Protokoll der 15. Sitzung am 18. Januar 1911. Herbert Silberer: Magisches und Anderes 1911-503/1911
  • S.

    127
     

    I L
    der
     

    15. 3 I T2UN
     

    am 18.Januar 1911.
     

    Herbert Silberer:
     

    DERES
     

  • S.

    -1-
     

    Zum Obmannstellvertreter und wissenschaftlichen Vorsitzenden
    wird neuerdings Dr. Stekel mit 17 Stimmen gewählt; zwei Stimmen lau-
    ten für Dr.Furtmüller, zwei Stimmzettel waren lear.Dr.Stekel nimmt
    die Wahl dankond an.
     

    Herr Dr. Leonide rosnés in Odessa wird mit 21 Stimmen zum Mit
     

    glied gewählt.
     

    Rank macht don Vorschlag, die überflüssig gewordenen Exemplare
    der rotokolle den betra Pendenn Vortragan dan zu überlassen, was von
     

    Dr.Adler befürwortet wird.
     

    VORTRAG:
     

    Nach einisen enleitenden Worten über die verschieden Aspek-
    te der Magie bemerkt der Vortragende dass man ganz allgemein sagen
    könnte, ein Magier sei der Mensch, der über rafte des Erkennens und
    Wirkens verfüge, die das Mass des Gewohnten übersteigen. Nun ist aber
    diese Bestimmung so weit von äusseren Umständen abhängigg dass 2.B.
    dem Uneingeweihten als agis erscheinen könne, was dem Missenden als
    natürlich gelte. Und so könnte man glauben, dass zwischen dem magier
    und de elehrten nur ein graduellet Unterschied wäre. Dies gilt
    jedoch nut für einen besonde en Cwei der Magie, die sog.natürliche
    Magie, aus der sich tatsächlich unsere moderne exakte Naturwissen-
    schaft entwickelthet. Es gibt aber noch andere Zweige der "agie, von
    denen una interessiert, was aus ihnen geworden ist, ob ob nicht viel-
    leicht die Fähigkeit einer gewissen psychischen Entwicklung mit ih-
    nan verloren gegangen sei. Die "agic ist nämlich nicht bloss die
    Erkenntnis verborgenor Naturgesetze, sondern eine Art Dynamisierung
    psychischer Kräfte.
     

    Damit sind wir vor zwei grosse oppdan Wirkungen unterschiede-
    ne Gruppen der Magie gestellt, je nachdem diese innerliche oder
    äusserliche sind. Zu den in crlichen gehören: Die Zitationen, Beschwü-
    rungen etz., die wir als optische, daktylische, akustische, halluzine to
    rische Täuschungen darstellen können und die zeigen wie weit man durt
    Täuschungen verführt werden kann, scheinbar äussere Phänomene zu 90-
    hen und für wahr zu halten. -Die Husseren richten sich ontweder auf
     

  • S.

    -2-
     

    andere Lebewesen oder auf leblose Gegenstände, umfassen also das,
     

    was wir Telepathie, mentale Sugestion etz.heissen und interessieren
    uns nur so weit, als sie in gewissen psychischen Vorgängen ihre Pege
    gründung finden.
     

    Verständnis der ersten Gruppe den von ihm
     

    Redner zieht nun zum
     

    in zwei Arbeiten Jahrbuch BD.I.u.I.) entwickelteh esichtspunkt des
    funktionalen Phänomens heran. Es sind das Phänomene, wo sich "ewusst-
    seinsinhalts umsetzen in ein anschauliches Bild, in ein Symbol.Bei
    allen diesen Vorgängen sind zwei Gruppen möglich: 1.ann sich sin
    Inhalt,sine Vorstellung oder 2.kann sich die jeweilige funktionswei
    se des bewusstseins, sein Justand umsetzen.m ersten alle wird man
    von materialen hänomenan, im weiter von funktionalen Phänomenen
    sprechen. Diese Symbolik beherrscht die Träume, die fagträume, die My-
    thenbildung, da auch der "griff der mythologischen Projektion nur
    ein Spezialfall des funktionaler Phänomens sei. Aehnlich dis persön-
    lichkeitsspaltungen, durch àic ain anschauliches Bild zwischen ier
    hir-und herwogenden Vorstellungsgruppen gewonen wird, und die sich
    wie Jung gezeigt hat auch pathologisch vertiefen und festsetzen kön
    ren.Aehnliches sucht der Vortragende auch für die Teufelsgestalt
    zu erweisen.
     

    Mit der zweiten Grupie nähern wir uns den objektiven Phänomenen
    Redner bespricht nun ziemlich singehend einen in Ostwalls Anneler
    der Naturphilosophie (B.IX 1910) erschienenen: Versuch zure Begrün-
    dung einer wissenschaftlichen Experimentalmagie von Dr.L. Stauden-
    maier, einem Manne, der an seiner eigeren Ferson Halluzinationen und
    Personifikationer künstlich erzeuger könne, die sich unschwer als
    erkenner lassen.
     

    Wunscherfüllungen
     

    Von diesem Autor geht der Redner auf die Besprechung einer Ar-
    beit von Camilla Lucerne über das ärchen von Goethe cin, wo ausgehen
    vom "egriff der Beziehungen, der im Typus seine Verkörperung finde,
    deruf hingewiesen wird, das diese Vereinigung der Leziehungen mittel
    der Symbolik erreicht werde. Cum Uterschide von der Allegoria, wo ei-
    nes für das andre gesetzt werde, sei das Symbol der notenpunkt einer
    Menge von Beziehungen, as bedeute alles .Am Schluss ihrer Arbeit weig
    camilla Lucerna darauf hin und das führt wieder su dan funktionelen
     

  • S.

    Phänomenen zurück -dass das Hürchen nicht nur ein künstlstisch ge-
    staltetes Work sei, sondern auch den Selbstgestaltungsprozess des-
    gelben darstelle: es entsteht nicht nur hach Gesetaen, sondern spricht
    liese Gesetze selbst auch in seiner Spreche aus. Is het also eine Dop
    pelfunktion. Und so gibt es ange wirklicher Märchen, die nicht nur
    nach den Gesetzen des Traumes und der Verdrängung aufgebaut sind,
    gerade
    sondern diese Gesetze selbst zu ihrem Thema nehmen und behandelm.
     

    Diskussion.
     

    Tausk möchte nur darauf hinweisenwo diese interessenten Dinge
    sich bereits in dem bisher aufgearbeiteten psychoanalytischen ate
    rial finden, vor allem bed Freud.
     

    Bunchst wird man aber, sobali man von diesen Dingen spricht, die
    Frage beantworten müssen, wieso es zu einer Halluzination überhaupt
    kommt Stellt man sich auf diesen Standpunkt, dann sind lieso inge
    aber bereits von Freud behandelt worden.
     

    Staudenmeier ist ein Paranoiker, dessen Bewusstsein so weit frei
    geblieben, dass er seine psychischen Vorgänge beobachten konnte.
     

    Sehr fruchtbar sei der Gesichtspunkt der funktionalen und ma-
    terialen Phänomene, wobei man en Scherner erinnert werde, der die funk
    tionale Symbolik im Traume fast ausschliesslich behandelt habe. Auch
    ein Setz von buber wäre zu erwähnen, dass jedes Kunstwerk nicht nur
    einen Inhalt sondern auch die Form selbst symbolisiere.
     

    Die behauptete Unterscheidung von Allegorie und Symbol sei we-
    der psychoanalytisch noch kunstkritisch fruchtbar. Das Symbol ist ein
    Ersatz des einen wir das andere. Des Symbol se die Deutung aires Vor
    gunges, die Allegorio dagegen die Dr matisierung eines Symbols/also
    die Peutung einer Deutung.
     

    Grüner Branz_bemerkt, dass der Vortragende sigentlich den umge-
    kehrten weg gele, wie ihn lis Psychoanalyse beim Zurückgehen vom mani
    festen Inhalt auf das Unbewuste durchschraáte. Er habe eher den Ein)
    druck, dass die Umsetzung des Gedankeninhalts und der Bewusstseins-
    form eigentlich umgekehrt vor sich geho: dass die gewählten Bilder
    dem Unbewussten näher stehen als dem gedanklichen Inhalt. Ibe so dass
    die Unterscheidung des Gedankeninhalts und des Formalen nicht in
     

  • S.

    -4-
     

    dieser Schärfe durchführbar sei. Die Personifikationer könne man
     

    im Drame überall so finden.
     

    GrünerGustav findet auch, dass von dem Vorgebrachten aus nur
    ein Schritt zur Deutung von dramatischen Kunstwerken überhaupt sei.
    Auch im Kunstwerk wird nicht nur etwas gegenständliches dargestellt
    sondern auch das Verhältnis der Triebe untereinander im Künstler
    selbst dargestellt..
     

    Teusk erwähnt noch, dass schon in der Traumdeutung aufgezeigt
    sei, wie der Fraum nicht nur den Inhalt sondern auch das Gesetz sei-
    ner Zusammensetzung aufzeige. Wie z..die Anzeige im manifesten Tex-
    te: Umgekehrt (lesen)ias funktionale Homent zeige.
     

    Furtmüller erwährt, was er schon früher einmal ausgesprochen
    habe, dass Staudenmaier nicht ernst genommen werden dürfe, sondern
    höchstens für den Psychoanalytiker als ein Objekt wissenschaftlich
    er Forschung au betrachten sei.
     

    Die Unterscheidung von Symbol und Allegorie halte er vom Stand
    punkt der Zubstbetrachtung für wertvoll.Kur wäre hervorzuheben, dass
    bei der Allegorie die bewusste Bearbeitung in den Vordergrund tritt
    während das Symbol vorwiegend die unbewussten Peziehungen und die
    vorbewusste herstellt.
     

    Federn möchte in cinem Punkte Staudenmaier gegan Furtmüller **
    verteidigen und meinen, dass sein gesetz der Reversibilität etwas
    für sich habe und originell sei.-Die Ausführungen des Vortragenden
    selbst halte er für sehr wertvoll und insbedondere die Unterschei-
    dung zwischen materialen und funktionalen Phänomenen, auf den or
    schon im vorigen Jahre gel gentlich eines Vortrages über die Wur-
    zeln des Masochismus aufmerksam geworden sei. Es sei wichtig, dass
    der primäre Denkvorgang, der Reiz an und für sich, den Inhalt des
    Denkens bestimme; nur so können wir erklären, dass die Symbole über-
    all die gleichen sind. Er habe seinerseit euf eine der allgemeinen
    urzeln des Masochismus hingewiesen, die darin liege, dass der Mensch
    der Zustand der Sparnung, den er durch die ganze Kindheit in Form
    der Vorlust empfinde als Abhängigkeit, als Demütigung in seinen ma-
    sochistischen Thantasien wie er jetzt sagen würde-funktionell sym-
     

    bolisiert.-
     

    Auch die Angst könne funktional ter Benützung vorhandener
     

  • S.

    -5-
     

    psychischer Clemente funktional in gewissen schreckhafter Bildern
    symbolisiert werden; es sei jedoch oft schwierig, liess Symbolisie
    rung von der inhaltlichen zu trennen.Aehnlich wäre ein funktionales
    Phänomen der Flugtraum, der sich auf Grund von Erfahrungen als direkt
    von der Erektion ausgelöst srweise, and womit der Vorgang des Irhe-
    bena dargestellt worde bei der Frau habe er vielleicht einen ähnli-
    chen Sinn, da sie ja den Vorge der Irektion auch kennt.
     

    Das ortvollste hat uns der Vortrag darin gelehrt, dass die Ma-
    gie eine der Formen ist, wie die Menschen ihre Erscheinungen von
    Bewusst sinsabsmaltung darstellen.
     

    Rank erwähnt, dass er vor wenigen Wochen einen Irsum gedoute t
    habe, in dessen Inhalt ein Bild die Hauptrolle spielte und der auch
    dieses Moment formal darin zum Ausdruck brachte, dass um die im In-
    trum dcs Traumes befindliche Schilderung des Lildes sich eine Rahmen
    crzählung flocht und dass die gleiche Darstellungstechnik innerhalb
    desselben Traumes noch ein zweites al Verwertung gefunden habe.
     

    Die von Herrn ustav Grüner hervorgehobene Reduzierung der han-
    delnden ersonen im Drama auf i Priebe is elder und in letzter
    Linie des nstlers selbst,habe er in seiner Arbeit über in Tinst-
    ler bereits ausgesprochen.
     

    Rosenstein möchte die Frage aufwerfen, welchen Sinn diese funk-
    tionaler Fhinomens haben, de wir doch zunehmen gewont soien, dass
    dic Psyche bloss auf Lust oder Unlust reagiers.
     

    Dr.F.S.rauss weist duruf hin, dass der Berliner Buchhändler
    Nicolai sin intersscantos zweibliges Werk über seine Halluzinatio-
    geschrieben habe.-Er meint es wäre besser desort Aberglaube,
    das nur in relativer Begriff sai, zu vermeiden. -Die spiritistischen
    Sitzunge
     

    De
     

    scien nichts als Humbug.
     

    dahin
     

    6möchte Federn inbezug auf die Flusträume unterstützen,
    dass diese Träume von Obessin tatsüchlich münzlich soien. Für di
    gaychoonalytische betrachtung sei as aber ganz gleichgiltig, ob man
    vor funktionalen, der Erektion ausgehe oder von Hoitus, der den Flug-
    traum zum Symbol nimit, sobalb m n our sin uermerk auf den Sinn
    des Traumes richte.Und dieser Sinn muss in beiden Fällen der glei-
    che sein, wenn man den 'chritt mche im Hoitus nicht eine rain sexuel
     

  • S.

    -6-
     

    1s Reaktion zu sehen, sondern auch die Tendenz seine Männlichkeit
    zu beweisen. Deswegen sei auch lie Trennung der inhaltlichen und
    funktionalen Phänomene nicht sufrecht zu halten.Man kann in der
    Analyse von einem Erlebnis, cinem Inhalt ausgehen, or habe jedoch b
    versucht von Funktionalen auszugehen und konnte im Materialen das
    Bild bestätigen. In diesem Zusammenhang sei auch die Frage Rosenstin
    die wichtigste; bei all diesen Phänomenen handelt es sich um sinen
    Bian, den wir dahinter suchen Lüssen. Es ist anzunehmen, dass alle
    Beschäftigung mit Hagio, Telepathie, Spiritismus etz.nichts anderes
    darstellt als die Sicherungs'endenz der menschlichen Individuen,
    mittels deren sie sine rweiterung der persönlihone Einflussphäre
    einzunehmen trochten. Besonders deutlich wird das in dem Hauptsiche-
    rungsphänomen, der Angst, iis ja regelmässig sienen Funkt ausserhalb
    des individuums annehmen lässt, der eine Pedrohung desselbe: voraus-
    setzt; Ibenso die Sicherugs tendenz im Traume und in den Halluzinatio
    nen. Eu lissen gebnisser use man lenger, wenn man von den gröse
    serer Anspannungen des minderwertigen Organs ausgeht. Denn die Hallu
    zination n sind wie eine Schilderung Freytags zeigt Fähigkeiten,
    die sich aus der Organminderwortigauit ableiten lassen.
     

    Federr möchte iis UnterstütungsAdlers in puncto Flugträume zu-
    rückweisen, de sie sie über sine Behauptung hinaus gehep. Silberer ha
    be von sisem elementeren Phänomen der Psyche gesprochen, wonach irge
    gend eins starke Empfindung ohne weiters in ein Symbol unge bilde t
    wird. Das steht in gar keinem Widerspruch mit Wunscherfüllungs- oder
    Sicherungstendenzen.
     

    YA
     

    Silberer möchte nur hervorheben, dass die bezoichrung der einen
    Thänomene ngrupps als materialer nicht be sagen solle, es müsse sich
    dabei um ein Erinnerungsmaterial handeln, sondern nur dass ein Gedan
    kaninhalt darin symbolisch ausgedrückt werde.Zu leugnen sei nicht,
    dass die beiden ruppen oft zusammenfallen; manchmal ist jedoch die
    eine besser ausgeprägt oder geradezu allein vorhanden.