5. / 6. Sitzung am 5. / 13. November 1912. Dr. J. Sadger: Ueber den sado-masochistischen Komplex 1912-525/1912
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    5/63. 1. Sitzung
    am 9.November 1912.
    (13)

    Dr.J.Sadger:Ueber den sado-masochischen Komplex.

    (Die Arbeit wird im Jahrbuch erscheinen.)


    D I S K U S S I O N

    (1.Abend.)

    Ritschmann kennt die Erblichkeit des Masochismus aus seiner Er-
    fahrung bestätigen. Ginge jedoch diese Einstellung auf die Säuglings-
    zeit zurück, so wäre nicht verständlich, wieso ein weiblicher Partner
    ein männlich sadistisches Objekt verlangen könnte. Es müsste die sad-
    masochistischen Frauen sämtlich homosexuelle Züge aufweisen, was doch
    nicht durchgehende der Fall sei. Auch müsste noch speziell determi-
    niert sein, unter welchem Umständen der Sado-Masochismus beim Kind ent-
    steht.

    Prof.Freud bemerkt, dass die vom Vortr.vorgeführten Grundtatsachen
    nichts Neues lehrend, dass organische Substanz dem Sado-Masochismus
    notwendigerweise die Hautoberfläche sein müsse, darin könne man nur zu-
    stimmen. Zu bezweifeln sei dagegen, dass wie der Vortr.anzunehmen schei-
    ne, der Masochismus primär sein könne.-Am Vortrag selbst vermisse
    man Gliederung und Aufbau.

    Sachs bemängelt, dass der Begriff der Haut-und Muskele-rotik, der
    ja nur ein Hilfs-und Uebergangsbegriff sei, als etwas Absolutes hinge-
    stellt werde. Auch hebe er eine psychische Würdigung des S.M.vermisst.
    Finlerstein hat demselben Einwend gegen die Begriffe der Haut-
    und Muskulerotik, ebenso gegen die Ausserrachtlassung der psychischen
    Faktoren, und bemängelt noch einiges Unwesentlichere.

    Rosenstein hebt am Vortrag den Mangel an Psychoanalyse hervor
    und die Tatsache, dass manifester und unterdrückter Sadismus nicht
    getrennt worden sei. Der Sad.sei wohl auf die Unterdrückung anderer
    Triebe zurückzuführen und auf diese Weise auch therapeutisch beein-
    flussbar. Auch vermisse man den gesicherten Nachweis, dass die Säug-
    lingszeit Einflusse auf die Entwicklung des späteren Menschen habe.

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    Rank meint auch, es mache den Eindruck, als gehe dem Vortr. der Maso-
    chismus als primär, was unserer gesammten Auffassung des Trieblebens
    widerspreche.

    Tausk findet in der Hauptthese (er will dem Gertner Schmerz be-
    reiten, weil ihm der Schmerz Lust bereitet) die hergestellte Relation
    fraglich. Die Lust einer Abreaktion wird verwechsält mit der Lust am
    Schmerze selbst. Die zur Erklärung herangezogene Grausamkeit habe ei-
    gentlich nichts mit Sexualität zu tun.

    Freud konstatiert zur Bemerkung Wintersteins, dass Kinder, die
    streng erzogen werden, erdistisch werden, dass er auch das Umgekehrte
    gesehen habe: besondere deutlich an zwei Brüdern, von denen der schlech
    behandelte mas. und der gut beh.sad. geworden ist. Rosenstein habe inso-
    fern Recht, als der therapeutische Anknüpfungspunkt beim Sadismus der
    sei, zurückgedrängte Entwicklungskomponenten zur Entwicklung zu bringen
    Federn ist fest mit jedem Detail einverstanden, mit dem Ganzen
    aber nicht. Wes die erste These betreffe (dass der S.M.zurückgeheauf ei-
    ne Konstitutionell verstärkte Haut-Schleimhaut und Muskel-Erotik), so
    sei das Zusammentreffen von Hauterotik und Sad.richtig: die Schleim-
    hauterotik entspreche den erogenen Zonen, unter Muskelerotik könne man
    sich gar nichts vorstellen.-Auch sei die Frage, ob die Hauterotik prä-
    mär oder sekundär sei, es kann sich um Zärtlichkeit und Grausamkeit han-
    deln.-Bei der 2.These (dass der S.M.auf die allererste Kinderszeit zu-
    rückgehe und bei der Säuglingspflege erworben werde) sei zu bemerken,
    dass man die allen Menschen in gleicher Weise zukommende Säuglings-
    pflege nähst als Aetiologie hinstellen könne, wohl aber gehe die Deter-
    mination der meisten Symptome des S.M.auf die Kinderszeit zurück. Bei
    der 3.These (dass es sich durchaus nicht um Unterwerfung etc. handle,
    sondern immer nur um lustvolle Erlebnisse der Kinderszeit) sei zu bemer-
    ken, dass die Unterwerfung usw.oft eins bedeutsame Rolle spiele und nic
    ne weitere uns geschweifelt werden durfte.

    Reinhold vermisst den Beweis, dass eine gesteigerte Haut-
    erotik aufweisen und umgekehrt, so dass der Zusammenhang nur konstru-
    iert aber nicht evident gemacht ist. Auch könne man die anatomisch zu-
    sammengehörigen Empfindungen nicht auch als physiologisch. zuzubetrach-
    ten. Uebrigens sei keine Brücke zu den psychischen Formen geschlossen
    und das eigentliche Problem, warum Schmerz Lust bereite, nicht berührt.

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    Dattner wendet ein, dass die Behauptung des Vortr.er habe sich
    nach Auflösung der Säuglingsaetiologie leichter gefühlt, für den
    Wert dieser Einsicht nicht massgebend sein könne. Auch möchte er sich
    entschieden gegen die vorgetr. Ansicht über die Entstehung des Hymens
    wenden.

    Weiss meint, dass eine solche Verstärkung einzelner erogener
    Zonen, wie sie zur spezifischen Aetiologie nötig sei, im Stadium des
    Narzißismus eintreten könnte. Die S.M.Betätigung des Kindes wäre aus
    seiner bisexuellen Anlage zu erklären.

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    2. Abend


    Ritschmann bringt ein Beispiel von Wertesd.

    Reinhold wiederholt seine Einwendungen bezüglich der Haut-Erotik
    und vermisst in den wiedergegebenen Lösungen der Pat.die pers.
    Bearbeitung.

    Reitler stimmt mit Vortr.darin überein, dass die Kasuistik nicht
    entsprechend sugearbeitet worden sei. und die Nachweis einer Haut-
    erotik in diesen Fällen nicht erbracht sei (speziell nicht der ein-
    zer Urethralerotik). Dass der S.M.mit der Hautoberfläche zusammenhang
    sei natürlich, ob es aber eine Muskelerotik gebe, sei zweifelhaft. Mit
    der Annahme eines bes. Grausamkeitstriebes beim Kinde sei ein ähnli-
    cher Fehler wie von Stekel mit der Kriminalität begangen worden: es
    handle sich vielfach nur um Demütigungstriebe. Die Urethralerotik
    in dem Masse anerkennen, dass an dem Beitrieb aus der Welt schaffen
    in solchen Fällen (wie G.G.Rousseau) handle es sich einflach um
    sexuell frühreife Kinder.-Treffend sei die Bemerkung des Pat. dass
    die Marterwerkzeuge den Penis symbolisieren.

    Tausk meint, es sei nur gezeigt worden, dass die erogene Zonen
    s.M.-verwertet werden, aber nicht woher der S. kommt. Auch wurde nicht
    gesagt, warum die Urethral-und Muskelerotik daran besondern Anteil ha-
    ben soll; ebensowenig unter welchen besonderen Bedingungen aus einem
    Menschen mit empfindlicher Haut ein S.M.wird. Alle die angeführten Er-
    lebnisse aus der Kindheit werden nur später in einem bestimmte Sinne
    verwendet:die Frage ist warum.

    Federn betont, dass dei Vortr. die Probleme des S.M.nicht berührt

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    habe. Zwei Bemerkungen seien richtig: dass der Blutsaad. auf die bes.
    Lust zurückgehe, die Frauen oft an ihrer Menstruation haben. g/des
    Zurückführene der Fesselungssymptome auf die infantile Fesselung.
    Schliesslich bemerkt "Federn noch, dass er die Publikation der Arbeit
    in dieser Form für nicht reifem und schädlich halte.

    Sachs bemerkt, dass Rousseau seine leibliche Mutter nicht ge-
    kannt habe und in intimer Beziehung zu seinem Vater aufgewachsen
    sei. Dass er an Harnbeschwerden litt, ist richtig, doch könne man da-
    raus eine Harnherotik noch nicht erschliessen. Dass diese Beschwerden
    nervöser Natur waren, liesse sich vielleicht aus der Tatsache ver-
    muten, dass R.eine Audienz beim König mit Rücksicht auf seine incon-
    stinanica urinae ablehnte. In diesem Punkte sei der Vortr.missver-
    standen worden, der nicht die Absicht hatte, den Mechanismus des
    Zusammenhangs von Sad. und Hauterotik darzustellen, sondern nur darauf
    hinzuweisen, dass in allen Fällen von Sad.eine erhöhte Reizbarkeit der
    Haut zu finden sei.

    Rosenstein ist im wesentlichen mit vielen Vortr.einverstanden.
    Die herangezogene (Federn) Fallung des Blutes ist für den Sad.nicht
    wesentlich, würde aber auf die Form als bedeutsamen Faktor hinweisen.
    Der beste Einwand gegen die Zurückführung einzelner Symptome auf die
    Säuglingspflege sei der von Prof. Freud gemachte Hinweis, dass in
    England, dem klassischen Lande der Flagellomanie die Kinder nicht ge-
    wickelt werden.-Die vorgebrachten Psychoanalysen erweisen sich als
    Suggestionserfolge.

    Ritschmann erwähnt, dass neuere Forschungen des leiten Rousseau
    anatomisch erklären.

    Prof.Freud bringt zunächst ein Beispiel von Vortrass.-Es handelt
    sich um eine Dame aus den höheren Kreisen der Lebenskunst mit einem un
    merkwürdigen Liebesleben. Sie verlangt von m Manne eine bestimmte Szene
    von deren Gelingen die Sonderbarkeit ihrer Liebesexistenz abhängt.
    Er muss sie nach einem Wortwechsel nie herwerfen, entblössen, ihr die Be
    ne auseinander reissen, das Genitale inspieren und dabei als unflagis
    tig beschimpfen. Am Ende muss er sie masturbieren. Sie stellt während
    dessen vor, dass Zuschauer dabei sind, wovon sie hauptsächlich ihr Ver-
    gnügen ableitet. Einmal stellte sie sich unter den Zuschauern auch ihr
    Vater vor, erschrak aber so sehr, dass sie eine Zeitlang lts Szenen ein

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    stellte. Das Schimpfen leitet sich von einer Eigentümlichkeit ihres
    Vaters ab, der jetzt alt und arbeitsunfähig, an Schwindel leidend, von
    der Tochter reichlich erhalten wird. Es liegt nahe, die Reihenfolge um-
    zukehren, so dass zuerst die Masturbation, dann die Unterwerfung und
    endlich das Schimpfen folgt. Als Kern ergibt sich, dass das Mädchen,
    vor dem 3.Jahre, vom Arat mit Gewalt unterworfen war, wobei wehr-
    scheinlich die Eltern als Zuschauer zugegen waren. In ihrer Phantasie
    setzt sie nun den Vater an Stelle des Arates. Die Unterwerfung erfolgt
    damals wegen Bettnässens. Für die Pathogenese ihrer Neurose, die sich
    einstellte als sie in "Gefahr war, ihre Einkünfte zu verlieren, aus de-
    nen sie den Vater erhalten hatte, ist der Vater bedeutsam, dessen Schwindel
    anfälle sie in ihren Symptomen nachahmt. In dieser Identifizierung
    kommt sowohl die nächtliche Regung als auch der verdrängte Wunsch,
    jeder Verpflichtung durch den Tod des Vaters ledig zu werden, zum Aus-
    druck.

    Zum Vortr.selbst sei zu bemerken, dass das vorwiegend kasuistisch
    Material grösste Anforderungen an die Hörer stellte und dass die Ar-
    beit Gliederung und Aufbau vermissen lasse.

    Sadger macht im Schlusswort sich mit einzelnen Rednern auseinan-
    der zu setzen und wendet ins. gegen den Hinweis auf England ein, dass
    er die Flagellomanie in keinerlei Zusammenhang mit der Fesselung
    der Säuglingszeit gebracht habe. Auch habe er nicht behauptet, dass
    der Mas.primär sei, sondern sowohl die aktive wie die passive Form
    wurzeln auf der Hauterotik. Damit einer Sad.werde muss die dem Ich-
    trie-ben entstammende Grausamkeitskomponente hinzukommen.

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