Varia B [Mai 1914] /1914
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    Varia. 411

    Varia.
    Die Kastrationsdrohung und ihr Gegenstiick.

    Der vielgereiste, welterfahrene Johann Fischart berichtet in seiner „Geschichts-
    klitterung“ (1575) im 14. Kapitel, Von des Gargantua Adelicher Jugend vnd Jugend-
    gemüser Thugend, über das Ver ältnis des 3- bis 5jährigen Gargantua zu seinen
    Ammen und Wirterinnen Folgendes:

    dass klein Hurenjägerlin griff allzeit seinen Seugammen zum Aug, weiss
    nicht wie hoch, hinden und fornen. Harri hotta Schelme: vnd fieng schon an sein |
    gelätz zuexerciren, darumb schmuckten jn alle Tag seine Priapische abgebrüete
    Ammen vnnd Warterin mit Blumen, zierten jhn mit Krentzlin, vnd hatten jre lust
    vnnd frend damit, nur dass er jhnen vnter die Hend wie ein Magdalonisch Zepfflin
    gerhiet: alsdann lachten sie, kütterten und schnatterten wie die Storcken auff dem
    Schornstein zusammen, wann er die Oren auffrichtet, als ob jhm das Spiel gefallen
    hette: eine nannt jhn mein kleiner Dille, mein Deitelklblin, die ander mein Gulden-
    glüflin, mein Guffenspitzlin, die dritt mein Guldenästlin von Cural, mein Korallen-
    zincklin, mein Wolffszånlin, mein Billersteifferlin, mein Zuckerdeichelin, mein Vibre-
    win, mein Wurstzipflin, mein Mórsel-Stószlin, mein Capellenglócklim, Glocken-
    schwengelin, Ofenstenglin, Kochbenglein, Ziechzipflin, Ei mein Henckelosche, mein
    Thorschellelein, mein Beutelstecklein, mein lebendiges Weckerlein, mein rohe
    freud, ach rauch vnd breit, mein klein frisch Andowillewiirstlin, mein lispelend
    Klappersecklin, mein Kitzeltrutlin, es ist mein, sagt die ein, ist mein eygen, sagt
    die ander, vnd was soll ich haben, sagt die dritt, solt ich lehr ausgehn? Hey bei
    meiner trew, so will ichs jhm abschneiden: was schneiden? sagt die ander, jhr
    würden jhm weh thun, liebe Fraw, hawet jhr den Kindern also die dinglin ab, so
    wird er Junckher von Degenbloss vnnd Wadellosz werden, der Monsier sans queue.
    Herr Batt mit dem glatten Schaden, der die Zwillingbriiderlein im Bauch verbirgt,
    vnnd seycht hinden ausz wie des Meyers Stut . . . ・ HES

    Napoleon als — Psychoanalytiker.

    Napoleon glaubte bekanntlich felsenfest an „seinen Stern“, und hieraus er-
    klärt sich die folgende Symboldeutung, die Saphir als Anekdote erzählt:

    Es war den 9. Februar 1807, als am französischen Hofe grosses Konzert mit
    Ballett am Schlusse eines Festes stattfinden sollte. Kine glänzende Gesellschaft
    hatte sich versammelt, denn man erwartete den Kaiser und Crescentini sollte diesen
    Abend singen. Zur bestimmten Stunde wird in der Tat der Kaiser gemeldet; er
    tritt ein und begibt sich auf seinen Platz; das Programm liegt vor ihm. Das Konzert
    beginnt: nachdem die Ouverture geendet hat, nimmt der Kaiser das Programm zur
    Hand, liest es, und während das Gesangstiick vorgetragen wird, ruft er mit lauter
    Stimme den Marschall Duroc und sagt ihm einige Worte ins Ohr; dieser geht
    hierauf quer durch den Saal zu Herrn Gregor, dessen Amt als Sekretär der Musik
    des Kaisers es war, die Programme zu machen, und sagte in strengem Tone zu ihm:
    „Herr Gregor, der Kaiser hat mich beauftragt, Ihnen zu sagen, künftig keinen Witz
    in die Programme zu bringen.“ Der arme Sekretär bleibt bestiirzt sitzen und wagt
    kein Auge aufzuschlagen, indem er nicht begreifen kann, was der Marschall damit
    sagen will. In den Pausen zwischen den Musikstücken wird er von jedem mit leiser
    Stimme nach dem Grunde dieser groben Beleidigung gefragt, und der ungliickliche
    Gregor, hierdurch nur noch betriibter gemacht, erwidert stets: „Ich weiss ebenso
    wenig als Sie einen Grund; ich begreife es nicht.“ Er erwartet, am nächsten

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    Morgen seines Amtes entsetzt zu sein, und waffnet sich schon mit Mut, eine Ungnade
    zu ertragen, welche ihm ‚unvermeidlich scheint, zufrieden, dass er sich keiner
    Schuld bewusst ist. Das Konzert ist zu Ende, ebenso das Ballet. Der Kaiser ver-
    lässt den Saal, und das Programm bleibt auf seinem Lehnstuhle liegen; Gregor, der
    es bemerkt, läuft hinzu, ergreift es und liest es, liest fünf bis sechs Male, ohne
    darin etwas Tadelhaftes zu entdecken; er zeigt es den Herren Lesueur, Rigel,
    Kreutzer, Baillot, welche alle ebenfalls nichts weiter darin finden können, als was
    vollkommen schicklich ist. Schon fangen die abgeschmackten Scherze der Musiker
    an, auf den unglücklichen Sekretär zu regnen, als ein plôtzlicher Einfall ihm den
    Schliissel zu diesem Råtsel gibt und seinen Schrecken verdoppelt. Das Progamm
    fing nämlich mit den Worten an: „Musique de I'Empereur", und statt darunter
    wie gewöhnlich eine einfache Linie zu ziehen, hatte Gott weiss welcher Einfall den
    unglückseligen Gregor verleitet, eine Menge Sterne in Form eines Halbkreises dar-
    unter zu zeichnen, welche von der einen Seite aufsteigend bis zur Mitte immer
    grösser wurden und von da an bis zur anderen Seite ebenso wieder abnahmen.
    Sollte man glauben, dass Napoleon, damals auf dem höchsten Gipfel seines Ruhmes,
    in dieser unschuldigen Verzierung eine Anspielung auf sein vergangenes, gegen-
    würliges und zukünftiges Glück sah. Eine Anspielung ebenso unangenehm für ihn,
    als unverschämt von seiten des Unglückspropheten, von dem er sie planmüssig ge-
    macht glaubte, denn sie gab ihm zu verstehen durch die beiden ganz unmerklichen
    sich gegenüber stehenden Endsterne sowohl, als durch die tbermissige Grösse der Mittel-
    sterne, dass das kaiserliche Gestirn, damals so glänzend, nach und nach abnehmen, sich
    verringern und in umgekehrtem Verhültnis verlóschen würde, als es ihm gefolgt war
    bis auf diesen Tag. Die Zeit hat bewiesen, dass es also sein sollte; aber der Geist
    des grossen Namens hatte es ihm schon damals entschleiert, was das Schicksal ihm
    aufbewahre. Diese seltsame Empfindlichkeit dürfte es glauben machen. HiP.

    Die Philanthropie als sexual-neurotisches Ritual.

    Folgender Traum wurde von einem Miidchen von 12 Jahren getriiumt:

    „Ich war in einem grossen Hause mit vielen Treppen und Zim-
    mern. Als ich auf die Strasse kam, sah ich viele kleine Kinder spielen.
    Wir bekamen herrliche långliche Kuchen auf silbernen Schüsseln und
    tranken eine Tasse Tee. Diese wurden uns gebracht aus einem grossen Re-
    staurant, der das Liebes-Restaurant hiess, deren Bewohner alles umsonst
    haben und sich noch reich dabei fühlten.“

    Der Schluss des Traumes ist eine Reminiszenz aus dem Tagleben. Das Kind
    singt mit Vorliebe ein Lied, das übersetzt so lautet: „Selig, selig, selig — ist der-
    jenige, der gibt, was er hat, und sich reich fühlt dabei,“

    Das Unbewusste deutete die gut gemeinte moralische Lecon ins Erotische um.
    Der hohe Lustwert dieser Umdeutung offenbart sich in die fortwährende Wieder-
    holung des „Gesanges“,

    Eine erwachsene Frau (20 Jahre) erzählte mir als eine wunderliche Jugend-
    erfahrung, (durch sie religiös gedeutet!), dass Sie einmal als Kind von 10—12 Jahren
    beim Spiel durch eine so grosse Seligkeit „übermannt‘“ wurde, dass sie alles
    fortgeben wollte.

    Vielleicht ist auch bei älteren Personen das Geben ein sexual-neurotisches
    Ritual? A. J. Resink.

    Aus der kindlichen Seele,
    Ein Herr Dr. L. W. erzählt in der Frankfurter Zeitung, 31. Aug. 1913 2. Morgenbl.
    folgende kleine Geschichtchen :

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    Varia, 413

    Als ich meiner Familie, die vor mir in Ferien gegangen, in die Sommerfrische
    nachgereist war, da zeigte mir Klein-Lotte sofort nach meiner Ankunft mit grossem
    Eifer alle die grossen und kleinen Schönheiten unseres Aufenthaltsortes. Ich be-
    wunderte natürlich alles gebührend. „Ja,“ sagte dann Lotte, die in Religion ihre
    beste Note hat und auf die seinerzeit die Schilderung des Lebens von Adam und
    Eva im Paradiese einen grossen Eindruck gemacht hatte, „ja, Papa, Du brauchst
    Deinen Koffer gar nicht auszupacken, Frau N. sagte, hier sei es wie im Paradiese,
    und da brauchst Du, wie Adam, auch nur ein Feigenblatt za tragen!“

    Einige Tage später lag ich mit Lotte im Grase; wir sahen einem Grashiipfer
    zu. Dann schauten wir in den Himmel. Da frug mich die Vierjührige:

    „Papi, wie ist denn die Telephon-Nummer vom lieben Gotte?*

    „Ja, Kind, warum willst Du denn das wissen?“

    „Ich möchte den lieben Gott gerne was fragen,“

    „Was denn Lotte? Vielleicht kann ich Dir es auch sagen.“

    „Nein, ich möchte den lieben Gott selbst sprechen.“

    »Das geht nicht, Kind; der liebe Gott hat kein Telephon.'*

    Lotte sieht mich erstaunt an and lächelt etwas spóttischüberlegen, gerade als
    wollte sie sagen: , Na, Leute, die wir kennen, haben doch Telephon.“ Sie begrüsst
    nümlich zu Hause jeden Tag schon am Morgen ihren Grossvater telephonisch. Ich
    fühle mich deshalb verpflichtet, zu erkliren, warum der liebe Gott kein Telephon
    habe. Sie scheint aber von der Richtigkeit meiner Ausführungen überzeugt zu sein,
    denn sie sagt: „Wenn der liebe Gott wirklich kein Telephon hat, dann will ich Dich
    fragen; vielleicht weisst Du es auch. Ich möchte gerne wissen, was ich gewesen
    bin, ehe ich bei Euch Kind geworden bin.“

    Wir sehen hier, wie stark sich die Kleine für die Frage von der Herkunft
    der Kinder interessiert und wie wenig sie der Auskunft der Erwachsenen in diesem
    Punkte Glauben schenkt, denn sie möchte darüber direkt „den lieben Gott selbst
    sprechen“, Leo Kaplan.

    Ein Wahrtraum,

    Eine bei mir wohnende Dame, die die Kur gebrauchte, vermisst eines Tages
    ihren Schirm. Das Haus wird danach abgesucht, im Badehause, in jedem Geschäfte,
    wo sie die letzten Tage verkehrte, wird nachgefragt, doch ohne Erfolg. Und sie
    findet sich nach mehreren Tagen schon darein, den wertvollen Schirm verloren zu
    haben, als sie am nächsten Morgen früh eilig aus ihrem Zimmer kommt, und mir
    erzählt, sie habe geträumt und ihren Schirm am Hauptbrunnen stehen sehen.
    Sie wolle nun sofort hin, ihn holen. Und richtig hat sie den Schirm dort durch das
    Brunnenmädchen wieder erhalten, das ihn eines Abends dorten stehen fand.

    Der Gedanke, den Schirm auch dorten zu suchen, wo sie täglich mal hinging,
    ist der Dame im Wachen nicht gekommen, trotzdem es das Nüchstliegende gewesen

    würe. J. Page.

    : Zur Psychologie der Narkose.

    In der „Münch, Medizin. Wochenschr. gibt Dr. Lud wig Finckh seine Gefühle
    wieder, die er bei einer Narkose wegen einer Kniescheibenoperation hatte. „Als sich
    die Maske über mich senkte, dachte ich: ich will es ihnen erleichtern; ich will
    sofort einschlafen, Atmete dreimal tief mit offenem Munde, trank in richtigen
    Zügen den Atherdunst und versank leise in einen Abgrund. Es ist ein seliges
    Wonnegefiihl, so wie ich mir den Opiumrausch denke, ein Bodenverlieren, ein
    Hinunterschweben auf sanften Flügeln. Plötzlich hebt ein Klopfen in den Ohren an,

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    414 Varia.

    als ob mit zehntausend Dampfhämmern drauf losgeschlagen würde, und dann: der
    Gaul geht durch, rasend, der ganze Organismus saust dahin, die Seele fihrt aus
    dem Leib. Schlaf. Das ist der Tod. Man existiert nicht mehr. Anders kann der
    Tod nicht sein. Ich erwachte in einem Krankenbott. Zwei Stunden waren ver-
    gangen. Der erste Gedanke: So, jetzt weiss ich's: euch bin ich hinter eure Schliche
    gekommen; jetzt weiss ich, wie der Tod ist. Ein läppisches Frohlocken erfüllte
    mich, und es fiel mir sofort ein, dass ich mit dem Gedanken an einen Freund ein-
    geschlafen war; hat er es nicht kürzlich genau so erzählt, diesen Punkt, ven dem
    ab man geliefert ist, wehrlos, ohne Hilfe? Ein paar Tropfen mehr, und man wacht
    nicht mehr auf. Vom Vorhofe des Todes in den Tod — ohne Unterschied, ohne es
    zu merken. Ein Zorn erfasste mich über diese Machtlosigkeit. Übrigens stellte sich
    heraus, dass dieses Gespräch mit dem Freunde nie stattgefunden hatte. — Miihsam
    holte ich nun ein paar Gedanken in meinem Hirn zusammen, ich spiirte sie beinahe
    körperlich entstehen, sie lagen da herum, und ich musste sie fassen, eine gewisse
    nårrische, tolpelhafte Heiterkeit versuchte einen halben Spass zu machen . .
    Übrigens glaube ich, dass sich jede Narkose rasch und günstig vollzieht, wenn der
    Kranke vorher darüber aufgeklärt und bereit ist, dass er mit bestem Willen mit-
    helfen soll. Ich war in einer halben Minute friedlich eingeschlummert.“

    Selbstbeobachtungen eines Stotterers.

    Welch wertvolles Heilmittel die Psychoanalyse für den Neurotiker bildet,
    lässt sich erst ermessen, wenn aus allen Vorfülen seines täglichen Lebens und
    seien es die harmlosesten — die verschwiegenen Gründe des Leidens ans Tageslicht
    gehoben werden.

    Als Beispiel mögen meine eigenen Selbstgespräche dienen, die an sich nichts
    Absonderliches — doch deutlich auf die Existenz gewissermassen eines zweiten Ichs
    verweisen. Ich gebe sie in folgender Form wieder.

    |: Ich zeige auf der Strasse spazierengehend meinem zweiten Ich einige
    architektonisch hervorragende Gebäude. Ich spreche dabei manchmal nur in Ge-
    danken, dann wieder halblaut vor mich hin :: „Siehst du, ein hübsches Haus! Das
    habt ihr nicht, ihr armen Schlucker. Dergleichen gibts nur da, in der Provinz |: ich
    bin in der Provinz geboren und verlebte dort ⑯ Jahre :| würde 2. B. dieses hier
    Aufsehen erregen. Ja, ja, bewundere nur, mir ists recht.“

    „Der Mann da, nicht wahr, sehr elegant. Ich möchte ihn doch einmal in
    X sehen, wie die Leute gaffen und ihn einen Gecken nennen würden! Armer
    Teufel, an dem Anblick musst du dich gewöhnen. Das ist in unserem Wien etwas
    ganz Gewôhnliches.“

    „Hier Pathefon! Lies: Pathefon-Konzertsalon. Sehr hübsch und Parfümgeruch,
    Da kannst du närrisch werden, wenn du willst.“

    : Ich empfinde eine lebhafte Freude, wenn ich meinem zweiten Ich dergestalt
    dozierend vorangehen kann. Daher wohl auch mein Hang, allein auch durch die
    schmutzigsten Gassen zu gehen; ihm die halbverfallenen Häuser neben den Palästen
    zu zeigen und zu sagen:

    „Du, möchtest du hier wohnen. Ich verstehe nicht, wie die Leute in diesen
    Löchern alt werden können, Hm, schau, wie merkwürdig! Gehen wir!“

    Und einträchtig spazieren wir weiter, bis es bei der Begrüssung mit einem
    Freunde meines Vaters oder einem älteren Herrn als ich plötzlich widerspenstig
    wird. Es sagt:

    „Du wirst doch nicht mit ihm sprechen! Und zerrt mich und presst mir die
    Kehle zu, ich erschrecke und meine Antwort auf einen freundlichen Gruss wird ein
    verlegenes Stammeln.

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    Varia. 415

    Meine beiden Ichs beobachten sich gegenseitig:

    „Du schwimmst tadellos, obschon du dich Jahre nicht mehr geübt hast.“ So
    spricht es. Das glaube ich. Und weit ausgreifend und im Vollgefühl meiner Kraft
    schwimme ich weiter.

    Besonders abends nehme ich einen Stuhl und Spiegel her und betrachte nahezu
    eine Stunde lang mein Gesicht, wende es nach allen Seiten, lächle mir zu, freue
    mich darüber, dass mein Profil gut geraten ist und möchte wohl wünschen, dass
    diese und jene Dame mich bzw. mein Profil einmal würdigen und einer näheren Be-
    trachtung unterziehen würde,

    Dann lege ich mich ins Bett, nehme den Spiegel vor und lächle mich an
    und denke mir: „Es ist jammerschade, dass dich jetzt niemand sieht. Das weisse
    Hemd, der rosige Teint, ein ganzes Mädchen.“ Dann küsse ich mich im Spiegel.
    d. h. ich ziehe den Spiegel mich darin besehend langsam an meine Lippen. Ich kiisse
    also derart mein zweites Ich und bewundere sein gutes Aussehen. Wissen möchte
    ich, ob es ein weibliches oder miinnliches Wesen darstellt.

    Es fühlt sich nur in Damengesellschaft wohl und ist ganz dabei, wo es gilt,
    zu glänzen. Es ist ein schlechter Kerl, denn nur wenn wir übereinstimmend handeln,
    habe ich Erfolge aufzuweisen. Loquens.

    Die „Philosophie“ der Verdrängung‘) und der Aufhebung der Verdrängung.

    I. Die archaische Psychologie sieht im postmortalen Leben der Psyche ein
    autopsychoanalytisches Problem (Fegefener, Kamaloka), in welchem die
    Seele von den libidinästriebmässigen Komplexen gereinigt wird und so sich ver-
    allgemeinert?), was auch der Zweck der Wissenschaft ist! Darum ist
    Yama, die Personifikation dieser postmortalen Autopsychoanalyse auch der Gründer
    und Leiter der Mysterienkulte. Die „moderne“ Wissenschaft hat das Problem im
    „Zweck der Wissenschaft überhaupt“ noch nicht ernsthaft gestellt, wie Kant die
    »transzendentalen Bedingungen der Wissenschaft überhaupt“ untersuchte,
    (Hier liegt der Angelpunkt der Thosophie.)

    11. Diese reinigende (sublimierende) Kraft des transzendentalen
    „Ich bin“ (vgl. Jam Mauvs in Secret Doctrine. Index = Tehkomplex Jungs? = Ich-
    trieb der Psychoanalyse?) ist in verschiedenen Mythen symbolisiert
    (S. Michael, der Heros Invincibilis der Kath. Hymne, Mithras, der untiberwindliche
    Kämpfer — das ganze Buch der Toten in den ägyptischen Mysterien — der Mythen
    von Narada im Orient, der , Spion", das ,Affengesicht*?), der ,Zwistsucher" usw.,
    vergl. Secr. Doctr. II. 52.)

    III. Derautopsychoanalytische Prozess ist in den verschiedenen
    Mythen und so weiter vom „letzten Gericht“ symbolisiert. Diese werden
    metapsychologisch erweitert zu der Theorie vom Weltuntergang (denn Seele und
    Welt sind analog gebildet, das transzendentale quid juris der metapsychologischen
    Methode). Vergleiche z. B. folgendes Zitat aus Comtesse Agenor de Gasparin,
    Horizons célestes, 250. ,Die Vergangenheit lebt und spricht, die entriickten Hori-
    zonte reihen sich im Vordergrunde auf. Das Vergessen, dieses Gebrechen
    unserer Natur jst vernichtet. Was der Mensch empfunden hat, was er ge-

    1) Ist nicht publikationsreif. Das Sammeln des erhiirtenden Beweismaterials
    ist für diese psychischen Probleme äusserst schwierig, wenigstens in meiner Lage.

    2) ,Osirified“ im „Book of the head“ Der Ägypter etc.

    3) Ist „Affe“ im Traume und bei Dementia praecox ein Ich-Triebsymbol? Ich
    habe einige Fiille gesammelt.

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    tan hat, was die Jahrhunderte mit ihren Schleiern überdeckt hatten, alles tritt ins
    volle Licht.“ (Bostmortale Psychoanalyse )

    IV. Diese „Aufhebung der Verdrängung“, die hier als organisch
    (Gebrechen unserer Natur) gedacht wird, vollzieht sich auch bei der infantilen
    Regression und bei der Initiation!) Es gilt, das Gemeinschaftliche aus
    diesen zwei Tatsachenkomplexen zu finden. Das Problem des relativen Wahrheits-
    gehaltes (wie im „gebrochenen Spiegel) des Schirophrenen, die Mythenbildung und
    die Dementia praecox als „abortive Initiation“ sind nur so diskussionsfühig zu
    machen.

    V. Das Ich (die Monade, der Pilger in verschiedenen Mythen”), die Ahnen-
    erinnerung, die Reinkarnation und so weiter) ist eine implicite Mannigfaltigkeit, die
    durch die postmortale Autopsychoanalyse die Erfahrungen des irdischen Lebens
    (Komplexe), es ist also Putnams sublimicrender Grund des moralischen Impulses,
    zu Vermögen sublimiert. Ohne Theosophie ist keine wissenschaftliche
    Redukation möglich. Als Ende des „Sterbens“ und des Initiation ist hier auch der
    Anfang der „Geburt“ und der Wiedergeburt im Leben gegeben. Bei geheilten
    Fällen von Dementia praecox kann man bisweilen diese drei Phasen
    der Initiation, Sterben, Devacha und Reakirnation wieder erkennen.
    Die alte Lehre von der „Prüfung zur Initiation“ ist der Jung'schen Theorie von der
    Dementia praecox nahe verwandt.

    Ich möchte folgenden für mich sehr instruktiven Fall berichten: Ein Kata-
    toniker, Patient des Professor Gelgersma Leides (Endegeest), der seit Jahren nicht
    mehr gesprochen hat, wurde von einem mir befreundeten Maler (J. J. Doeser), einem
    Theosophen, dessen künstlerisches Sehnen nur die Wiedergeburt der Mysterien ist,
    gemalt. Nach stundenlanger Konzentration sagte der Kranke, der regungslos dage-
    standen war, plötzlich „ja“ (wie das deutsche Ja).

    Was der gelehrte Psychiater nicht vermocht hatte, konnte die kiinstlerische Ein-
    fühlung erreichen: Die ,devachanische" Stufe des von der Krankheit nicht berührten
    Ichkomplexes zur Mitteilung zu reizen. Von unserem theosophischen Gesichtspunkt
    glaubten wir in diesem Patienten, (es handelt sich in diesem um einen hesonderen
    Fall und nicht um alle Kranken) eine ,abortive Initiation“ (die nicht zur vollständigen
    Wiedergeburt führte) annehmen. zu dürfen. Das Gemälde befindet sich im Be-
    sitze des Herrn H. P. van Tuyll van Terooskerkes, Amsterdam Koniginenweg 191.

    Durch Einfühlung in diese devachanische Stufe der Psyche kann man bei
    Künstlern experimentell*) höchst interessante ,autosymbolische Haluzinationen“ von
    wunderbarer Schönheit auslösen, deren Analyse jedoch nicht leicht ist. Einen Teil
    des diesbezüglichen Materiales habe ich Herrn Dr. B. van de Linde, Huites (Holland),
    Mitarbeiter der Zeitschrift für Psychoanalyse übergeben. Die diesbezüglichen Ex-
    perimente sind meines Erachtens nach der Schlüssel zu der Magie der Initiation.
    (Vergl. z. B. de Jong, Das ankike Mysterienwesen, 78 u. f.) Dr. Resink.

    1) Vgl. Secr. Doctr. IIT 435: Sobald jemand ins Noviziat tritt, ergeben sich
    gewisse geheime Wirkungen. Die erste dieser Wirkungen ist, dass alle verborgenen
    Seiten der Menschennatur nach auswärts fliessen, seine Fehler, seine Gewohnheiten,
    seine guten Eigenschaften oder seine unterdriickten Wünsche, gleichgültig, ob sie
    gut, schlecht oder gleichgültig sind.

    2) Z. В. die gnostische Hymne „Robe of Glory“, übersetzt von G. В. S. Mead
    in „World Mystery“, soweit ich mich erinnere.

    3) Auch telepatisch und psychometrisch.

  • S.

    Varia. 417

    Uber Echtheit und Unechtheit von Gefühlen.

    In dem Rahmen dieses Problemes behandelt Willi Haas in der „Zeitschrift
    für Pathopsychologie* einige hochinteressante allgemeine Bestimmungen, die als philo-
    sophische Gesichtspunkte fiir die Psychoanalyse in Betracht kommen. Nicht Quali-
    täten, sondern allein die Struktur des Ich, meint der Autor, ist bestimmend fiir
    Echtheit und Unechtheit. Ist also das Ich einer gegebenen Zeit einheitlich, 8
    heisst, folgt es nur der Grundrichtung, so resultiert die Echtheit des entsprechenden
    Gefiihls. Dagegen ist, um ein Gefühl unecht sein zu lassen, notwendig, dass es
    Tendenzen repräsentiere, welche ausser der Grundrichtung vorhanden sind. Doch
    muss man bedenken, dass mit der formalen Einheitlichkeit der Grundrichtung sehr
    wohl eine Doppelheit von Gefühlen vereinbar ist. Das echte Gefühl ist das der
    tieferen Schichte im Gegensatz zu dem der oberflåchlichen, und es ist ein Wider-
    stand aus tieferer Schichte, der ein Gefühl zum unechten macht. Es gibt in der
    Tat ein Erlebnis, in welchem dus Spezifische der Type absolut eindeutig zum Be-
    wusstein kommt. Es ist in Sonderheit der Fall des aufsteigenden Geftihls: wie
    wenn etwa in einer Situation der Zorn oder die Trauer nicht plötzlich packt, sondern
    allmählich eindringt. Wir erleben da, wie das von den aufsteigenden Gefühlen noch
    gänzlich freie Ich in merkwiirdiger Weise das Gefühl der Ruhe und Indifferenz seiner
    neuen Bestimmtheit opfern muss. Damit zugleich haben wir aber ein sicheres Ge-
    fühl, dass es unsere eigentliche Bestimmtheit ist, und wir fühlen uns in unserer
    Ruhe in eigentiimlicher Weise bedroht und erschüttert. Sie erscheint als unecht.
    Das von dem herannahenden tieferen Gefühl noch freie Ich fühlt sich der neuen
    Bestimmung ausgeliefert. Selbst wenn nur ein Gefühl im Bewusstsein gegeben ist,
    wenn es also eo ipso echt ist, kann die Unwidersprochenheit noch ausdrücklich durch
    ein Gefühl von der Einstimmigkeit mit den inneren Tendenzen des Ich sich kund-
    geben in dem Erlebnis, das wir mit den Worten beschreiben: Ich bin wahrhaft
    glücklich. Ebenso kann die Unechtheit noch im besonderen Gefühl der Oberflåch-
    lichkeit betont sein, so namentlich wie wenn ein Gefühl absichtlich hervorgerufen
    ist, wie wenn ich für jemanden Sympathie heuchle und dieses Gefühl tatsächlich in
    irgend einem Grade entsteht; dann widerspricht ihm als unechten nicht nur das
    Gefühl innerer Indifferenz, sondern man hat noch ein besonderes Gefühl seiner
    Forciertheit.

    Es kann sich auch das Gefühl der Gültigkeit und Eigentlichkeit bisweilen an
    ein unechtes Gefühl heften. Diese fålschende Verschiebung erklärt sich daraus,
    dass oft fiir ein unechtes Gefühl gerade weil es der Grundrichtung widerspricht, be-
    sonders wirksame Motive bestehen, die sein Festhalten wünschenswert machen, um
    ihm so im Gefühl der Eigentlichkeit für's Bewusstsein die Echtheit zu verleihen. In
    der Gesamtheit dieser Erlebnisse, des Giiltigkeitsgefiihles fiir das Echte, des Un-
    eigentlichkeitsgefühles für das Unechte, erschöpft sich das Echtheits- beziehungsweise
    Unechtsbewusstsein. Der eine Begriff der Tiefe hat mit dem für Echtheit nicht das
    geringste zu tun. So wird zum Beispiel eine tief erlebte Trauer unecht, wenn ihr
    in der tieferen Schicht ein leichtes Gefühl der Gleičhgiiltigkeit widerspricht. Der
    zweite Begriff der Tiefe ist der, welcher diese an die Zugehörigkeit zum Ich als
    Charakter misst. Der Gesichtspunkt der Anordnung ist also die zum Teil fixierte
    zum Teil noch im Fluss befindliche Persönlichkeit und der Grad der Tiefe wird be-
    messen nach dem Grade, in dem das Gefühl als für die Konstituierung des Charakters
    wesentlich betrachtet wird. Zwischen echtem und charakteristischem Gefühl besteht
    gar kein innerer Zusammenhang, so dass ein Gefühl, das dem Charakter widerspricht,
    sehr wohl echt sein kann. Es entspricht etwa meinem Wesen froh und lebendig zu
    sein, aber ich bin in einer gewissen Situation missgestimmt und gelähmt, habe
    aber ein deutliches Bewusstsein, dass ich meiner Natur nach froh sein sollte. An-

  • S.

    418 Varia.

    dererseits mag ein im übrigen fir das Individuum charakteristisches Gefühl als un-
    echt auftreten und bleibt charakteristisch, wie in diesem Beispiel der Frohsinn. So
    pflegen unechte Gefühle überhaupt charakteristischer zu sein als echte und reichere
    Ausbeute fiir die Feststellung der Individualität zu liefern. Schon deshalb, weil
    die Zahl allgemein zirkulierender Gefühle, die widerspruchslos angenommen werden,
    sehr gross ist, und die fiir den einzelnen charakteristischen Gefühle erst neben diesen
    zu finden sind. Nur muss die Bedeutung der unechten Gefühle erst erschlossen
    werden durch Rückgang auf vielleicht unbewusste Motive, die das unechte Gefühl
    zur Folge hat. So wird man in die Individualität selbst geführt und entdeckt in
    ihr verborgene Regungen.

    Für die Psychoanalyter sind die Ausführungen über die Phänomenologie des
    Widerspruchs der Empfindungen interessant. Es muss immer ein echtes Gefühl da
    sein. Das unechte Gefühl kann isoliert nicht vorkommen. Die beiden Gefühle
    mögen nebeneinander ruhig liegen. Es tritt eines der beiden zum anderen in die
    eigenartige Beziehung zur Tiefe — etwa der besonders dazu prüdestinierte Eckel als
    das tiefere — meist aber nicht notwendig wird mit dieser grundsätzlichen Verän-
    derung der Dignität auch die Tendenz, zur Irradiation sich einstellen. Das will dann
    sagen, dass der Eckel eine solche Stelle im Ich hat, dass er, sich auf sein ursprüng-
    liches Objekt nicht mehr beschrünkend, die innerliche Verfassung des Ich allein be-
    stimmt, und so ist damit, dass im Grunde alles eckelhaft erscheint, auch das noch
    vorhandene Gefühl der Sympathie für eine andere Person unecht. Gerade für die
    unechten Gefühle bestehen Motive, die sie wünschenswert sein lassen. Eine Person
    hatte etwa Gründe, eine andere ihren Zorn fühlen zu lassen oder ihr Mitleid, ob-
    gleich es echt ist, zu verbergen. Sie flieht also vor diesem, und verbohrt
    sich gleichsam in den Zorn, dessen Intensität dadurch unnatiirlich steigernd. Und
    die Scheidung zwischen echtem und unechtem Gefühl kann phünomenal so weit
    aufgehoben sein, dass sie zu einem relativ einheitlichen Mischgefühl ver-
    schmelzen.

    Es gibt einen Punkt im Ich, der in jedem Moment die Erlebnisse fundamental
    sondert, in echte und unechte. Ihn müssen die Erlebnisse passieren, um in die
    Schichte der Echtheit einzurücken welche das neue Verhültnis zum leh, das der
    Eigentlichkeit bezeichnet. Dieser kritische Punkt verschiebt sich bestündig im Ab-
    lauf des Psychischen und ist einer fortwährend variierenden Reizschwelle vergleich-
    bar. Das echte Gefühl ist gleichsam der stumme Hüter der Schwelle. Es gibt für
    das Passieren des kritischen Punktes ein Erlebnis: das Spielen mit einem Gefühl,
    das unecht ist, wir haben auch das Bewusstsein, innerlich nicht berührt zu werden.
    Aber plötzlich erfolgt ein Umschlag und, was bisher unecht und äusserlich war,
    wird plótzlich unweigerliche Bestimmtheit des Ich. In dieser Umkehr passiert also
    das Unechte den kritischen Punkt und besetzt dio Schichte der Echtheit. Indem
    das echte Gefühl für jeden Moment die Lage des kritischen Punktes angibt, ist es
    auch der einzige Massstab, an dem Echtheit und Unechtheit gemessen werden
    kónnen.

    Man kann ein phünomenales Datum in immer tiefere Schichten zurückverfolgen,
    Bestimmtheit taucht hinter Bestimmtheit auf, ohne dass sie phánomenal gegeben
    würen. Und eine Psyche ist desto komplizierter, je weniger die Bedeutung eines
    phünomenalen Datums, sich in dem, was eben phiinomenal ist, erschöpft, je reicher
    die müglichen Ersetzungen sind. Es entscheidet weder die Aufrichtigkeit noch Un-
    aufrichtigkeit der Überzeugung, noch die der Willensrichtung über Echtheit und Un-
    echtheit des Gefühles; die erste nicht, weil sie sich schon auf das schon Fixierte
    bezieht, die letztere nicht, weil sie nicht alle in der bestimmten Zeit gegebenen Ten-
    denzen übersehen kann. Interpretiert man den Tatbestand der Echtheit und Un-

  • S.

    Varia. 419

    echtheit mit Riicksicht auf die Gesamtheit des Ich, so kann man sagen: Die Vor-
    handenbeit des unechten Gefühls als des aus der Tiefe widersprochenen weist hin auf
    den Mangel innerer Einstimmigkeit. Einen grundehrlichen Charakter nennt man
    den, bei dem durch Naturanlage oder Selbsterziehung die unechten Gefühle gänzlich
    ausgeschaltet sind.

    Die Verpflichtung des Namens.

    In seinen Memoiren berichtet Benvenuto Cellini von einer Reise, die
    er mit zwei Männern nach Venedig machte. Der eine hiess Trebolo, der andere
    Lamentino. Also im Deutschen ausgedrückt Zitterer und Jammerer. Beide machten,
    wie der Übersetzer bemerkt, ihrem Namen grosse Ehre. Sie waren beide ausser-
    ordentlich furchtsam. Jammerer und Zitterer bewährten sich auf der ganzen Reise
    als das, was ihr Name von ihnen kündete. Stekel.

    Eine Verwahrung gegen irrtiimliche Beurteilung der Jugend-Psychanalyse.

    Die unterzeichneten Pädagogen erklären gegenüber der auf irrttimlichen und
    einseitigen Annahmen beruhenden in Breslau beschlossenen „Warnung vor den Uber-
    griffen der Jugend-Psychanalyse*:

    1. Mit den beiden Hauptsätzen der Erklärung sind wir einverstanden. Wir be-
    trachteten die psychanalytische Methode von jeher lediglich als eine Methode
    neben anderen und verwerfen ihre direkte Anwendung am normalen Kinde, so-
    fern sie zu einer ,Entharmlosung“ (Stern) führen kann.

    2. Dagegen halten wir eine vorsichtig angewendete Psychanalyse gewisser kranker
    Kinder durch den taktvollen und kundigen Arzt oder unter seiner Leitung durch
    den besonders ausgebildeten Erzieher für ein höchst wertvolles Mittel zur Heilung
    und ,Verharmlosung“, zumal wo ein Kind unter bewussten oder unbewussten
    hässlichen Vorstellungen bereits leidet; vor dilettantischer Kinderanalyse ist zu
    warnen.

    3. Die Pädagogik hat ein starkes Interesse an der Ausbildung der wissenschaft-
    lichen Pädanalyse, sofern die an kranken Kindern und Jugendlichen, sowie an
    Erwachsenen gewonnenen Analysen wichtige Rückschlüsse auf die psychologi-
    schen Vorgänge und die pädagogische Beeinflussung normaler Kinder zulassen.

    4. Die Unterzeichner der Breslauer Erklärung kennen nur die eine Seite der Psych-
    analyse: Die Untersuchung und Aufdeckung der Sexualität. Wir sehen jedoch
    in der Psycho-Analyse, der Bedeutung des Wortes entsprechend, nicht nur dies.
    Denn wir sind überzeugt, dass auch diejenigen Kräfte des unbewusten Seelen-
    lebens zu erkennen sind, die den Menschen seiner hóchsten Bestimmung zu-
    führen. Somit wird die Psychanalyse ganz besonders auch bewusst zu machen
    haben, welche unbewussten Hemmungen zu beseitigen, und welche persónlichen
    Lebensaufgaben zu erfüllen sind. In wissenschaftlicher Hinsicht soll die Pád-
    analyse denjenigen Interpretationen den Vorzug geben, die den Normen der In-
    duktion entsprechen.

    H. Baur, Pfarrer in Basel; G. Blattmann, Lehrer in Luino (Italia); Uni-
    versitütsprofessor Dr. P. Bo vet, Direktor der „Ecole des Sciences de l'Education
    (Institut J. J. Rousseau)“, Genf; Prof. Dr. med. E. Claparède, Redaktor der
    „Archives de psychologie“, Genf; E. Etter, Pfarrer in Rorschach (Kt. St. Gallen);
    Th. Flournoy, Prof. der Psychologie an der Universität Genf; U. Heller, Pfarrer
    a. D. Direktor des Knabeninstitutes Rorschach; R. Heusser, Lehrer in Zürich;

  • S.

    420 Varia.

    Adolf Keller, Pfarrer in Zürich; Prof. Dr. W. Klinke, Seminarlehrer für Påda-
    gogik, Zürich; Ernst Linde, Lehrer und Schriftleiter, Gotha; A. Lüthi, Seminar-
    lehrer für Pädagogik, Küsnacht (Kt. Zürich); Dr. phil. O. Mensendieck, Lehrer
    am Sanatorium Dr. Bireher, Zürich; Prof. Dr. О. Messmer, Seminarlehrer für Püda-
    gogik, Rorschach (Kt. St. Gallen); J. Niedermann, pädagogischer Leiter des årztl.
    Landerziekungsheims Breitenstein, Ermatingen (Kt. Thurgau); Ad. Pfister, Lehrer
    in Zürich; Dr. phil. O. Pfister, Pfarrer und Seminarlehrer, Zürich; Dr. F. Pinkus,
    Schriftleiter der Zeitschrift für Jugenderziehung und Jugendfiirsorge, Zürich; Dr. E.
    Schneider, Dir. des kant. Oberseminars, Bern; Dr. phil. Eugenia Sokolnicka,
    Zürich; J. Stelzer, Sekundarlehrer, Meilen (Kt. Zürich); H. Steiger, Sekundar-
    Jehrer, Zürich; A. Waldburger, Irrenhausgeistlicher, Ragaz (Kt. St. Gallen).

    Redaktionelle Mitteilungen.

    Eine „Zeitschrift für Sexualwissenschaft" (Internationales Zentralblatt für
    die Biologie, Psychologie, Pathologie und Soziologie des Sexuallebens) werden Pro-
    fessor A. Eulenburg und Dr. Iwan Bloch im Verlage von A. Marcus & Weber
    (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn herausgegeben.

    Dr. Max Hirsch (Berlin) gibt ein neues Archiv heraus: Das Archiv fiir
    Frauenkunde. Es soll das gesamte Frauenleben von biologischen und psycholo-
    gischen Gesichtspunkten erforschen. Eine Reihe bedeutender Mitarbeiter sichert
    dem Archiv ein allgemeines Interesse.

    Grenzfragen der Medizin und Pädagogik. Unter diesem Titel gibt Dr.
    Wilhelm Stekel eine längere Reihe kleiner Schriften heraus, die sich mit den
    Erziehungsfragen auf Grund ärztlicher Erfahrung befassen werden. Die ersten Hefte
    enthalten: Amtsgerichtsrat Dr. Erich Wulffen: Kriminalität und Erziehung; Dr.
    Magnus Hirschfeld und Dr. Ernst Burchardt: Homosexualität und Erziehung;
    Dr. Beni Buxbaum: Der Kopfschmerz ein Erziehungsproblem; Dr. Wilhelm
    Stekel: Die Prophylaxe des Stotterns. Mitarbeiter, welche einschligige Themen
    behandeln wollen, werden ersucht, sich an Dr. Stekel zu wenden. Der Umfang
    jeder Arbeit darf drei Druckbogen nicht überschreiten.

    In der im Verlage von L. Staackmann in Leipzig erscheinenden neuen Revue
    „Der Turmhahn' behandelt Dr. Wilhelm Stekel die Wandlungen der Psycho-
    analyse in einem Artikel „Probleme der modernen Seelenforschung*,