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Formulierungen über die zwei Prinzipien
des psychischen Geschehens.von
Sigm. FreudWir haben seit Langem gemerkt, daß jede Neurose
die Folge, also wahrscheinlich die Tendenz habe,
den Kranken aus dem realen Leben herauszu-
drängen, ihn der Wirklichkeit zu entfremden.
Eine derartige Thatsache konnte auch der Beob-
achtung P. Janets nicht entgehen; er sprach von
einem Verluste „de la fonction du réel“wie
als von einem besonderen Charakter der
Neurotiker, ohne aber den Zusam̄enhang dieser
Störung mit den Grundbedingungen der Neurose
aufzudecken.xx)Die Einführung des Verdrängungsprozeßes in die
Genese der Neurose hat uns gestattet, in diesen
Zusam̄enhang Einsicht zu nehmen. Der Neurotiker
wendet sich von der Wirklichkeit ab, weil
er sie – ihr Ganzes oder Stücke derselben – uner-
träglich findet. Den extremsten Typus dieser
Abwendung von der Realität zeigen uns gewiße
Fälle von halluzinatorischer Psychose, in denen
jenes Ereignis verläugnet werden soll, welches
den Wahnsinn hervorgerufen hat (Griesinger)
Eigentlich thut aber jeder Neurotiker mit
einem Stückchen der Realität das Gleiche.x)
Es erwächst uns nun die Aufgabe, die Beziehung
des Neurotikers und des Menschen überhaupt
zur Realität auf ihre Entwicklung zu unter-
suchen und so die psychologische Bedeutung der
realen Außenwelt in das Gefüge unserer Lehren
aufzunehmen.x) Eine merkwürdig klare Ahnung dieser Ver-
ursachung hat kürzlich Otto Rank in einer
Stelle Schopenhauers aufgezeigt. (Die Welt
als Wille und Vorstellung, 2 Bd. Siehe Zentral-
blatt für Psychoanalyse Nr 1 u 2, 1910)S.
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Wir haben uns in der auf Psychoanalyse begründeten
Psychologie gewöhnt, die unbewußten seelischen Vor-
gänge zum Ausgang zu nehmen, deren Eigentüm-
lichkeiten uns durch die Analyse bekannt worden
sind. Wir halten diese für die älteren, primären,
für Überreste aus einer Entwicklungsphase, in
welcher sie die einzige Art von seelischen Vor-
gängen waren. Die oberste Tendenz, welcher diese
primären Vorgänge gehorchen, ist leicht zu erken̄en;Sie streben ¿sie wird als das Lust‑Unlustprinzip
(oder kürzer als das Lustprinzip) bezeichnet. Diese
Vorgänge streben danach Lust zu gewinnen; von
solchen Akten, welche Unlust erregen können,
zieht sich die psychische Thätigkeit zurück (Verdrängung). Unser
nächtliches Träumen, unsere Wachtendenz, uns
von peinlichen Eindrücken loszureißen, sind
Reste von der Herrschaft dieses Prinzips und
Beweise für dessen Mächtigkeit.Ich greife auf Gedankengänge zurück, die ich an
anderer Stelle (im allgemeinen Abschnitt
der Traumdeutung) entwickelt habe, wenn ich
supponire, daßdasder psychische Ruhezustand anfänglich
durch die gebieterischen Forderungen der inneren
Bedürfniße gestört wurde. In diesem Falle wurde
das Gedachte (Gewünschte) einfach hallucinatorisch
gesetzt, wie es heute noch allnächtlich mit unseren
Traumgedanken geschieht. Erst das Ausbleiben
der erwarteten Befriedigung die Enttäuschung hatte zur Folge,
daß dieser Versuch der Befriedigung auf halluc-
inatorischem Wege aufgegeben wurde. Anstatt
seiner mußte sich der psychische Apparat entschließen,
die realen Verhältniße der Außenwelt
vorzustellen und die reale Veränderung anzu-
streben. Damit war ein neues Prinzip der seel-
ischen Thätigkeit eingeführt; es wurde nicht mehr
vorgestellt was ¿¿
real war, auch wenn es unangenehm sein sollte.x)Diese Einsetzung des Realitätsprinzips erwies
sich als ein folgenschwerer Schritt.S.
2a
x)Ich will versuchen, die obige schematische Darstellung
durch einige Ausführungen zu ergänzen. Es wird
mit Recht eingewendet werden, daß eine solche
Organisation, die dem Lustprinzip fröhnt und
die Realität der Außenwelt vernachlässigt,
sich nicht die kürzeste Zeit am Leben erhalten könnte,
so daß sie überhaupt nicht hättenichtentstehen
können. Die Verwendung einer derartigen Fiktion
rechtfertigt sich aber durch die Bemerkung,
daß der Säugling, wenn man nur die Mutter-
pflege hinzunim̄t, ein solches psychisches System
nahezu realisirt. Er halluzinirt wahrscheinlich die
Erfüllung seiner inneren Bedürfniße, verrätdasseine Unlust bei steigendem Reiz und
ausbleibender Befriedigung durch die motorische
Abfuhr des Schreiens und Zappelns und erlebt
darauf die halluzinirte Befriedigung. Er erlernt
es später als Kind, diese Abfuhräußerungen
absichtlich als Ausdrucksmittel zuverwge-
brauchen. Da die Säuglingspflege das Vorbild
der späteren Kinderfürsorge ist, kann die
Herrschaft des Lustprinzips eigentlich erst
mit der vollen psychischen Ablösung von
den Eltern ein Ende nehmen. – Ein schönes
Beispiel eines von den Reizen der Außenwelt
abgeschloßenen psychischen Systems, welches selbst
seine Ernährungsbedürfniße autistisch (nach
einemdemWorte Bleuler‘s) befriedigen kann, giebt
das mit seinem Nahrungsvorrat in die Eischale
eingeschloßene Vogelei, für das sich die Mutter-
pflege auf die Wärmezufuhr einschränkt. –
Ich werde es nicht alseineKorrektur, sondern
nur als Erweiterung des in Rede stehenden
Schemas ansehen, wenn man für das nach dem
Lustprinzip lebende System Einrichtungen fordert,
mittels deren es sichvorden Reizen der Realität
entziehen kann. Diese Einrichtungen sind nur das
Korrelat der „Verdrängung“, welche innere
Unlustreize so behandelt, als ob sie äußerewerdenwären, sie also zur Außenwelt schlägt.S.
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1). Zunächst machten die neuen Anforderungen eine
Reihe von Adaptirungen des psychischen Apparates
nötig, die wir infolge von ungenügender oder un-
sicherer Einsicht nur ganz beiläufig aufführen
können.Die erhöhte Bedeutung der äußeren Realität hob
auch die Bedeutung der jener Außenwelt zuge-
wendeten Sinnesorgane und des an sie geknüpften
Bewußtseins, welches außer den bisher allein
interessanten Lust‑ und Unlustqualitäten die
Sinnesqualitäten auffassen lernte. Es wurde eine
besondere Funktion eingerichtet, welche die
Außenwelt periodisch abzusuchen hatte, damit die
Daten derselben im vorhinein bekannt wären,
wenn sich einunabunaufschiebbares inneres
Bedürfnis einstellte, die Aufmerksamkeit. Diese
Thätigkeit geht den Sinneseindrücken entgegen,
anstatt ihr Auftreten abzuwarten. Wahrschein-
lich wurde gleichzeitig damit ein System von Merken
eingesetzt, welches die Ergebniße dieser periodischen
Bewußtseinsthätigkeit zu deponiren hatte,
ein Theil von dem, was wir Gedächtnis heißen.An Stelle der Verdrängung, welche einen
Teil der auftauchenden Vorstellungen als
unlusterzeugend von der Besetzung ausschloß,
trat die unparteiische Urteilsfällung, welche
entscheiden sollte, ob eine bestim̄te Vorstellung
wahr oder falsch, dh im Einklang mit der
Realität sei oder nicht, und durch Vergleichung
mit den Erin̄erungsspuren der Realität
darüber entschied.Die motorische Abfuhr, die während der Herrschaft
des Lustprinzips zur Entlastung des seelischen
Apparates von Reizzuwächsen gedient
hatte und dieser Aufgabe durch ins Innere des
Körpers gesandte Innervationen (Mimik,
Affektäußerungen) nachgekom̄en war, erhielt
jetzt eine neue Funktion, indem sie zur
zweckmäßigen Veränderung der Realität
verwendet wurde. Sie wandelte sich zum
Handeln.S.
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Die notwendig gewordene Aufhaltung der motor-
ischen Abfuhr (des Handelns) wurde durch den
Denkprozeß besorgt, welcher sich aus dem Vorstellen
herausgebildete. Das Denken wurde mit Eigen-
schaften ausgestattet, welche dem seelischen
Apparat das Ertragen der erhöhten Reizspan-
nung während des Aufschubes der Abfuhr
ermöglichten. Es ist im Wesentlichen ein Probehandeln
mit Verschiebung kleiner Besetzungsquantitäten
unter geringer Verausgabung (Abfuhr)
derselben. Dazu war eine Überführung der
frei verschiebbaren Besetzungen in ge-
bundene erforderlich, und eine solche wurde
mittels einer Niveauerhöhung des ganzen Be-
setzungsvorganges erreicht. Das Denken war
wahrscheinlich ursprünglich unbewußt und
erhieltseineweitere für das Bewußtsein wahr-
nehmbare Qualitäten erst durch die
Bindung an die Wortreste.2) Eine allgemeine Tendenz unseres seelischen
Apparates, scheint sich in der Zähigkeit des
Festhaltens an den zur Verfügung stehenden
Lustquellen und an der Schwierigkeit des
Verzichts auf die selben zu äußern. Mit
der Einsetzung desLustpRealitätsprinzips
wurde eine Art Denkthätigkeit abgespalten,
die von der Realitätsprüfung frei gehalten
und allein dem Lustprinzip unterworfen
blieb.x) Es ist dieß das Phantasiren, welches
bereits mit dem Spielen der Kinder beginnt
und später als Tagträumen fortgesetzt die
Anlehnung aneinreale Objekte aufgiebt.3.) Die Ablösung des Lustprinzips durch das
Realitätsprinzip mit den aus ihr hervorgeh-
enden psychischen Folgen, die hier in einer
schematisirenden Darstellung in einen
einzigen Satz gebannt ist, vollzieht sich in
Wirklichkeit nicht auf einmal und nicht gleich-
zeitig auf der ganzen Linie. Während
aber diese Entwicklung an den IchtriebenS.
4a
insoweit es sich über das bloße Vorstellen erhob und sich den Relationen der Objekteindrücke
die man auf das ökonomische Prinzip der Aufwandersparnis zurückführen kann,
xÄhnlich wie eine Nation, deren Reichthum
auf der Ausbeutung ihrer Bodenschätze
beruht, doch ein bestim̄tes Gebiet re-
servirt, das im Urzustande belassen
und von den Veränderungen der Kultur
verschont werden soll (Yellowstone Park).S.
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vor sich geht, lösen sich die Sexualtriebe in sehr be-
deutsamer Weise von ihnen ab. Die Sexualtriebe
benehmen sich zunächst autoerotisch, sie finden
ihre Befriedigung am eigenen Leib und gelangen
daher nicht in die Situation der Versagung,
welche die Einsetzung des Realitätsprinzips er-
zwungen hat. Wenn dann später bei ihnen der
Prozeß der Objektfindung beginnt, erfährt
er alsbald eine lange Unterbrechung durch
die Latenzzeit, welche die Sexualentwicklung
bis zur Pubertät verzögert. Diese beiden
Momente – Autoerotismus und Latenzperiode –
haben zur Folge, daß der Sexualtrieb in
seiner psychischen Ausbildung aufgehalten wird
und weit länger unter der Herrschaft des
Lustprinzips verbleibt, welcher er sich bei vielen
Personen überhaupt niemals zu entziehen
vermag.Infolge dieser Verhältniße stellt sich eine
engenähere
Beziehung her zwischen dem Sexualtrieb und
der Phantasie einerseits, den Ichtrieben und
den Bewußtseinsthätigkeiten anderseits. Diese
Beziehung tritt uns bei Gesunden wie Neurotikern
als eine sehr innige entgegen wenngleich sie
durch diese Erwägungen aus der genetischen
Psychologie als eine sekundäre erkannt wird.
die Verdrängung bleibt im Reiche des Phantasirens
allmächtig; sie bringt es zu Stande,Erinnerungs-
Vorstellungen in statu nascendi, ehe sie dem
Bewußtsein auffallen können, zu hemmen,
wenn¿¿¿deren Besetzung zur Unlustentbindung
Anlaß geben kann. Ein wesentliches Stück der
psychologischen Disposition zur Neurose ist demnach
durch die verspätete Erziehung des Sexual-
triebes zur Beachtung der Realität, und
des weiteren durch die Bedingungen, welche
diese Verspätung ermöglichen, gegeben.4) In Wirklichkeit bedeutet die Ersetzung des Lust-
prinzips durch das Realitätsprinzip keine
Absetzung des Lustprinzips, sondern nur eine
Sicherung desselben. Eine momentane, in ihren
Folgen unsichere Lust wird aufgegeben, aber
nur darum, um auf dem neuen Wege eine
später kommende, gesicherte zu gewinnen.S.
5a
Der fortwirkende Autoerotismus macht
es möglich, daß die leichtere momentane und
phantastische Befriedigung am Sexualobjekte
so lange an Stelle der realen, aber Mühe
und Aufschub erfordernden festgehalten
wird;
Dieß ist die schwache Stelle unserer psychischen
Organisation, die dazu benutzt werden
kann, um bereits rationell gewordene
Denkvorgänge wieder unter die
Herrschaft des Lustprinzips zu
bringen.
S.
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Doch ist der endopsychische Eindruck dieser Ersetzung
ein so mächtiger gewesen, daß er sich in einem be-
sonderen religiösen Mythus spiegelt. Die Lehre
von der Belohnung im Jenseits für den – frei-
willigen oder aufgezwungenen – Verzicht auf
irdische Lüste ist nichts anderes als die mythische
Projektion dieser psychischen Umwälzung. Die
Religionen haben in konsequenter Verfolgung
dieses Vorbildes den absoluten Lustverzicht
im Leben gegen Versprechen einer Entschädigung
in einem künftigen Leben durchsetzen können;
eine Überwindung des Lustprinzips haben sie
auf diesem Wege nicht erreicht. Am ehesten
gelingt diese Überwindung der Wissenschaft,
die aber auch intellektuelle Lust während
der Arbeit bietet und endlichen praktischen
Gewinn verspricht.5). Die Erziehung kann ohne weitere Bedenken
als¿¿¿¿¿¿Anregung zur Überwindung des
Lustprinzips, zur Ersetzung desselben durch das
Realitätsprinzip beschrieben werden; sie will
also jenem das Ich betreffenden Entwicklungs-
prozeß eine Nachhilfe bieten, bedient sich zu
diesem Zwecke der Liebespraemien von
Seiten der Erzieher, und schlägt darum fehl,
wenn das verwöhnte Kind¿¿¿¿glaubt, daß
es diese Liebe ohnedieß besitzt und ihrer unter
keinen Umständen verlustig werden kann.6). Die Kunst bringt auf einem eigentümlichen
Wege eine Versöhnung der beiden Prinzipien
zu Stande. Der Künstler ist ursprünglich ein
Mensch, welcher sich von der Realität abwendet
weil er sich mit dem von ihr zunächst geforderten Verzicht
auf Triebbefriedigung nicht befreunden kann,
und seine erotischen und ehrgeizigen Wünsche
im Phantasieleben gewähren läßt. Er findet
aber den Rückweg aus dieser Phantasiewelt
zur Realität, indem er dank besonderer
Begabungen seine Phantasien zu einer neuen
Art von Wirklichkeiten gestaltet, die von
den Menschen als wertvolle Abbilder der
Realität zur Geltung zugelassen werden. Er
wird so auf eine gewiße Weise wirklich der
Held, König, Schöpfer, Liebling, der er werden
wollte, ohne den gewaltigen Umweg über dieS.
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wirkliche Veränderung der Außenwelt einzuschlagen.
Er kann dieß aber nur darum erreichen, weil
die anderen Menschen die nämliche Unzufrieden-
heit mit dem real erforderlichen Verzicht ver-
spüren wie er selbst, weilauchdiese bei der
Ersetzung des Lustprinzips durch das Realitäts-
prinzip resultirende Unzufriedenheit selbst ein
Stück der Realität ist.7). Während das Ich die Umwandlung vom Lust‑Ich
zum Real‑Ich durchmacht, erfahren die Sexualtriebe
jene Veränderungen, die sie vom anfänglichen
Autoerotismus durch verschiedene Zwischenphasen
zur Objektliebe im Dienste der Fortpflanzungs-
funktion führen. Wenn es richtig ist, daß jede
Stufe dieser beiden Entwicklungsgänge zum Sitz
einer Disposition für spätere neurotische Erkrankung
werden kann, liegt es nahe, die Entscheidung über
die Form der späteren Erkrankung (die Neurosen-
wal) davon abhängig zu machen, in welcher Phase
der Ich‑ und der Libidoentwicklung die disponir-
ende Entwicklungshem̄ung eingetroffen ist. Die
noch nicht studirten zeitlichen Charaktere der beiden
Entwicklungen, deren mögliche Verschiebung
gegen einander, kom̄en so zu unvermuteter
Bedeutung.8).
Es istDer befremdendste Charakter der unbewußten
(verdrängten) Vorgänge, an den sich jeder Untersucher
nur mit großer Selbstüberwindung gewöhnt,
ergiebt sich daraus, daß bei ihnen die Realitäts-
prüfung nichts gilt, die Denkrealität gleichge-
setzt wird der äußeren Wirklichkeit, der Wunsch
der Erfüllung, dem Ereignis, wie es sich aus der
Herrschaft des alten Lustprinzips ohne weiteres
ableitet. Darum wird es auch so schwer, unbewußte
Phantasien von unbewußt gewordenen Erin-
nerungen zu unterscheiden. Man lasse sich aber
nie dazu verleiten, die Realitätswertung in
die verdrängten psychischen Bildungen einzutragen
und etwa Phantasien darum für die Symptombildung gering zu schätzen,
weil sie eben keine Wirklichkeiten sind. Man hat
die Verpflichtung, sich jener Währung zu bedienen,
die in dem Lande, das man durchforscht, eben
die herrschende ist, in unserem Falle der neurotischen
Währung. Man versuche zB. einenS.
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Traum wie den folgenden zu lösen. Ein Mann, der
einst seinen Vater während seiner langen und
qualvollen Todeskrankheit gepflegt, berichtet,
daß er in den nächsten Monaten nach dessen
Ableben wiederholt geträumt habe: der Vater
sei wieder am Leben und er spreche mit ihm
wie sonst. Dabei habe er es aber äußerst schmerz-
lich empfunden,¿daß der Vater doch schon
gestorben war und es nur nicht wußte. Kein
anderer Weg führt zum¿¿Verständnis des
widersinnig klingenden Traumes als die¿¿¿¿,
Anfügung¿¿¿¿¿¿„nach seinem Wunsch“ oder „infolge seines
Wunsches“ nach den Worten „daß der Vater
doch schon gestorben war“ und der Zusatz „daß er
es wünschte“ zu den letzten Worten. Der Traum-
gedanke lautet dann: Es sei eine schmerzliche
Erinnerung für ihn, daß er dem Vater den
Tod (als Erlösung) wünschen mußte, als er
noch lebte, und wie schrecklich, wenn der Vater
dieß geahnt hätte.¿¿¿ ¿¿¿¿Es handelt sich dann
um den bekannten Fall der Selbstvorwürfe
nach dem Verlust einer geliebten Person,
und der Vorwurf¿¿¿greift in diesem
Beispiel auf die infantile Bedeutung des
Todeswunsches gegen den Vater zurück.Die Mängel dieses kleinen, mehr vorbereitenden
und andeutendenals ausführenden Aufsatzes
sind vielleicht nur zum geringen Anteile entschuldigt,
wenn ich sie für unvermeidlich ausgebe. In den
wenigen Sätzen über die psychischen Folgen der Ad-
aptierung an das Realitätsprinzip, mußte ich
Meinungen andeuten, die ich lieber noch zurück-
gehalten hätte und deren Rechtfertigung gewiß
keine kleine Mühe kosten wird. Doch will ich
hoffen, daß es wolwollenden Lesern nicht entgehen
wird, wo auch in dieser Arbeit die Herrschaft
des Realitätsprinzips beginnt.S.
OV3 Box 29/15