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Zum Obmannstellvertreter und wissenschaftlichen Vorsitzenden
wird neuerdings Dr. Stekel mit 17 Stimmen gewählt; zwei Stimmen lau-
ten für Dr.Furtmüller, zwei Stimmzettel waren lear.Dr.Stekel nimmt
die Wahl dankond an.
Herr Dr. Leonide rosnés in Odessa wird mit 21 Stimmen zum Mit
glied gewählt.
Rank macht don Vorschlag, die überflüssig gewordenen Exemplare
der rotokolle den betra Pendenn Vortragan dan zu überlassen, was von
Dr.Adler befürwortet wird.
VORTRAG:
Nach einisen enleitenden Worten über die verschieden Aspek-
te der Magie bemerkt der Vortragende dass man ganz allgemein sagen
könnte, ein Magier sei der Mensch, der über rafte des Erkennens und
Wirkens verfüge, die das Mass des Gewohnten übersteigen. Nun ist aber
diese Bestimmung so weit von äusseren Umständen abhängigg dass 2.B.
dem Uneingeweihten als agis erscheinen könne, was dem Missenden als
natürlich gelte. Und so könnte man glauben, dass zwischen dem magier
und de elehrten nur ein graduellet Unterschied wäre. Dies gilt
jedoch nut für einen besonde en Cwei der Magie, die sog.natürliche
Magie, aus der sich tatsächlich unsere moderne exakte Naturwissen-
schaft entwickelthet. Es gibt aber noch andere Zweige der "agie, von
denen una interessiert, was aus ihnen geworden ist, ob ob nicht viel-
leicht die Fähigkeit einer gewissen psychischen Entwicklung mit ih-
nan verloren gegangen sei. Die "agic ist nämlich nicht bloss die
Erkenntnis verborgenor Naturgesetze, sondern eine Art Dynamisierung
psychischer Kräfte.
Damit sind wir vor zwei grosse oppdan Wirkungen unterschiede-
ne Gruppen der Magie gestellt, je nachdem diese innerliche oder
äusserliche sind. Zu den in crlichen gehören: Die Zitationen, Beschwü-
rungen etz., die wir als optische, daktylische, akustische, halluzine to
rische Täuschungen darstellen können und die zeigen wie weit man durt
Täuschungen verführt werden kann, scheinbar äussere Phänomene zu 90-
hen und für wahr zu halten. -Die Husseren richten sich ontweder auf
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andere Lebewesen oder auf leblose Gegenstände, umfassen also das,
was wir Telepathie, mentale Sugestion etz.heissen und interessieren
uns nur so weit, als sie in gewissen psychischen Vorgängen ihre Pege
gründung finden.
Verständnis der ersten Gruppe den von ihm
Redner zieht nun zum
in zwei Arbeiten Jahrbuch BD.I.u.I.) entwickelteh esichtspunkt des
funktionalen Phänomens heran. Es sind das Phänomene, wo sich "ewusst-
seinsinhalts umsetzen in ein anschauliches Bild, in ein Symbol.Bei
allen diesen Vorgängen sind zwei Gruppen möglich: 1.ann sich sin
Inhalt,sine Vorstellung oder 2.kann sich die jeweilige funktionswei
se des bewusstseins, sein Justand umsetzen.m ersten alle wird man
von materialen hänomenan, im weiter von funktionalen Phänomenen
sprechen. Diese Symbolik beherrscht die Träume, die fagträume, die My-
thenbildung, da auch der "griff der mythologischen Projektion nur
ein Spezialfall des funktionaler Phänomens sei. Aehnlich dis persön-
lichkeitsspaltungen, durch àic ain anschauliches Bild zwischen ier
hir-und herwogenden Vorstellungsgruppen gewonen wird, und die sich
wie Jung gezeigt hat auch pathologisch vertiefen und festsetzen kön
ren.Aehnliches sucht der Vortragende auch für die Teufelsgestalt
zu erweisen.
Mit der zweiten Grupie nähern wir uns den objektiven Phänomenen
Redner bespricht nun ziemlich singehend einen in Ostwalls Anneler
der Naturphilosophie (B.IX 1910) erschienenen: Versuch zure Begrün-
dung einer wissenschaftlichen Experimentalmagie von Dr.L. Stauden-
maier, einem Manne, der an seiner eigeren Ferson Halluzinationen und
Personifikationer künstlich erzeuger könne, die sich unschwer als
erkenner lassen.
Wunscherfüllungen
Von diesem Autor geht der Redner auf die Besprechung einer Ar-
beit von Camilla Lucerne über das ärchen von Goethe cin, wo ausgehen
vom "egriff der Beziehungen, der im Typus seine Verkörperung finde,
deruf hingewiesen wird, das diese Vereinigung der Leziehungen mittel
der Symbolik erreicht werde. Cum Uterschide von der Allegoria, wo ei-
nes für das andre gesetzt werde, sei das Symbol der notenpunkt einer
Menge von Beziehungen, as bedeute alles .Am Schluss ihrer Arbeit weig
camilla Lucerna darauf hin und das führt wieder su dan funktionelen
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Phänomenen zurück -dass das Hürchen nicht nur ein künstlstisch ge-
staltetes Work sei, sondern auch den Selbstgestaltungsprozess des-
gelben darstelle: es entsteht nicht nur hach Gesetaen, sondern spricht
liese Gesetze selbst auch in seiner Spreche aus. Is het also eine Dop
pelfunktion. Und so gibt es ange wirklicher Märchen, die nicht nur
nach den Gesetzen des Traumes und der Verdrängung aufgebaut sind,
gerade
sondern diese Gesetze selbst zu ihrem Thema nehmen und behandelm.
Diskussion.
Tausk möchte nur darauf hinweisenwo diese interessenten Dinge
sich bereits in dem bisher aufgearbeiteten psychoanalytischen ate
rial finden, vor allem bed Freud.
Bunchst wird man aber, sobali man von diesen Dingen spricht, die
Frage beantworten müssen, wieso es zu einer Halluzination überhaupt
kommt Stellt man sich auf diesen Standpunkt, dann sind lieso inge
aber bereits von Freud behandelt worden.
Staudenmeier ist ein Paranoiker, dessen Bewusstsein so weit frei
geblieben, dass er seine psychischen Vorgänge beobachten konnte.
Sehr fruchtbar sei der Gesichtspunkt der funktionalen und ma-
terialen Phänomene, wobei man en Scherner erinnert werde, der die funk
tionale Symbolik im Traume fast ausschliesslich behandelt habe. Auch
ein Setz von buber wäre zu erwähnen, dass jedes Kunstwerk nicht nur
einen Inhalt sondern auch die Form selbst symbolisiere.
Die behauptete Unterscheidung von Allegorie und Symbol sei we-
der psychoanalytisch noch kunstkritisch fruchtbar. Das Symbol ist ein
Ersatz des einen wir das andere. Des Symbol se die Deutung aires Vor
gunges, die Allegorio dagegen die Dr matisierung eines Symbols/also
die Peutung einer Deutung.
Grüner Branz_bemerkt, dass der Vortragende sigentlich den umge-
kehrten weg gele, wie ihn lis Psychoanalyse beim Zurückgehen vom mani
festen Inhalt auf das Unbewuste durchschraáte. Er habe eher den Ein)
druck, dass die Umsetzung des Gedankeninhalts und der Bewusstseins-
form eigentlich umgekehrt vor sich geho: dass die gewählten Bilder
dem Unbewussten näher stehen als dem gedanklichen Inhalt. Ibe so dass
die Unterscheidung des Gedankeninhalts und des Formalen nicht in
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dieser Schärfe durchführbar sei. Die Personifikationer könne man
im Drame überall so finden.
GrünerGustav findet auch, dass von dem Vorgebrachten aus nur
ein Schritt zur Deutung von dramatischen Kunstwerken überhaupt sei.
Auch im Kunstwerk wird nicht nur etwas gegenständliches dargestellt
sondern auch das Verhältnis der Triebe untereinander im Künstler
selbst dargestellt..
Teusk erwähnt noch, dass schon in der Traumdeutung aufgezeigt
sei, wie der Fraum nicht nur den Inhalt sondern auch das Gesetz sei-
ner Zusammensetzung aufzeige. Wie z..die Anzeige im manifesten Tex-
te: Umgekehrt (lesen)ias funktionale Homent zeige.
Furtmüller erwährt, was er schon früher einmal ausgesprochen
habe, dass Staudenmaier nicht ernst genommen werden dürfe, sondern
höchstens für den Psychoanalytiker als ein Objekt wissenschaftlich
er Forschung au betrachten sei.
Die Unterscheidung von Symbol und Allegorie halte er vom Stand
punkt der Zubstbetrachtung für wertvoll.Kur wäre hervorzuheben, dass
bei der Allegorie die bewusste Bearbeitung in den Vordergrund tritt
während das Symbol vorwiegend die unbewussten Peziehungen und die
vorbewusste herstellt.
Federn möchte in cinem Punkte Staudenmaier gegan Furtmüller **
verteidigen und meinen, dass sein gesetz der Reversibilität etwas
für sich habe und originell sei.-Die Ausführungen des Vortragenden
selbst halte er für sehr wertvoll und insbedondere die Unterschei-
dung zwischen materialen und funktionalen Phänomenen, auf den or
schon im vorigen Jahre gel gentlich eines Vortrages über die Wur-
zeln des Masochismus aufmerksam geworden sei. Es sei wichtig, dass
der primäre Denkvorgang, der Reiz an und für sich, den Inhalt des
Denkens bestimme; nur so können wir erklären, dass die Symbole über-
all die gleichen sind. Er habe seinerseit euf eine der allgemeinen
urzeln des Masochismus hingewiesen, die darin liege, dass der Mensch
der Zustand der Sparnung, den er durch die ganze Kindheit in Form
der Vorlust empfinde als Abhängigkeit, als Demütigung in seinen ma-
sochistischen Thantasien wie er jetzt sagen würde-funktionell sym-
bolisiert.-
Auch die Angst könne funktional ter Benützung vorhandener
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psychischer Clemente funktional in gewissen schreckhafter Bildern
symbolisiert werden; es sei jedoch oft schwierig, liess Symbolisie
rung von der inhaltlichen zu trennen.Aehnlich wäre ein funktionales
Phänomen der Flugtraum, der sich auf Grund von Erfahrungen als direkt
von der Erektion ausgelöst srweise, and womit der Vorgang des Irhe-
bena dargestellt worde bei der Frau habe er vielleicht einen ähnli-
chen Sinn, da sie ja den Vorge der Irektion auch kennt.
Das ortvollste hat uns der Vortrag darin gelehrt, dass die Ma-
gie eine der Formen ist, wie die Menschen ihre Erscheinungen von
Bewusst sinsabsmaltung darstellen.
Rank erwähnt, dass er vor wenigen Wochen einen Irsum gedoute t
habe, in dessen Inhalt ein Bild die Hauptrolle spielte und der auch
dieses Moment formal darin zum Ausdruck brachte, dass um die im In-
trum dcs Traumes befindliche Schilderung des Lildes sich eine Rahmen
crzählung flocht und dass die gleiche Darstellungstechnik innerhalb
desselben Traumes noch ein zweites al Verwertung gefunden habe.
Die von Herrn ustav Grüner hervorgehobene Reduzierung der han-
delnden ersonen im Drama auf i Priebe is elder und in letzter
Linie des nstlers selbst,habe er in seiner Arbeit über in Tinst-
ler bereits ausgesprochen.
Rosenstein möchte die Frage aufwerfen, welchen Sinn diese funk-
tionaler Fhinomens haben, de wir doch zunehmen gewont soien, dass
dic Psyche bloss auf Lust oder Unlust reagiers.
Dr.F.S.rauss weist duruf hin, dass der Berliner Buchhändler
Nicolai sin intersscantos zweibliges Werk über seine Halluzinatio-
geschrieben habe.-Er meint es wäre besser desort Aberglaube,
das nur in relativer Begriff sai, zu vermeiden. -Die spiritistischen
Sitzunge
De
scien nichts als Humbug.
dahin
6möchte Federn inbezug auf die Flusträume unterstützen,
dass diese Träume von Obessin tatsüchlich münzlich soien. Für di
gaychoonalytische betrachtung sei as aber ganz gleichgiltig, ob man
vor funktionalen, der Erektion ausgehe oder von Hoitus, der den Flug-
traum zum Symbol nimit, sobalb m n our sin uermerk auf den Sinn
des Traumes richte.Und dieser Sinn muss in beiden Fällen der glei-
che sein, wenn man den 'chritt mche im Hoitus nicht eine rain sexuel
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1s Reaktion zu sehen, sondern auch die Tendenz seine Männlichkeit
zu beweisen. Deswegen sei auch lie Trennung der inhaltlichen und
funktionalen Phänomene nicht sufrecht zu halten.Man kann in der
Analyse von einem Erlebnis, cinem Inhalt ausgehen, or habe jedoch b
versucht von Funktionalen auszugehen und konnte im Materialen das
Bild bestätigen. In diesem Zusammenhang sei auch die Frage Rosenstin
die wichtigste; bei all diesen Phänomenen handelt es sich um sinen
Bian, den wir dahinter suchen Lüssen. Es ist anzunehmen, dass alle
Beschäftigung mit Hagio, Telepathie, Spiritismus etz.nichts anderes
darstellt als die Sicherungs'endenz der menschlichen Individuen,
mittels deren sie sine rweiterung der persönlihone Einflussphäre
einzunehmen trochten. Besonders deutlich wird das in dem Hauptsiche-
rungsphänomen, der Angst, iis ja regelmässig sienen Funkt ausserhalb
des individuums annehmen lässt, der eine Pedrohung desselbe: voraus-
setzt; Ibenso die Sicherugs tendenz im Traume und in den Halluzinatio
nen. Eu lissen gebnisser use man lenger, wenn man von den gröse
serer Anspannungen des minderwertigen Organs ausgeht. Denn die Hallu
zination n sind wie eine Schilderung Freytags zeigt Fähigkeiten,
die sich aus der Organminderwortigauit ableiten lassen.
Federr möchte iis UnterstütungsAdlers in puncto Flugträume zu-
rückweisen, de sie sie über sine Behauptung hinaus gehep. Silberer ha
be von sisem elementeren Phänomen der Psyche gesprochen, wonach irge
gend eins starke Empfindung ohne weiters in ein Symbol unge bilde t
wird. Das steht in gar keinem Widerspruch mit Wunscherfüllungs- oder
Sicherungstendenzen.
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Silberer möchte nur hervorheben, dass die bezoichrung der einen
Thänomene ngrupps als materialer nicht be sagen solle, es müsse sich
dabei um ein Erinnerungsmaterial handeln, sondern nur dass ein Gedan
kaninhalt darin symbolisch ausgedrückt werde.Zu leugnen sei nicht,
dass die beiden ruppen oft zusammenfallen; manchmal ist jedoch die
eine besser ausgeprägt oder geradezu allein vorhanden.
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Protokoll der 15. Sitzung am 18. Januar 1911. Herbert Silberer: Magisches und Anderes
1911-503/1911
/1911
Vollständige Manifestation
Protokoll
Papier
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Ganz fertig / zutreffend ✔
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4
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