, Affekten sei ebenso
    eben. Zum Wesen eines Gefühls gehórt es doch;
    rspürt, also dem Bewußtsein bekannt wird. Die
    0 einer UnbewuBtheit würde also für Gefühle,
    ungen, Affekte völlig entfallen. Wir sind aber in
    analytischen Praxis gewöhnt, von unbewußter
    Wut usw. zu sprechen und finden selbst die be-
    ereinigung ,unbewuftes SchuldbewuBtseiu* oder
    „unbewuBie Angst" unvermeidlich, Geht dieser
    ch an SE iiber den im Falle des MOD

  • S.

    308 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    zunächst vorkommen; daß eine Affekt- oder Gefühlsregung
    wahrgenommen, aber verkannt wird. Sie ist durch die. Ver-
    drångung ihrer eigentlichen Repräsentanz zur Verknüpfung
    mit einer anderen Vorstellung genótigt worden und wird nun
    vom Bewußtsein für die Äußerung dieser letzteren gehalten.
    Wenn wir den richtigen Zusammenhang wieder herstellen,
    heißen wir die ursprüngliche Affektregung eine , unbewuBte®,
    obwohl ihr Affekt niemals unbewuBt war, nur ihre Vorstel-
    lung der Verdrängung erlegen ist. Der Gebrauch der Aus-
    drücke ,unbewubter Affekt und Gefühl“ weist überhaupt auf
    die Schicksale des quantitativen Faktors der Triebregung
    infolge der Verdrüngung zurück (siehe die Abhandlung über
    Verdrängung). Wir wissen, daß dies Schicksal ein dreifaches
    sein kann; der Affekt bleibt entweder — ganz oder teilweise
    — als solcher bestehen, oder er erfährt eine Verwandlung
    in einen qualitativ anderen Affektbetrag, vor allem in Angst,
    ^oder er wird unterdrückt, d. 'h. seine Entwicklung überhaupt
    verhindert. (Diese Möglichkeiten sind an der Traumarbeit
    vielleicht noch leichter zu studieren als bei den Neurosen.)

    Wir wissen auch, daß die Unterdrückung der Affektentwick-

    lung das eigentliche Ziel der Verdrängung ist, und daß deren

    Arbeit unabgeschlossen bleibt, wenn das Ziel nicht erreicht
    wird. In allen Fällen, wo der Verdrängung die Hemmung
    der Affektentwicklung gelingt, heißen wir die Affekte, die
    wir im Redressement der Verdrångungsarbeit wieder ein-
    setzen, , unbewuBte“. Dem Sprachgebrauch ist also die Kon-
    sequenz nicht abzustreiten; es besteht aber im Vergleiche
    mit der unbewuBten Vorstellung der bedeutsame Unterschied,
    daB die unbewuBte Vorstellung nach der Verdrängung als
    reale Bildung im System Ubw. bestehen bleibt, wührend dem
    unbewuften Affekt ebendort nur eine Ansatzmóglichkeit, die

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 309

    ntfaltung kommen durfte, entspricht. Streng ge-

    d obwohl der Sprachgebrauch tadellos bleibt, gibt
    ne unbewuBten Affekte, wie es unbewufite Vor-

    gibt. Es kann aber sehr wohl im System Ubw.

    | gen geben, die wie andere bewuBt werden. Der
    terschied rührt daher, daß Vorstellungen Besetzun- —

    s

    . Grunde von Erinnerungsspuren — sind, während |
    und Gefühle Abfuhrvorgången entsprechen, deren
    rungen als Empfindungen wahrgenommen werden.
    nwártigen Zustand unserer Kenntnis von den Affekten
    kånnen wir diesen Unterschied nicht klarer

    tstellung, daß es der Verdrängung gelingen kann,
    mg der Triebregung in AffektäuBerung zu hem-
    får uns von besonderem Interesse. Sie zeigt uns,
    stem Bw. normalerweise dic Affektivilåt wie den
    Motilitåt beherrscht, und hebt den Wert der
    g, indem sie als deren Folgen nicht nur die Ab-
    BewuBtsein, sondern auch von der Affektentwick-
    der Motivierung der Muskeltåtigkeit aufzeigt.
    auch in umgekehrter Darstellung sagen: So-

    st ein Unterschied in der Beziehung des herr-
    tems zu den beiden einander nahe stehenden

    llkürliche Motilitåt fest gegründet ist, dem
    äußert sich wesentlich in motorischer (sekre-

    der) Abfuhr zur (inneren) Veränderung des eige-
    Beziehung zur Außenwelt, die Motilität in Aktionen,

  • S.

    Topik und
    Dynamik der

    ー Verdrängung.

    310 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE, IV.

    Ansturm der Neurose regelmäßig widersteht und erst in der
    Psychose zusammenbricht, ist die Beherrschung der Affekt-
    entwicklung durch Bw. minder gefestigt. Noch innerhalb des
    normalen Lebens läBt sich ein beståndiges Ringen der beiden
    Systeme Bw. und Ubw. um das Primat in der Affektivitàt
    erkennen, grenzen sich gewisse Einflufspháren voneinander
    ab und stellen sich Vermengungen der wirksamen Kräfte her.

    Die Bedeutung des Systems Bw. (Vbw.) für die Zugänge
    zur Affententbindung und Aktion macht uns auch die Rolle
    verständlich, welche in der Krankheitsgestaltung der Ersatz-
    vorstellung zufållt. Es ist möglich, daB die Affektentwick-
    lung direkt vom System Ubw. ausgeht, in diesem Falle hat
    sie immer den Charakter der Angst, gegen welche alle ,,ver-
    drängten“ Affekte eingetauscht werden. Häufig aber muß die
    Triebregung warten, bis sie eine Ersatzvorstellung im System
    Bw. gefunden hat. Dann ist die Affektentwicklung von diesem
    bewuBten Ersatz her ermöglicht und der qualitative Charakter
    des Affekts durch dessen Natur bestimmt. Wir haben be-
    hauptet, daß bei der Verdrängung eine Trennung des Affekts
    von seiner Vorstellung stattfindet, worauf beide ihren ge-
    sonderten Schicksalen entgegengehen. Das ist deskriptiv un-
    bestreitbar; der wirkliche. Vorgang aber ist in der Regel,
    daß ein Affekt so lange nicht zu stande kommf, bis nicht
    der Durchbruch zu einer neuen Vertretung im System. Bw.
    gelungen ist. ⑧

    Wir haben das Resultat erhalten, daß die Verdrängung
    im wesentlichen ein Vorgang ist, der sich an Vorstellungen
    an der Grenze der Systeme Ubw. und Vbw. (Bw.) vollzieht,
    und können nun einen neuerlichen Versuch machen, diesen
    Vorgang eingehender zu beschreiben. Es muf sich dabei um

    eine Entziehung von Besetzung handeln, aber es fragt.

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 311

    "welchem System findet die Entziehung statt, und
    System gehórt die entzogene Besetzung an.
    rdrängte Vorstellung bleibt im Ubw. aktionsfáhig; = -
    ⑥ also ihre Besetzung behalten haben. Das Entzogene

    ⑧ | anderes sein. Nehmen wir den Fall der eigent-

    ‘erdrängung vor (des Nachdrängens), wie sie sich an
    vorbewuBten oder selbst bereits bewuBten Vorstellung ab-
    dann kann die Verdrängung nur darin bestehen, daß
    tellung die (vor)bewuBte Besetzung entzogen wird,
    System Vbw. angehört. Die Vorstellung bleibt dann
    zt oder sie erhält Besetzung vom Ubw. her, oder sie

    TES

    ubw. Besetzung, die sie schon früher hatte. Also .

    ‘der vorbewuften, Erhaltung der unbewubten Be-

    ets

    der Ersatz der vorbewuBten Besetzung durch eine
    te. Wir bemerken übrigens, daß wir dieser Betrach-

    mabsichtlich die Annahme zu Grunde gelegt haben,
    Übergang aus dem System Ubw. in ein nåchstes geschehe
    urch eine neue Niederschrift, sondern durch eine
    derung, einen Wandel in der Besetzung. Die funk-
    hme hat hier die topische mit leichter Mühe
    Felde geschlagen.

    r Vorgang der Libidoentziehung reicht aber nicht
    inen anderen Charakter der Verdrängung begreif-
    hen. Es ist nicht einzusehen, warum die besetzt
    oder vom Ubw. her mit Besetzung versehene Vor-
    nicht den Versuch erneuern sollte, kraft ihrer Be-
    das System Vbw. einzudringen. Dann müßte sich
    ntziehung an ihr wiederholen, und dasselbe Spiel

    unabgeschlossen fortsetzen, das Ergebuis aber
    der Verdrängung sein. Ebenso würde der bespro-
    hanismus der Entziehung vorbewuBter Besetzung

  • S.

    312 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    versagen, wenn es sich um die Darstellung der Urverdrångung
    handelt; in diesem Falle liegt ja eine unbewuBte Vorstellung
    vor, die noch keine Besetzung vom Vbw. erhalten hat, der
    eine solche also auch nicht entzogen werden kann.

    Wir bediirfen also hier eines anderen Vorganges, welcher
    im ersten Falle die Verdrångung unterhålt, im zweiten ihre
    Herstellung und Fortdauer besorgt, und können diesen nur
    in der Annahme einer Gegenbesetzung finden, durch
    welche sich das System Vbw. gegen das Andrången der un-
    bewubten Vorstellung schützt. Wie sich eine ‚solche Gegen-
    besetzung, die im System Vbw. vor sich geht, äußert, werden
    wir an klinischen Beispielen sehen. Sie ist es, welche den
    Daueraufwand einer Urverdrångung repräsentiert, aber auch
    deren Dauerhaftigkeit verbiirgt. Die Gegenbesetzung ist der
    alleinige Mechanismus der Urverdrångung; bei der eigent-
    lichen Verdrångung (dem Nachdrången) kommt die Ent-
    ziehung der vbw. Besetzung hinzu. Es ist sehr wohl möglich,
    daß gerade die der Vorstellung entzogene Besetzung zur
    Gegenbesetzung verwendet wird.

    Wir merken, wie wir allmåhlich dazu gekommen sind,
    in der Darstellung psychischer Phånomene einen dritten Ge-
    sichtspunkt zur Geltung zu bringen, außer dem dynamischen
    und dem topischen den ókonomischen, der die Schicksale
    der ErregungsgrôBen zu verfolgen und eine wenigstens rela-
    tive Schåtzung derselben zu gewinnen strebt. Wir werden
    es nicht unbillig finden, die Betrachtungsweise, welche die
    Vollendung der psychoanalytischen Forschung ist, durch
    einen besonderen Namen auszuzeichnen. Ich schlage vor, daB
    es eine metapsychologische Darstellung genannt werden
    soll, wenn es uns gelingt, einen psychischen Vorgang nach `
    seinen dynamischen, topischen und ökonomischen

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. ; 313

    jesetzung“ durch „Libido“ ersetzen, weil es sich ja,
    issen, um die Schicksale von Sexualtricben handelt,
    erste Phase des Vorganges bei der Angsthysterie
    ig übersehen, vielleicht auch wirklich iibergangen,
    bei sorgfältiger Beobachtung gut kenntlich. Sie be-

    darin, daß Angst auftritt, ohne daß wahrgenommen
    wovor. Es ist anzunehmen, daß im Ubw. eine Liebes- i
    rhanden war, die nach der Umsetzung ins System

    gie; aber die von diesem System her ihr zuge-
    esetzung zog sich nach Art eines Fluchtversuches

    riick, und die unbewuBte Libidobesetzung der zu-

    iesenen Vorstellung wurde als Angst abgeführt. Bei
    waigen Wiederholung des Vorganges wurde ein erster
    ur Bewältigung der unliebsamen Angstentwicklung

    mmen. Die fliehende Besetzung wendete sich einer
    rstellung zu, die einerseits assoziativ mit der abge-
    en Vorstellung zusammenhing, anderseits durch 6
    mg von ihr der Verdrängung entzogen war (Ver-

    bungsersatz) und eine Rationalisierung der noch
    mbaren Angstentwicklung gestattete. Die Ersatzvor-

    elt nun für das System Bw. (Vbw.) die Rolle einer
    ung, indem sie es gegen das Auftauchen der ver-
    stell ing. im Bw. versichert, anderseits ist sie
    telle der nun erst recht unhemmbaren Angst-
    der benimmt sich als solche, Die klinische

  • S.

    314 SCHRIFTRN ZUR NEUROSENLEHRE, IV.

    Beobachtung zeigt, daß 2. В. das an der Tierphobie leidende
    Kind nun unter zweierlei Bedingungen Angst verspürt, er-
    stens wenn die verdrångte Liebesregung eine Verstårkung
    erfährt, und zweitens wenn das Angsttier wahrgenommen
    wird. Die Ersatzvorstellung benimmt sich in dem einen
    Falle wie die Stelle einer Uberleitung aus dem System Ubw.
    in das System Bw., im anderen wie eine selbståndige Quelle
    der Angstentbindung. Die Ausdehnung der Herrschaft des
    Systems Bw. ‚pflegt ‚sich darin zu äußern, daß die erste
    Brregungsweise der Ersatzvorstellung gegen die zweite immer
    mehr zurücktritt. Vielleicht benimmt sich am Ende das Kind
    so, als hätte er gar keine Neigung zu dem Vater, wire ganz
    von ihm freigeworden, und als hátte es wirklich Angst vor
    dem Tier. Nur daß diese Tierangst aus der umbewubten Trieb-
    quelle gespeist, sich widerspenstig und iibergroB gegen alle
    Beeinflussungen aus dem System Bw. erweist und dadurch
    ihre Herkunft aus dem System Ubw. verrät.

    Die Gegenbesetzung aus dem System Bw. hat also in
    der zweiten Phase der Angsthysterie zur Ersatzbildung ge-
    führt. Derselbe Mechanismus findet bald eine neuerliche An-
    wendung. Der Verdrångungsvorgang ist, wie wir wissen, noch
    nicht abgeschlossen und findet ein weiteres Ziel in der Auf-
    gabe, die vom Ersatz ausgehende Angstentwicklung zu hem-
    men. Dies geschieht in der Weise, daß die gesamte assozijerte
    Umgebung der Ersatzvorstellung mit besonderer Intensität
    besetzt wird, so daß sie eine hohe Empfindlichkeit gegen
    Erregung bezeigen kann. Eine Erregung irgend einer Stelle
    dieses Vorbaues muß zufolge der Verknüpfung mit der Er-
    satzvorstelluug den Anstoß zu einer geringen Angstentwick-
    lung geben, welche nun als Signal benützt wird, um durch

    neuerliche Flucht der Besetzung den weiteren Fortgang der

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE.

    ‚wicklung zu hemmen. Je weiter weg vom gefúrch-
    Ersatz die empfindlichen und wachsamen Gegenbeset-
    P é

    ngebracht sind, desto präziser kann der Mechanis-

    ktionieren, der die Ersatzvorstellung isolieren und
    rregungen von ihr abhalten soll Diese Vorsichten

    natürlich nur gegen Erregungen, die von außen, durch
    rnehmung an die Ersatzvorstellung herantreten, aber
    gegen die Trieberregung, die von der Verbindung
    verdrångten Vorstellung her die Ersatzvorstellung —
    ie beginnen also erst zu wirken, wenn der Ersatz

    retung des Verdringten gut übernommen hat, und
    jemals ganz verläßlich wirken. Dei jedem Ansteigen
    berregung mub der schützende Wall um die EE
    g um ein Stück weiter hinaus verlegt werden. Die ⑧

    nstruktion, die in analoger Weise bei den anderen

    druck der Flucht vor bewußter Besetzung der Ersatz-
    lune sind die Vermeidungen, Verzichte und Verbote,
    en man die Angsthysterie erkennt. Uberschaut man
    ganzen Vorgang, so kann man sagen, die dritte Phase
    i Arbeit der zweiten in größerem Ausmaß wiederholt.

    em Bw. schützt sich jetzt gegen die Aktivierung
    vorstellung durch die Gegenbesetzung der Umge-
    e es sich vorhin durch die Besetzung der Ersatz-
    g gegen das Auftauchen der verdringten Vorstel-
    hert hatte, Die Ersatzbildung durch Verschiebung È
    in solcher Weise fortgesetzt. Man muß auch hinzu- |
    das System. Bw. früher nur eine kleine Stelle
    eine Einbruchspforte der verdrångten Triebregung |
    wsatzyorstellung nämlich, daß aber am Ende der |
    * Vorbau einer solchen | Enklave | des unbe-

  • S.

    316 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    wußten Einflusses entspricht. Man kann ferner den inter-
    essanten Gesichtspunkt hervorheben, daß durch den ganzen
    ins Werk gesetzten Abwehrmechanismus eine Projektion der
    Triebgefahr nach außen erreicht worden ist. Das Ich be-
    nimmt sich so, als ob ihm die Gefahr der Angstentwicklung
    nicht von einer Triebregung, sondern von einer Wahrnehmung
    her drohte, und darf darum gegen diese äußere Gefahr mit
    den Flüchtversuchen der phobischen Vermeidungen reagieren. “

    Eines gelingt bei diesem Vorgang der Verdrängung: die Ent-

    bindung von Angst läßt sich einigermaßen eindåmmen, aber
    nur unter schweren Opfern an persónlicher Freiheit. Flucht-
    versuche vor Triebansprüchen sind aber im allgemeinen nutz-
    los, und das Ergebnis der phobischen Flucht bleibt doch
    unbefriedigend.

    Von den Verhältnissen, die wir bei der Angsthysterie
    erkannt haben, gilt cin großer Anteil auch für die beiden
    anderen Neurosen, so daß wir die Erörterung auf die Unter-
    schiede und die Rolle der Gegenbesetzung beschränken
    können, Bei der Konversionshysterie wird die Triebbesetzung
    der verdrångten Vorstellung in die Innervation des Symptoms
    umgesetzt. Inwieweit und unter welchen Umständen die un-
    bewußte Vorstellung durch diese Abfuhr zur Innervation drai-
    niert ist, so daß sie ihr Andrången gegen das System Dw.
    aufgeben kann, diese und ähnliche Fragen bleiben besser
    einer speziellen Untersuchung der Hysterie vorbehalten. Die
    Rolle der Gegenbesctzung, die vom System Bw. (Vbw.) ausgeht,
    ist bei der Konversationshysterie deutlich und kommt in der
    Symptombildung zum Vorschein, Die Gegenbesetzung ist es,
    welche die Auswahl trifft, auf welches Stück der Triebreprå-
    sentanz die ganze Besetzung derselben konzentriert werden
    darf. Dies zum Symptom erlesene Stück erfüllt ‘die Bedin-

  • S.

    ‚ daß der Verdrängungsaufwand des Systems Bw. nicht

    ndlung enthaltenen Bemerkungen nur hinzuzufügen, daß
    ie Gegenbesetzung des Systems Bw. am sinnfälligsten
    Vordergrund tritt. Sie ist es, die als Reaktionsbildung
    ert die erste Verdrängung besorgt, und an welcher
    der Durchbruch der verdrängten Vorstellung erfolgt.
    larf der Vermutung Raum geben, daß es an dem Vor-
    der Gegenbesetzung und Ausfallen ciner Abfuhr liegt,
    das Werk der Verdrängung bei Angsthysterie und
    sneurose weit weniger geglückt erscheint als bei der

    ionshysterie.

    ine neue Bedeutung erhält die Unterscheidung der Ђеј- Pie besondı

    Eigenschal

    des Syste:
    Ubw.

    ychischen Systeme, wenn wir darauf aufmerksam wer-
    aß dic Vorgänge des einen Systems, des Ubw., Eigen-
    zeigen, die sich in dem nächst höheren nicht wic-

    finden.

    Sent aus diesem Verhältnis ohne weiteres den Schluß

    ur die Zwangsneurose hätten wir den in der vorigen |

  • S.

    318 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV,

    beeinflußt nebeneinander, widersprechen einander nicht. Wenn
    zwei Wunschregungen gleichzeitig aktiviert werden, deren
    Ziele uns unvereinbar erscheinen müssen, so zichen sich die
    beiden Regungen nicht etwa voneinander ab oder heben ein-
    ander auf, sondern sie -treten zur Bildung eines mittleren
    Zieles, eines Kompromisses, zusammen.

    Es gibt in diesem System keine Negation, keinen Zweifel,
    keine Grade von Sicherheit. All dies wird erst durch die
    Arbeit der Zensur zwischen Ubw. und Vbw. eingetragen. Die
    Negation ist ein Ersatz der Verdrängung von höherer Stufe,
    Im Ubw. gibt es nur mehr oder weniger stark besetzte Inhalte.

    Es herrscht eine weit größere Beweglichkeit der Be-

    _ setzungsintensitäten. Durch den Prozeß der Verschiebung
    kann eine Vorstellung den ganzen Betrag ihrer Besetzung
    an eine andere abgeben, durch den der Verdichtung die
    ganze Besetzung mehrerer anderer an sich nehmen, Ich habe
    vorgeschlagen, diese beiden Prozesse als. Anzeichen des so-
    genannten. psychischen Primärvorganges anzusehen. Im
    System Vbw. herrscht der Sekundärvorgang;*) wo ein
    solcher Primärvorgang sich an Elementen des Systems Vbw.
    abspielen darf, erscheint er „komisch“ und erregt Lachen,

    Die Vorgänge des Systems Ubw. sind zeitlos, d. h. sie
    sind. nicht zeitlich geordnet, werden‘ durch die verlaufende
    Zeit nicht abgeändert, haben überhaupt keine Beziehung zur
    Zeit. Auch die Zeitbeziehung ist an die. Arbeit des Bw.-
    Systems geknüpft.

    Ebensowenig kennen die Ubw.-Vorgänge eine Rücksicht

    auf die Realität. Sie sind dem Lustprinzip unterworfen;

    *) Siehe die Ausführungen im VII. Abschnitt der Traumdeutung,
    welche sich auf die von J. Breuer in den „Studien über Hysterie“
    entwickelten Ideen stützt.

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 319

    ksal hängt nur davon ab, wie stark sie sind, und
    Anforderungen der Lust-Unlustregulierung erfiillen.
    ssen wir . zusammen: Widerspruchslosigkeit,
    rvorg ang - (Beweglichkeit der Besetzungen), Zcit- |
    it und Ersetzung der äußeren Realität
    e psychische sind die Charaktere, die wir an"
    m Ubw. gehörigen Vorgängen zu finden erwarten

    bewußten Vorgänge werden für uns nur unter den
    0

    gen des Träumens und der Neurosen erkennbar, also
    renn Vorgänge des höheren Vbw.-Systems durch eine

    a rden. An und fiir sich sind sie OBRA ‏ה‎ auch
    nzunfühig, weil das System Ubw. sehr frühzeitig von
    . überlagert wird, welches den Zugang zum BewuBt-
    zur Motilitit an sich gerissen hat. Die Abfuhr
    ms Ubw. geht in die Kórperinnervation zur Affekt-

    ng, aber auch dieser Entladungsweg wird ihm, wie |
    ört haben, vom Vbw. streitig gemacht. Für sich
    nnte das Ubw.-System unter normalen Verhältnissen
    'eckmiBige Muskelaktion zu stande bringen, mit Aus-
    e jener, die als Reflexe bereits organisiert sind.

    Le volle Beeusung der beschriebenen Charaktere des
    Ubw. könnte uns erst einleuchten, wenn wir sie den

    ten des. Systems Vbw. gegeniiberstellen und an |
    sen würden, Allein dies würde uns so weitab führen,
    rschlage, wiederum einen Aufschub gutzuheifen
    Vergleichung der beiden Systeme erst im Anschluß Ko
    SNM des höheren Systems vorzunehmen, SE

    0

  • S.

    320 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. 1V.

    das Allerdringendste ‘soli schon jetzt seine Erwähnung
    finden.

    Die Vorgänge des Systems Vbw. zeigen — und zwar
    gleichgültig, ob sie bereits bewußt oder nur bewubtseinsfähig
    sind — eine Hemmung der Abfuhrneigung von den besetzten
    Vorstellungen. Wenn der Vorgang von einer Vorstellung auf
    eine andere übergeht, so hilt die erstere einen Teil ihrer Be-
    setzung fest und nur ein kleiner Anteil erfährt die Verschie-
    bung. Verschiebungen und Verdichtungen wie beim Primär-
    vorgang sind ausgeschlossen oder sehr eingeschränkt. Dieses
    Verhálinis hat J. Breuer veranlaBt, zwei verschiedene Zu-
    stånde der Besetzungsenergie im Scelenleben, anzunehmen,
    einen tonisch gebundenen und einen frei beweglichen, der
    Abfuhr zustrebenden. Ich glaube, daß diese Unterscheidung
    bis jetzt unsere tiefste Einsicht in das Wesen der nervösen
    Energie darstellt, und sehe nicht, wie man um sie herum-
    kommen soll. Es ware ein dringendes Bedürfnis der meta-
    psychologischen Darstellung — vielleicht aber noch ein

    allzu gewagtes Unternehmen — an dieser Stelle die Dis-
    kuseion fortzufiihren.

    Dem System Vbw. fallen ferner zu die Herstellung einer
    Verkehrsfåhigkeit unter den Vorstellungsinhalten, so daß
    sie einander beeinflussen können, die zeitliche Anordnung
    derselben, die Einführung‘ der einen Zensur oder mehrerer
    Zensuren, der Realitätsprüfung und das Realitätsprinzip. Auch
    das bewußte Gedächtnis scheint ganz am Vbw. zu hängen, es
    ist scharf von den Erinnerungsspuren zu scheiden, in denen
    sich die Erlebnisse des Ubw. fixicren, und entspricht wahr-
    scheinlich einer besonderen. Niederschrift; wie wir sie für
    das Verhältnis der bewuBten zur unbewuBten Vorstellung

    annehmen wollten, aber bereits verworfen haben. In diesem

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 321

    menhang werden wir auch die Mittel finden, unserem

    anken in der Berinenung des höheren Systems, das wir jetzt
    tungslos bald Vbw. bald Bw. heißen, ein Ende zu machen.
    Es wird auch die Warnung am Platze sein, nicht vor-

    zu verallgemeinern, was wir hier über die Verteilung
    elischen Leistungen an die beiden Systeme zu Tage
    dert haben. Wir beschreiben die Verhåltnisse, wie sie
    im reifen Menschen zeigen, bei dem das System Ubw.

    genommen nur als Vorstufe der höheren Organisation
    ert. Welchen Inhalt urd welche Beziehungen dies
    während der individuellen Entwicklung hat, und

    Bedeutung ihm beim Tiere zukommt, das soll nicht
    nserer Beschreibung abgeleitet, sondern selbständig er-
    werden. Wir müssen auch beim Menschen darauf

    | sein, etwa krankhafte Bedingungen zu finden, unter
    ie beiden Systeme Inhalt wie Charaktere ändern oder
    miteinander tauschen.

    s wäre doch unrecht sich vorzustellen, daß das Ubw. Der Verkehr
    der beiden

    ine Anzahl von anderen Beziehungen zum Vbw., dar-

    auch die der Kooperation. Man muß zusammenfassend

    vm das Vbw. und ist seinerseits sogar ton:

    von seiten des Vbw. unterworfen.
    id, Neurosenlehre. IV В E
    ⑨ ⑧

  • S.

    392 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Das Studium der Abkômmlinge des Ubw. wird unseren
    Erwartungen einer schematisch reinlichen Scheidung zwischen
    den beiden psychischen Systemen eine gründliche Enttäu-
    schung bereiten. Das wird gewiß Unzufriedenheit mit un-
    seren Ergebnissen erwecken und wahrscheinlich dazu benützt
    werden, den Wert unserer Art der Trennung der psychischen
    Vorgänge in Zweifel zu ziehen. Allein wir werden geltend
    machen, daß wir keine andere Aufgabe haben, als die Er- |
    gebnisse der Beobachtung in Theorie umzusetzen, und die
    Verpflichtung von uns weisen, auf den ersten Anlauf eine
    glatte und durch Einfachheit sich empfehlende Theorie zu
    erreichen. Wir vertreten deren Komplikationen, solange sie
    sich dér Beobachtung adäquat erweisen, und geben die Er-
    wartung nicht auf, gerade durch sie zur endlichen Er-
    kenntnis eines Sachverhaltes geleitet zu werden, der an
    sich einfach, den Komplikationen der Realität gerecht wer-
    den kann. - «

    Unter den Abkómmlingen der ubw. Triebregungen vom
    beschricbenen Charakter gibt es welche, die entgegengesetzte
    Bestimmungen in sich vereinigen. Sie sind einerseits hoch-
    organisiert, widerspruchsfrei, haben allen Erwerb des Systems
    Bw. verwertet und wiirden sich fiir unser Urteil von den
    Bildungen dieses Systems kaum unterscheiden. Anderseits
    sind sie unbewuBt und unfähig, bewußt zu werden. Sie ge-
    hören also qualitativ zum System Vbw., faktisch aber zum
    Ubw. Ihre Herkunft bleibt das für ihr Schicksal Entschei-
    dende. Man muß sie mit den Mischlingen menschlicher Rassen
    vergleichen, die im großen und ganzen bereits den Weißen
    gleichen, ihre farbige Abkunft aber durch den einen oder
    anderen auffälligen Zug verraten und darum von der Gesell-
    schaft ausgeschlossen bleiben und keines der Vorrechte der

  • S.

    — 7 PA TTE AT PIE RPO TENE

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 323

    Solcher Art sind die Phantasiebildungen
    Normalen wie der Neurotiker, die wir als Vorstufen der
    aum- wie der Symptombildung erkannt haben, und die
    otz ihrer hohen Organisation verdrängt bleiben und als

    he nicht bewußt werden können. Sie kommen nahe ans
    ewußtsein heran, bleiben ungestört, solange sie keine in-
    ve Besetzung haben, werden aber zurückgeworfen, so-
    sie eine gewisse Hôhe der Besetzung überschreiten.
    nsolche hôher organisierte Abkômmlinge des Ubw. sind
    Ersatzbildungen, denen aber der Durchbruch zum Be-
    in dank einer günstigen Relation gelingt, wie z. B.
    ch das Zusammentreffen mit einer Gegenbesetzung

    Wenn wir an anderer Stelle die Bedingungen des Be-
    Btwerdens eingehender untersuchen, wird uns ein Teil der
    auftauchenden Schwierigkeiten lösbar werden. Hier mag
    s vorteilhaft erscheinen, der bisherigen vom Ubw. her
    genden ‚Betrachtung eine vom Bewußtsein ausgehende
    überzustellen. Dem Bewußtsein tritt die ganze Summe
    der psychischen Vorgänge als das Reich des Vorbewußten
    gen. Ein sehr großer Anteil dieses Vorbewußten stammt
    dem Unbewußten, hat den Charakter der Abkömmlinge
    selben und unterliegt einer Zensur, ehe er bewußt werden
    i Ein anderer Anteil des Vbw. ist ohne Zensur bewuft-
    va Wir gelangen hier zu einem ME ara gegen

    rden wir genötigt, die fiir das Bewußtwerden entscheidende
    sur zwischen die Systeme Ubw. und Vbw. zu verlegen,
    wird uns eine Zensur zwischen Vbw. und Bw. nahe-
    gt. Wir tun aber gut daran, in dieser Komplikation keine
    ierigkeit zu erblicken, sondern anzunehmen, daß jedem
    ⑧ 21%

  • S.

    324 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Übergang von einem System zum nächst höheren, also jedem.
    Fortschritt zu einer höheren Stufe psychischer Organisation
    eine neue Zensur entspreche. Die Annahme einer fortlau-
    fenden Erneuerung der Niederschriften jist damit allerdings
    abgetan.

    Der Grund all dieser Schwierigkeiten ist darin zu suchen,

    daB die Bewulitheit, der einzige uns unmittelbar gegebene

    Charakter der psychischen Vorgänge, sich zur Systemunter-
    Scheidung in keiner Weise eignet. Abgesehen davon, daß
    das BewuBte nicht immer bewuBt, sondern zeitweilig auch
    latent ist, hat uns die Beobachtung gezeigt, daß vieles, was
    die Eigenschaften des Systems Vbw. teilt, nicht bewußt wird,
    und haben wir noch zu erfahren, daB das BewuBtwerden durch
    gewisse Richtungen seiner Aufmerksamkeit eingeschränkt ist.
    Das Bewußtsein hat so weder zu den Systemen noch zur
    Verdrängung ein einfaches Verhältnis. Die Wahrheit ist, daß
    nicht nur das psychisch Verdrångte dem Bewußtsein fremd
    bleibt, sondern auch eiu Teil der unser Ich beherrschenden
    Regungen, also der stürkste funktionelle Gegensatz des Ver-
    drängten. In dem Maße, als wir uns zu einer metapsycho-
    logischen Betrachtung des Seelenlebens durchringen wollen,
    müssen wir lernen, uns von der Bedeutung des Symptoms
    „Bewubtheit* zu emanzipieren.

    Solange wir noch an dièsem haften, sehen wir unsere
    Allgemeinheiten regelmäßig durch Ausnahmen durchbrochen,
    Wir sehen, daß Abkömmlinge des Vbw. als Ersatzbildungen
    und als Symptome bewußt werden, in der Regel nach großen
    Entstellungen gegen das Unbewußte, aber oft mit Erhaltung
    vieler zur Verdrängung auffordernder Charaktere, Wir fin-
    den, daß viele vorbewußte Bildungen unbewußt bleiben, die,
    sollten wir meinen, ihrer Natur nach sehr wohl bewußt wer-

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 325

    dürften. Wahrscheinlich macht sich bei ihnen die
    ere Anziehung des Ubw. geltend. Wir werden darauf
    wiesen, die bedeutsamere Differenz nicht zwischen dem
    Bten und dem VorbewuBten, sondern zwischen dem Vor-
    uBten und dem Unbewuften zu suchen. Das Ubw. wird
    ler Grenze des Vbw. durch die Zensur zuriickgewiesen,
    mmlinge desselben können diese Zensur umgehen, sich
    organisieren, im Vbw. bis zu einer gewissen Intensität
    esetzung heranwachsen, werden aber dann, wenn sie
    überschritten haben und sich dem Bewußtsein auf-
    en wollen, als Abkömmlinge des Ubw. erkannt und an
    cuen Zensurgrenze zwischen Vbw. und Bw. neuerlich
    gt. Die erstere Zensur funktioniert so gegen das Ubw.
    die letztere gegen die vbw. Abkömmlinge derselben.
    könnte meinen, die Zensur habe sich im Laufe der indi-
    llen Entwicklung um ein Stück vorgeschoben.

    n der psychoanalytischen Kur erbringen wir den un-
    htbaren Beweis für die Existenz der zweiten Zensur,
    ‚wischen den Systemen Vbw. und Bw. Wir fordern den
    nken auf, reichlich Abkömmlinge des Ubw. zu bilden,
    ichten ihn dazu, die Einwendungen der Zensur gegen
    Bewußtwerden dieser vorbewußten Bildungen zu über-
    den, und bahnen uns durch die Besiegung dieser Zensur
    Weg zur Aufhebung der Verdrängung, die das Werk der
    en Zensur ist. Fügen wir noch die Bemerkung an, daß
    stenz der Zensur zwischen Vbw. und Bw. uns mahnt,
    dewubtwerden sei kein bloBer Wahrnehmungsakt, son-
    wahrscheinlich auch cine Uberbesetzung, ein weiterer
    schritt der psyghischen Organisation.

    Wendeh wir uns zum Verkehr des Ubw. mit den anderen
    temen, weniger um Neues festzustellen, als um nicht daß

  • S.

    326

    SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Sinnfålligste zu übergehen. An den Wurzeln der Triebtåtigkeit

    kommunizieren die Systeme aufs ausgiebigste miteinander.
    Ein Anteil der hier erregten Vorgånge geht durch das Ubw.
    wie durch eine Vorbereitungsstufe durch und erreicht die
    höchste psychische Ausbildung im Bw., ein anderer wird als
    Ubw. zuriickgehalten. . Das Ubw. wird aber auch von den
    aus der äußeren Wahrnehmung stammenden Erlebnissen ge-

    “troffen. Alle Wege von der Wahrnehmung zum Ubw. bleiben

    in der Norm frei; erst dic vom Ubw. weiter führenden Wege
    unterliegen der Sperrung durch die Verdrängung,

    Es ist schr bemerkenswert, daß das Ubw. eines Menschen
    mit Umgehung des Bw. auf das Ubw. eines anderen reagieren
    kann, Die Tatsache verdient eingehendere Untersuchung, be-
    sonders nach der Richtung, ob sich vorbewufte Tätigkeit
    dabei ausschließen 1äßt, ist aber als Beschreibung unbe-
    streitbar. >

    Der Inhalt des Systems Vbw. (oder Bw.) entstammt zu
    einem Teile dem Triebleben (durch Vermittlung des Ubw.),
    zum anderen Teile der Wahrnehmung. Es ist zweifelhaft,
    inwieweit die Vorgänge dieses Systems cine direkte Éin-
    wirkung auf das Ubw. äußern können; die Erforschung patho-
    logischer Fille zeigt oft eine kaum glaubliche Selbständigkeit
    und UnbeeinfluBbarkeit des Ubw. Ein vôlliges Auseinander-
    gehen der Strebungen, ein absoluter Zerfall der beiden Systeme
    ist überhaupt die Charakteristik des Krankseins. Allein die

    . psychoanalytische Kur ist auf die Beeinflussung des Ubw.

    vom Bw. her gebaut und zeigt jedenfalls, daß solche, wie-
    wohl mihsam, nicht unmåglich ist. Die zwischen beiden
    Systemen vermittelnden Abkómmlinge des Ubw. bahnen uns,
    wie schon erwähnt, den Weg zu dieser Leistung. Wir dürfen
    aber wohl annehmen, daß die spontan erfolgende Veränderung

  • S.

    Ubw. von seiten des Bw. ein schwieriger und langsam
    ufender Prozeß ist. .

    ine Kooperation zwischen einer vorbewußten und einer
    wuBten, selbst intensiv verdrángten Regung kann zu
    kommen, wenn es die Situation ergibt, daß die unbe-

    e Regung gleichsinnig mit einer der herrschenden Stre-
    n wirken kann. Die Verdrängung wird für diesen Fall
    ben, die verdrångte Aktivität als Verstärkung der
    | Ich beabsichtigten zugelassen. Das UnbewuBte wird für
    no Konstellation ichgerecht, ohne daB sonst an seiner
    ångung etwas abgeändert würde. Der Erfolg des Ubw.
    ei dieser Kooperation unverkennbar; die verstärkten
    bungen benehmen sich doch anders als die normalen,
    igen zu besonders vollkommener Leistung und sie
    gegen Widersprüche eine ähnliche Resistenz wie etwa
    wangssymptome.

    Den Inhalt des Ubw. kann man einer psychischen Ur-
    ôlkerung vergleichen. Wenn es beim Menschen ererbte
    chische Bildungen, etwas dem Instinkt der Tiere Ana-
    s gibt, so macht dies den Kern des Ubw. aus. Dazu
    mt später das während der Kindheitsentwicklung als
    uchbar Beseitigte hinzu, was seiner Natur nach von
    Ererbten nicht verschieden zu sein braucht. Eine scharfe
    endgültige Scheidung des Inhaltes der beiden Systeme
    sich in der Regel erst mit dem Zeitpunkte der
    åt her.

    oviel, als wir in den vorstehenden Erórterungen zusam-

    e man nur aus der Kenntnis des Traumlebens und der

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 327 |

    Die Agnos
    zierung des

    getragen haben, läßt sich etwa über das Ubw. aussagen, Unbewu&te

  • S.

    ' 328 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    und 1äßt vor allem die Möglichkeit vermissen, das Ubw. an
    einen bereits bekannten Zusammenhang anzuordnen oder es
    in ihn einzureihen. Erst die Analyse einer der Affektionen,
    die wir narziBtische Psychoneurosen heißen, verspricht uns
    Auffassungen zu liefern, durch welche uns das råtselvolle
    Ubw. nåher geriickt und gleichsam greifbar gemacht wird.

    Seit einer Arbeit von Abraham (1908), welche der ge-
    wissenhafte Autor auf meine Anregung zurückgeführt hat,
    versuchen wir die Dementia praecox Kraepelins (Schizo-
    phrenic Bleulers) durch ihr Verhalten zum Gegensatz von
    Ich und Objekt zu charakterisieren, Bei den Ubertragungs-
    neurosen (Angst- und Konversionshysterie, Zwangsneurosc)
    lag nichts vor, was diesen Gegensatz in den Vordergrund
    gerückt håtte. Man wußte zwar, daß die Versagung des
    Objekts den Ausbruch der Neurose herbeiführt, und daß die
    Neurose den Verzicht auf das reale Objekt involviert, auch
    daß die dem realen Objekt entzogene Libido auf ein phan-
    tasiertes Objekt und von da aus auf ein verdrångtes zuriick-
    geht (Introversion). Aber die Objektbesetzung iiberhaupt wird
    bei ihnen mit großer Energie festgehalten, und die feinere
    Untersuchung des Verdrångungsvorganges hat uns anzu-
    nehmen genötigt, daß die Objektbesetzung im System Ubw.
    trotz der Verdrångung — vielmehr infolge derselben — fort-
    besteht. Die Fåhigkeit zur Ubertragung, welche wir bei diesen
    Affektionen therapeutisch ausniitzen, setzt ja die ungestôrte
    Objektbesetzung voraus.

    Bei der Schizophrenie hat sich uns dagegen die Annahme
    aufgedrängt, daß nach dem Prozesse der Verdrängung die
    abgezogene Libido kein neues Objekt suche, sondern ins Ich
    zurücktrete, daß also hier die Objektbesetzungen aufgegeben
    und ein primitiver objektloser Zustand von Narzißmus wieder-

  • S.

    — soweit der KrankheitsprozeB reicht —, ihre dar-

    lgende therapeutische Unzugiinglichkeit, die ihnen

    liche Ablehnung der Außenwelt, das Auftreten von

    einer Uberbesetzung des eigenen Ichs, der Ausgang in

    : Apathie, all diese klinischen Charaktere scheinen zu

    nnahme eines Aufgebens der Objektbesetzungen treff-

    zu stimmen. Von seiten des Verhältnisses der beiden

    hen Systeme wurde allen Beobachtern auffällig, daß

    der Schizophrenie vieles als bewußt geäußert wird, was

    bei den Ubertragungsneurosen erst durch Psychoanalyse

    Ubw. nachweisen müssen. Aber es gelang zunächst nicht,

    jen der Ich-Objektbeziehung und den Bewultseinsrela-

    ‘eine verständliche Verknüpfung herzustellen,

    ls Gesuchte scheint sich auf folgendem unvermuteten

    e zu ergeben. Bei den Schizophrenen beobachtet man,

    m den so lehrreichen Anfangsstadien, eine Anzahl von

    derungen der Sprache, von denen einige es verdienen,

    er einem bestimmten Gesichtspunkt betrachtet zu wer- |
    Die Ausdrucksweise wird oft Gegenstand ciner beson-

    Sorgfalt, sie wird „gewählt“, „geziert“. Die Sätze er-

    n eine besondere Desorganisation des Aufbaues, durch

    che sie uns unverständlich werden, so daß wir die Äuße-

    a der Kranken für. unsinnig halten. Im Inhalt dieser

    rungen wird oft eine Beziehung zu Körperorganen oder

    jrperinnervationen in den Vordergrund gerückt. Dem kann
    anreihen, daB in solchen Symptomen der Schizophrenie,

  • S.

    SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. 1V,

    Herr Dr. V. Tausk (Wien) hat mir einige seiner Be-
    obachtungen bei beginnender Schizophrenie zur Verfügung
    gestellt, die durch den Vorzug ausgezeichnet sind, daß die
    Kranke selbst noch die Aufklärung ihrer Reden geben wollte.
    Ich will nun an zweien seiner Beispiele zeigen, welche Auf-

    fassung ich zu vertreten beabsichtige, zweifle übrigens nicht
    daran, daß es jedem Beobachter leicht sein, würde, solches
    Material in Fülle vorzubringen.

    Eine der Kranken Tausks, ein Mädchen, das nach
    einem Zwist mit ihrem Geliebten auf die Klinik gebracht”
    wurde, klagt:

    Die Augen sind nicht richtig, sie sind ver-
    dreht. Das erläutert sie selbst, indem sie in geordneter
    Sprache eine Reihe von Vorwürfen gegen den Geliebten vor-
    bringt. „Sie kann ihn gar nicht verstehen, er sieht jedesmal
    anders aus, er ist ein Heuchler, ein Augenverdreher, er
    hat ihr die Augen verdreht, jetzt hat sie verdrchte Augen,
    es sind nicht mehr ihre Augen, sie sieht die Welt jetzt mit
    anderen Augen.“

    Die Äußerungen der Kranken zu ihrer unverståndlichen
    Rede haben den Wert einer Analyse, da sie deren Aquivalent
    in allgemein verståndlicher Ausdrucksweise enthalten; sie
    geben gleichzeitig AufschluB iiber Bedeutung und iiber Genese
    der schizophrenen Wortbildung. In Übereinstimmung mit
    Tausk hebe ich aus diesem Beispiel hervor, daB die Be-
    ziehung zum Organ (zum Auge) sich zur Vertretung. des
    ganzen Inhaltes aufgeworfen hat. Die schizophrenc Rede hat
    hier einen hypochondrischen Zug, sie ist Organ sprache
    geworden, 2

    Eine zweite Mitteilung derselben Kranken: „Sie steht
    in der Kirche, plótzlich gibt es ihr einen Ruck, sie muß ‘sich

  • S.

    estellt“ |
    die Analyse durch eine ncue Reihe von Vorwiirfen

    i war, auch ordinår gemacht hat. Er hat sie sich
    gemacht, indem er sie glauben machte, er sei ihr
    nun sei sie so geworden, wie er ist, weil sie
    sie werde besser sein, wenn sie ihm gleich werde.
    sich verstellt, sie ist jetzt so wie er (Identifizie-
    , er hat sie verstellt“.

    Bewegung „des sich anders Stellen, bemerkt Tausk,
    s Darstellung des Wortes „verstellen“ und der Iden-
    ung mit dem Geliebten. Ich hebe wiederum die Prå-
    enes Elements des ganzen Gedankenganges hervor,
    ine körperliche Innervation (vielmehr deren Emp-
    zum Inhalt hat. Eine Hysterika hätte übrigens im

    on davon zu verspüren, und in beiden Fällen hätte sie
    bewuBten Gedanken dabei gehabt und wire auch nach-
    1 nicht im stande gewesen, solche zu äußern.

    weit zeugen diese beiden Beobachtungen fiir das, was
    hondrische oder Organsprache genannt haben. Sie
    aber auch, was uns wichtiger erscheint, an einen
    Sachverhalt, der sich beliebig oft 2. 8. an den in
    Monographie gesammelten Beispielen nachweisen
    in eine bestimmte Formel fassen läßt. Bei der Schizo-

    erden die Worte demselben ProzeB unterworfen,

    den psychischen Primárvorgang geheiBen
    ie werden verdichtet und übertragen einander ihre

  • S.

    SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    Besetzungen restlos durch Verschiebung; der Prozeß kann
    so weit gehen, daß ein einziges, durch mehrfache Beziehungen
    dazu geeignetes Wort die Vertretung einer ganzen Gedanken-
    kette übernimmt. Die Arbeiten von Bleuler, Jung und
    ihren Schülern haben gerade für diese Behauptung reich-
    liches Material ergeben.*)

    Ehe wir aus solchen Eindrücken einen Schluß ziehen,
    wollen wir noch der feinen, aber doch befremdlich wirkenden
    ‚Unterschiede zwischen der schizophrenen und der hyste-
    rischen und zwangsneurotischen Ersatzbildung gedenken. Ein’
    Patient, den ich gegenwärtig beobachte, 1806 sich durch den
    schlechten Zustand seiner Gesichtshaut von allen Interessen
    des Lebens abziehen. Er behauptet, Mitesser zu haben und
    tiefe Locher im Gesieht, die ihm jedermann ansieht. Die
    Analyse weist nach, daf er seinen Kastrationskomplex an
    seiner Haut abspielt. Er beschåftigte sich zunåchst reuelos
    mit seinen Mitessern, deren Ausdrücken ihm große Befrie-
    digung bereitete, weil dabei etwas herausspritzte, wie er
    sagt. Dann begann er zu glauben, daß überall dort, wo er
    einen Comedo beseitigt hatte, eine tiefe Grube entstanden
    sei, und er machte sich die heftigsten Vorwiirfe, durch sein
    »beständiges Herumarbeiten mit der Hand“ seine Haut für
    alle Zeiten verdorben zu haben. Es ist evident, daB ihm
    das Auspressen des Inhaltes der Mitesser ein Ersatz fir die
    Onanie ist. Die Grube, die darauf durch seine Schuld ent-
    steht, ist das weibliche Genitale, d. h. die Erfillung der
    durch die Onanie provozierten Kastrationsdrohung (resp. der

    sie vertretenden Phantasie). Diese Ersatzbildung hat trotz

    *) Gelegentlich behandelt die Traumarbeit die Worte wie dic Dinge
    und schafft dann sehr ähnliche 。sehizophrene“ Reden oder Wortneu-
    bildungen

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 333

    ihres hypochondrischen Charakters viel Ähnlichkeit mit einer
    hysterischen Konversion, und doch wird man das Gefühl
    haben, daß hier etwas anderes vorgehen müsse, daß man
    solche Ersatzbildung einer Hysterie nicht zutrauen dürfe,

    noch ehe man sagen kann, worin die Verschiedenheit be-

    gründet ist. Ein winziges Grübchen wic eine Hautpore wird

    . ein Hysteriker kaum zum Symbol der Vagina nehmen, die

    er sonst mit allen möglichen Gegenständen vergleicht, welche
    einen Hohlraum umschliefen. Auch meinen wir, daß die
    Vielheit der Grübchen ihn abhalten wird, sie als Ersatz für
    das weibliche Genitale zu verwenden. Ähnliches gilt für einen
    jugendlichen ‚Patienten, über den Tausk vor Jahren der
    Wiener psychoanalytischen Gesellschaft berichtet hat. Er
    benahm sich sonst ganz wie ein Zwangsneurotiker, verbrauchte
    Stunden für seine Toilette u. dgl. Es war aber an ihm auf-
    fällig, daß er widerstandslos die Bedeutung seiner Hem-
    mungen mitteilen konnte. Beim Anziehen der Strümpfe störte
    ihn z. B. die Idee, daß er die Maschen des Gewebes, also
    Löcher auseinanderziehen müsse, und jedes Loch war ihm
    Symbol der weiblichen Geschlechtsóffnung. Auch dies ist
    einem Zwangsneurotiker nicht zuzutrauen; ein solcher, aus
    der Beobachtung von R. Reitler, der am gleichen Verweilen
    beim Strumpfanzichen litt, fand nach Überwindung der Wider-
    stände die Erklärung, daß der Fuß ein Penissymbol sei, das
    Uberziehen des Strumpfes ein onanistischer Akt, und er mußte
    den Strumpf fortgesetzt an- und auszichen, zum Teil, um
    das Bild der Onanie zu vervollkommnen, zum Teil, um sie
    ungeschehen zu machen.

    Fragen wir uns, was der schizophrenen Ersatzbildung

    mund dem Symptom den befremdlichen Charakter verleiht,

    50 erfassen wir endlich, daß es das Uberwiegen der Wort-

  • S.

    334 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    beziehung über die Sachbeziehung ist. Zwischen dem Aus-
    driicken eines Mitessers und einer Ejakulation aus dem
    Penis besteht eine recht geringe Sachåhnlichkeit, eine noch
    geringere zwischen den unzåhligen seichten Hautporen und
    der Vagina; aber im ersten Falle spritzt beide Male etwas
    heraus, und fiir den zweiten gilt wortlich der zynische Satz:
    Loch ist Loch. Die Gleichheit des sprachlichen Ausdruckes,
    nicht die Ahnlichkeit der bezeichneten Dinge hat den Ersatz
    vorgeschrieben. Wo die beiden — Wort und Ding -— sich
    nicht decken, weicht die schizophrene Ersatzbildung von der
    bei den Ubertragungsneurosen ab.

    Setzen wir diese Einsicht mit der Annahme zusammen,'
    daf bei der Schizophrenie die Objektbesetzungen aufgegeben
    werden. Wir müssen dann modifizieren: die Besetzung der
    Wortvorstellungen der Objekte wird festgehalten. Was wir
    die bewuBte Objektvorstellung heißen durften, zerlegt sich
    uns jetzt in die Wortvorstellung und in die Sachvor-
    stellung, die in der Besetzung, wenn nicht der direkten
    Sacherinnerungsbilder, doch entfernterer und von ihnen ab-

    - geleiteter Erinnerungsspuren besteht. Mit einem Male glau-

    ben wir nun zu wissen, wodurch sich eine bewuBte Vorstel-
    lung von einer unbewuften unterscheidet. Die beiden sind
    nicht, wie wir gemeint haben, verschiedene Niederschriften
    desselben Inhaltes an verschiedenen psychischen Orten, duch
    nicht verschiedene funktionelle Besetzungszustånde an dem-
    selben Orte, sondern die bewufte Vorstellung umfaßt die
    Sachvorstellung plus der zugehórigen Wortvorstellung, die un-
    bewufte ist die Sachvorstellung allein. Das System Ubw.
    enthält die Sachbesetzungen der Objekte, die ersten und
    eigentlichen Objektbesetzungen; das System Vbw. entsteht,
    indem diese Sachvorstellung durch die Verknüpfung mit den

  • S.

    ‎RAR =‏ הקוחה קמ זיק ‎TE‏ =

    ‎XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 335

    ‎entsprechenden Wortvorstellungen iiberbesetzt wird. Sol-
    Uberbesetzungen, kónnen wir vermuten, sind es, welche
    Shere psychische Organisation herbeiführen und die
    lösung des Primärvorganges durch den im Vbw. herrschen-
    Sekundårvorgang ermöglichen. Wir können jetzt auch
    åzise ausdrücken, was die Verdrängung bei den Ubertra-
    sneurosen der zurückgewiesenen Vorstellung verweigert:
    Übersetzung in Worte, welche mit dem Objekt verknüpft
    iben sollen. Die nicht in Worte gefaBte Vorstellung oder
    cht überbesetzte psychische Akt bleibt dann im Ubw.
    verdrángt zurück. ⑥
    Ich darf darauf aufmerksam machen, wie frühzeitig wir
    ts die Einsicht besessen haben, die uns heute einen der
    igsten Charaktere der Schizophrenie verståndlich macht.
    den letzten Seiten der 1900 veröffentlichten „Traum-
    ung" ist ausgeführt, daß die Denkvorgånge, d. i. die von

    ‎ahrnehmungen entfernteren Besetzungsakte an sich
    slos und unbewuft sind und ihre Fähigkeit, bewußt
    werden, nur durch die Verkniipfung mit den Resten der
    rtwahrnehmungen erlangen. Die Wortvorstellungen ent-
    mmen ihrerseits der Sinneswahrnehmung in gleicher Weise
    die Sachvorstellungen, so daß man die Frage aufwerfen
    te, warum die Objektvorstellungen nicht mittels ihrer

    ‎den ursprünglichen Wahrnehmungsresten so weit ent-
    į :
    t sind, daß sie von deren Qualitäten nichts mehr erhalten
    en und zum BewuBtwerden einer Verstärkung durch neue

    ‎PRES CR REL

  • S.

    336 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.

    mitbringen konnten, weil sié bloß Relationen zwischen den
    Objektvorstellungen entsprechen. Solche erst durch Worte
    faßbar gewordene Relationen sind ein Hauptbestandteil un-
    serer Denkvorgånge. Wir verstehen, daß die Verknüpfung
    mit Wortvorstellungen noch nicht mit dem BewuBtwerden
    zusammenfållt, sondern bloß die; Möglichkeit dazu gibt, daß
    sie also kein anderes System als das des Vbw. charakterisiert.
    Nun merken wir aber, daß wir mit diesen Erórterungen unser
    eigentliches Thema verlassen und mitten in die Probleme
    des Vorbewuften und BewuBten geraten, die wir zweck-
    mäfigerweise ciner gesonderten Behandlung vorbehalten.

    Bei der Schizophrenie, die wir ja hier auch nur so weit
    beriihren, als uns zur allgemeinen Erkennung des Ubw. un-
    erlablich scheint, muß uns der Zweifel auftauchen, ob der
    hier Verdrängung genannte Vorgang überhaupt noch etwas

    mit der Verdrängung bei den Übertragungsneurosen gemein

    hat. Die Formel, die Verdrängung sei ein Vorgang zwischen
    dem System Ubw. und dem Vbw. (oder Bw.) mit dem Erfolg
    der Fernhaltung vom Bewußtsein, bedarf jedenfalls einer Ab-
    änderung, um den Fall der Dementia praecox und anderer
    narzißtischer Affektion®n miteinschließen zu können. Aber
    der Fluchtversuch des Ichs, der sich in der Abziehung der
    bewuften Besetzung äußert, bleibt immerhin als das Gemein-
    same bestehen. Um wie vieles gründlicher und tiefgreifender
    dieser Fluchtversuch, diese Flucht des Ichs bei den narziß-
    tischen Neurosen ins Werk gesetzt wird, lehrt die oberflich-
    lichste Uberlegung.

    Wenn diese Flucht bei der Schizophrenie in der Ein-
    ziehung der Triebbesetzung von den Stellen besteht, welche
    die unbewuBte Objektvorstellung repräsentieren, so mag es
    befremdlich erscheinen, daß der dem System Vbw. angehórige

  • S.

    XVIII. DAS UNBEWUSSTE. 337

    derselben Objektvorstellung — die ihr entsprechenden
    vorstellungen 一 vielmehr eine inteasivere Besetzung
    en sollen. Man könnte eher erwarten, daß die Wort-
    orstellung als der vorbewuBte Anteil den ersten Stoß der
    drångung auszuhalten hat, und daß sie ganz und gar un-
    stzbar wird, nachdem sich die Verdringung bis zu den
    ubten Sachvorstellungen fortgesetzt hat. Dies ist aller-
    ine Schwierigkeit des Verstündnisses. Es ergibt sich
    uskunft, daf die Besetzung der Wortvorstellung nicht
    Verdrångungsakt gehört, sondern den ersten der Her-
    lungs- oder Heilungsversuche darstellt, welche das kli-
    he Bild der Schizophrenie so auffallig beherrschen. Diese
    ungen wollen die verlorenen Objekte wieder bekom-
    und es mag wohl sein, daß sie in dieser Absicht den
    zum Objekt über den Wortanteil desselben einschlagen,
    sie sich aber dann mit den Worten an Stelle der Dinge
    gen müssen. Unsere seclische Tätigkeit bewegt sich ja
    allgemein in zwei entgegengesetzten Verlaufsrichtungen,
    reder von den Trieben her durch das System Ubw. zur
    Bten Denkarbeit, oder anf Anregung von außen durch
    System des Bw. und Vbw. bis zu den ubw. Besetzungen
    Ichs und der Objekte. Dieser zweite Weg muß trotz
    r vorgefallenen Verdrängung passierbar bleiben und steht
    Bemühungen der Neurose, ihre Objekte wieder zu ge-
    en, ein Stück weit offen. Wenn wir abstrakt denken,
    wir in Gefahr, die Beziehungen der Worte zu den un-
    ten Sachvorstellungen zu vernachlässigen, und es ist
    zu leugnen, daß unser Philosophieren dann eine un-
    nschte Ähnlichkeit in Ausdruck und Inhalt mit der
    weise der Schizophrenen gewinnt. Anderseits kann
    on der Denkweise der Schizophrenen die Charakteristik

    ud, Neurosenlehre. IV. ; 22

  • S.

    338 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV,

    versuchen, sie behandeln konkrete Dinge, als ob sie ab-
    strakte wären.

    Wenn wir wirklich das Ubw. agnosziert und den Unter-
    schied einer unbewuBten Vorstellung von einer vorbewuften
    richtig bestimmt haben, so werden unsere Untersuchunge
    von vielen anderen Stellen her zu dieser Einsicht zurück-
    führen müssen