S.
Varia. 675
Varia.
Zur Symbolik der Schlange und der Kravatte. Eine sehr bezeichnende
Zeichnung überreichte eine ⑲ jahrige Manische dem Anstaltsarzte:Die Verwendung der Kravatte als phallisches Symbol im Sinne der Freud-
schen Ausführungen ist vollkommen klar. H, R.Der bekannte Lyriker und Arzt, Hugo Salus stellt uns das folgende, noch
nicht veröffentlichte, Gedicht zur Verfügung:Der Knabe.
Was ist’s nur, was des Knaben Auge bannt?
Was zwingt ihn, vor der Mutter Bild zu stehn,
Es trocknen Munds und keuchend anzusehn!
Dies Bild hing doch seit je an dieser Wand.Wo los’ das Kleid den weissen Hals umspannt,
Wölbt sich ein Hiigelpaar: das anzuseh'n,
Drångt es den Knaben vor dem Bild zu stehn.
Ach, wär’s nur nicht zu hoch für seine Hand!Wie oft er auch die eigne Brust berührt,
Ob sie geheimnisvoll und weich und mild
Zu Hiigeln schwillt: nie hat er was verspiirt!Da kommt die Mutter. Er umarmt sie stumm,
Nie dacht” er an die Mutter vor dem Bild!
Nun schluchzt er auf und weiss doch nicht, warum . . .Psycho-Analyse Roosevelts. Unter den verschiedenen Wiirzen des jetzt
in Amerika mit grósster Erbitterung geführten Kampfes um die Pråsidentenwiirde
verdient eine unsere besondere Aufmerksamkeit. Es, wurde nämlich der Versuch
gemacht, die Persönlichkeit des einen der beiden Vorkåmpfer in die Beleuchtung der
modernen Psychologie zu rücken. In der Wochenausgabe der „New York Times“S.
676 Varia.
(24. März 1912), einem der bedeutendsten amerikanischen Blätter, erschien ein aus-
führlicher Artikel von Dr. Morton Prince unter dem Titel „Roosevelt, durch die
neue Psychologie analysiert“ り 。 Der Artikel, der die erste Seite des Blattes einnimmt,
hat wie zu erwarten stand, erhebliches Aufsehen erregt. Um europäische Leser
mit dem Gegenstande vertraut zu machen, ist es notwendig, eine kurze Darstellung
des Standes der Wahlkampagne zu geben, Eines der feststehendsten Regierungs-
Prinzipien Amerikas ist von der Zeit Washington's an stets das ungeschriebene
Gesetz gewesen, dass kein Präsident öfter als zweimal dieses Amt innehaben soll.
Da der Präsident grossen Kinfluss auf die administrative Durchführung der Wahlen
hat, ist es angenscheinlich der Zweck dieses Prinzips zu verhindern, dass irgend-
wann ein Einzelner versuche, sich durch demagogische Mittel an das Volk zu wenden,
um so zum tatsächlichen Diktator zu werden. Die Furcht vor einer Diktatur scheint
in Amerika bemerkenswert stark zu sein und man geht von der Ansicht aus, dass
jeder, der dem eben erwähnten Prinzipe nicht anhångt, ein Veriter der heiligsten
Güter seines Landes sei und nicht mehr als Ehrenmann gelten kønne. Zur Zeit als
Roosevelts zweite Amtsdauer zu Ende ging, im Jahre 1908, kiindigte er formell an,
dass er „unter keinen Umständen nochmals als Kandidat auftreten werde“, Selbst-
verständlich wurde er als künftiger Präsident nicht mehr in Rechnung gezogen,
aber nach der Rückkehr von seiner berühmten afrikanischen Reise mischte er sich
mehr und mehr in die Politik ein, und allmählich wurde es klar, dass er willens
war, sich wiederum der Wahl zu unterziehen. Wie eben gesagt, geschah dies nur
langsam und schrittweise. Abweisung nach Abweisung wurde verlautbart, während
seine Freunde das Gefühl des Landes erforschten, um zu erfahren, ob es möglich
wäre, das Volk zu einem Bruche mit dem 120 Jahre lang ununterbrochen gepflogenen
Brauche zu bewegen, ohne dabei seine rebuplikanische Überzeugung allzusehr zu
verletzen. Der gegenwärtige Präsident Taft war Roosevelts intimster Freund und
als der letztere im Jahre 1908 zurücktrat, war es ausschliesslich sein Einfluss, durch
den Taft als sein Nachfolger gewählt wurde. Seine Absicht scheint es gewesen
zu sein, in absentia durch Taft zu regieren, der das von Roosevelt begonnene Werk
zu Ende führen sollte. Taft zeigte jedoch unmittelbar nach seiner Wahl seine Un-
abhängigkeit von seinem Vorgänger und folgte seinen eigenen Plänen, die ihm wo
nicht die sensationelle Popularität Roosevelts, so doch das Vertrauen des amerika-
nischen Volkes erworben haben.Roosevelt entrüstete sich bei seıner Rückkehr nach Amerika über Taft’s Politik,
brach die frühere Freundschaft ab und begann bald ibn in ungemässigter Sprache an-
zugreifen. Der Zwist der beiden wurde in letzter Zeit ungewöhnlich bitter und
persönlich; so hat zum Beispiel Roosevelt in einer seiner letzten Reden Taft be-
zeichnet wie folgt: „ein Undankbarer, ein Unterdrücker der Wahrheit, ein unehr-
licher Freund und kein Gentleman“. Taft, obwohl er anfangs zu diesen Angriffen
schwieg, begann zu erwidern und hat Roosevelt einen „Neurotiker“ und einen
„Heuchler“ getauft.Dr. Prince geht auf diese persönlichen Beziehungen zwischen den beiden
Antagonisten nicht oder doch nur oberflächlich ein, aber er versucht die Entwicklung
von Roosevelt’s Gesinnungsänderung in der Frage einer dritten Amtsführung nach-
zuweisen. Seine These ist, dass Roosevelt's übermüchtige Herrsucht anfänglich durch
seinen Ehrsinn in Schach gehalten wurde, dass sie ihn aber nun mit Hilfe ver-1) Wir möchten bei dieser Gelegenheit betonen, dass wir mit der Tendenz,
die Psychoanalyse zu Eingriffen in das Privatleben zu benützen, durchaus nicht ein-
verstanden sind. Die Redaktion.S.
Varia. 677
schiedener Freunde und unterstützt durch seinen Ärger über Taft's Haltung, über-
wältigt bat. Er meint, dass Roosevelt's Wunsch ein drittes Mal Präsident zu werden,
zuerst verdrängt war, dass er sich aber durch eine Anzahl von Handlungen verriet,
welche jenen, die Freud in der ,Psychopathologie des Alltaglebens* beschreibt,
durchaus analog sind. Der Widerstand und die Hemmungen wurden nach und nach
besiegt, so dass der Wunsch schliesslich mittelst einer Reihe von Rationalisierungen
mit den höheren Instanzen des vollen Bewusstseins vereinbart wurde. Die ver-
schiedenen Stadien dieses Prozesses verfolgt er bis ins feinste Detail und manche
der von ihm mitgeteilten Beispiele von Roosevelt's Verlesen, Verdrehen, Missver-
stehen, von seinen Sprech- und Schreibfehlern etc. sind mit bemerkenswerter Gründ-
lichkeit und Genauigkeit analytisch verwertet; natürlich waren sie durch den alles
andere überwältigenden Wunsch determiniert, der schnell an die Oberfläche gelangte.
Dr. Prince verweist aus Höflichkeit manche Wünsche und Motive ins Unbewusste,
die eher vorbewwsst oder völlig bewusst waren; er gestand mir privat, dass er
wirklich die letztere Ansicht für die richtige halte. Es ist jedoch wahrscheinlich,
dass der Ehrgeizkomplex anfänglich einem gewissen Grade von Verdrängung unter-
worfen war, bis die im Volke vorwaltende Gefühlseinstellung es möglich machte,
ibn offen auszusprechen, Ernest Jones.Dr. L. H. Eisenstadt veröffentlicht in den „Deutschen Nachrichten“ vom
28. April und vom 4. Mai 1912 einen Aufsatz: „Über die Sterblichkeit der Post-
und Eisenbahnbeamten“, dem wir folgende für uns wertvolle Stelle entnehmen.
„Hier bekommen wir auch einen Schlüssel zum Verständnis für das massenhafte
Auftreten der Nervenkrankheiten und namentlich der Neurasthenie bei den Post-
beamten. Für die Anhänger der Lehren des Wiener Nervenarztes Prof. S. Freud
bleibt es recht zweifelhaft, ob die ungeheuere Verbreitung dieser Krankheiten bei
den Beamten, Lehrern, Lehrerinnen, Beamtinnen, weiblichen kaufmännischen An-
gestellten als ein Zeichen fortschreitender angeborener Degeneration des Nerven-
systems zu deuten ist. Sondern es handelt sich meist um rein erworbene Zustände,
die auf die starken von unserer Kultur verlangten Hemmungen des Trieblebens
zurückzuführen sind. Prof. Freud!) sagt zwar von seinen Lehren, dass kein
deutscher Psychiater sie anerkenne. Aber weshalb strömen ihm aus den Reihen
der praktischen Ärzte immer mehr Anhänger zu? Weil sie aus der Praxis heraus
sich von der Wahrheit seiner Anschauungen über die Entstehung der Neurose über-
zeugen. Es ist ja auch zu bedenken, dass die Postbeamten, wenn auch nicht so
peinlichst ausgewählt wie die Lokomotivführer, dennoch sämtlich vor dem Kintritt
in ihre Laufbahn ärztlich untersucht und gewiss bei vorhandenen schweren Nerven-
erkrankungen gar nicht zu ihrer Laufbahn angenommen werden.“Med.-Rat. Prof. Dr. P. Näcke, Bemerkungen zu den Freud schen Symbolen.
H. Gross’ Archiv Bd. 47, kleinere Mitteilungen,Vieles an den „sog. Symbolen“ Freud’s, ,d. h. Bildern, Worten, die den innern
und speziell den sexuellen Komplex mehr oder weniger sicher anzeigen“, hält Verf, für
richtig, meint aber, es werde darin, wie auch sonst in den Freud’schen Theorien,
alles masslos übertrieben, Und er empfiehlt, das , Phantastische, rein Willkürliche der
Traumdeutungen" bei Freud, Steckel, Bleuler nachzulesen. In Bleulers Dem.
praecox wird behauptet, das Träumen von Schlangen, Rüben, Degen usw. bedeute
stets den Penis. Weil Näcke selbst und seine Umgebung nicht von Schlangen1) Über Psychoanalyse F. Deuticke 1912.
S.
678 Varia.
träumt, hält er Schlangentriiume überhaupt für sehr selten! Was übrigens nichts
gegen die von der Freudschen Schule behauptete symbolische Bedeutung beweisen
würde, Allein der Verf. hat einen besseren Gegenbeweis. Ihm triumte, er sehe
auf seinem linken Oberschenkel, etwa in der Mitte, nach oben eine långliche, ovale,
sich bewegende Geschwulst. Er betrachtet sie mit Neugier und sieht wie sie sich
öffnet und daraus ein langes, irgendwie gefirbtes Ding in Windungen sich ent-
wickelt. Er verfolgt das Ende und findet richtig, ganz nahe dem Knie zustrebend,
einen Schlangenkopf.Die sexuelle Natur dieses Traumes bestreitet Verf., da er dabei nichts Sexuelles
tråumte oder fühlte und „die Schlange ausserdem mit dem Kopf nach aussen, nicht
nach dem Körper sich wandte,“Den ersten Teil seiner Begründung hätte sich Nåcke gewiss erspart, wenn
er an seine eigene Definition fir das Wort Symbol gedacht hätte; jeder Freud'sche
Abc-Schtiler wird darüber lächeln; denn wenn der Traum seinen sexuellen Inhalt
direkt darstellen wollte, wozu brauchte er denn noch ein Symbol? Und was den
zweiten Teil anbetrifft, so bleibt, da Näcke ja keine Frau ist, nicht einzusehen,
warum die Schlange sich mit dem Kopf nicht nach aussen, sondern dem Körper
zu hätte wenden müssen, wenn sie ein Symbol für den Penis sein wollte. Nach
dieser Begründung dürfen wir wohl mit Nåcke, wenn auch in umgekehrtem Sinne,
fortfahren und sagen: So wird es sich gewiss auch in vielen anderen Fällen verhalten!
Hübsch ist übrigens in der Traumerzåhlung die genauere Ortsbestimmung fiir das
Phänomen: „etwa in der Mitte“,Verf. erwähnt noch kurz die Angstträume und das Beschmieren mit Kot bei
Geisteskranken. Er beschränkt sich hier auf die Behauptung, dass die sexuelleDeutung häufig nicht zutreffe und verzichtet auf Be weise.
Dr. Mary Stegmann.Zur Genealogie des „Feigenblattes”. Dass gerade das Feigenblatt zum
Verhüllen der Schamteile benützt wird, findet in der symbolischen Identifizierung
des Genitales mit einer Feigenfrucht seine Erklärung. Siehe dazu folgendes Distichon
des Archilochos:»Recht gutherzige Feige am Fels, eine Speise fiir viele
Krähen: die Fremden den Schoss öffnende Pasiliphe.“(Zit. nach „Ars Amandi' у. Richard Nordhausen. S. 30.) Ferenczi.
Metaphysik = Metapsychologie.
„Hoch iiber'm Firmament sucht ich die Quelle
Von Vorbestimmung, Paradies und Hölle.
Da sprach mein weiser Lehrer: Freund, in dir
Allein sind Kismet, Paradies und Hölle“,
Sinnspruch Omar's des Zeltenmachers [geb. 1025—1050, gest. 1123]. Deutsche
Verlagsanstalt, 1909.) Ferenczi.Paracelsus an die Ärzte. ,... Und lasst euch das keinen Scherz sein,
ihr Ärzte, ihr kennt die Kraft des Willens nur zum kleinsten Teil. Denn der
Wille ist ein Erzeuger solcher Geister, mit welchen die Vernunft
nichts zu schaffen hat.“ [Paraselcus, Paramirum, Tract. IV. cap. 8.) (Dieser
Spruch enthält die Vorahnung des Unbewussten, dem man rationell nicht beikommen
kann.) Ferenczi.S.
Varia. 679
Goethe über den Realitiitswert der Phantasie beim Dichter. „Es scheint,
da wir Dichter bey der Theilung der Erde zn kurz gekommen sind, uns ein wich-
tiges Privilegium geschenkt zu seyn, dass uns nämlich unsere Thorheiten bezahlt
werden.“ [Brief an Schiller v. 15. Dez. 1795, Reclam Nr. 4148—4150. S. 168.]Ferenczi.
Frank Wedekind hat der Neuauflage seiner Novellensammlung „Feuerwerk“, die
Kürzlich bei Georg Müller in München erschienen ist, eine Einleitung „über Erotik“
vorausgeschickt, der wir einige Stellen entnehmen, welche sich mit unserer Auf-
fassung des Themas in weitgehendem Masse decken. „Unsere Jugend hat es num
aber meiner Ansicht nach gar nicht in erster Linie nötig, sexuell aufgeklärt zu
werden. Eine genauere Aufklärung über Vorgänge und Gefahren der Sexualität
hätte jedenfalls nicht das Haus, sondern die Schule zu besorgen. Das Haus, die
Familie aber hat die heranwachsende Jugend vor allem darüber aufzuklären, dass
es in der Natur überhaupt gar keine unanständigen Vorgänge gibt, sondern nur
nützliche und schädliche, vernünftige und unvernünftige. Dass es in der Natur
aber unanständige Menschen gibt, die über diese Vorgänge nicht anständig reden,
oder die sich bei diesen Vorgängen nicht anständig benehmen können. Die Be-
fürchtung, dass ernste Gespräche über Erotik und Sexualität der heranwachsenden
Jugend Schaden zufügen können, ist das Ergebnis einer grossen Selbsttäuschung.
Die Eltern vermeiden solche Gespräche nicht etwa, wie sie sich einreden, aus Furcht,
ihren, Kindern damit zu schaden, sondern weil sie selber unter sich über erotische
Fragen nicht sprechen können, weil sie ernst darüber zu sprechen nicht gelernt
haben . . . Denn auf keinem anderen Gebiete wuchert so viel Aberglauben, auf keinem
anderen Gebiete sind so viel grundfalsche „Wahrheiten“ im Umlauf, um uns zu den
widersirnigsten Tollheiten zu verleiten, wie auf dem der Erotik und Sexualität . . ,
Aber gerade die rohen zotigen Menschen unter uns sind die unversóhnlichsten,
hartgesottensten Feinde einer ernsten ehrfurchtsvollen Ergriindung erotischer Fragen,
weil sie dadurch um ihre hilligsten, beliebtesten Wirkungen gebracht werden. . . .
Der erste Erirag der sexuellen Aufklårung der Jugend wird sich dann darin zeigen,
dass wir nicht mehr fiir unanståndig halten, was nicht nur den allerfeinsten, aller-
abgeklürtesten Anstand erfordert, sondern was zugleich neben unserem Broterwerb
vielleicht das allerwichtigste Gebiet unseres irdischen Daseins repräsentiert. Nach-
her werden wir auch ohne Schwindelanfälle und Herzbeklemmungen ermessen
können, wie wenig oder wie viel wir Kindern davon mitteilen können, die sich in
ihrer Unwissenheit innig danach sehnen, ernst und ehrfurchtsvoll über ihre Uranfänge
sprechen zu hören,“Schliesslich sei noch ein Ausspruch des Dichters vermerkt, der wie aus tiefer
psychoanalytischer Einsicht, oder was dem ungefähr nahekommt, aus unvorein-
genommener Ansicht der wirklichen Lebensverhältnisse heraus geprägt scheint: „Die
Familie ist ein Bündnis, in dem aus purer Angst, dass es scheitern könnte, über
die Gefahren, die ihm drohen, immer erst dann offen gesprochen werden darf, wenn
es daran gescheitert ist.“ (Rank.Diderot schreibt gelegentlich einer Kritik von Tho mas: Essai sur le caractère,
les moeurs et l'esprit des femmes dans les differéntes siècles (1772) in Grimms
Correspondance: „Das Weib trägt ein Organ in sich, welches der furchtbarsten
Krämpfe fähig ist und in seiner Phantasie Wahnbilder aller Art hervorruft. In der
hysterischen Raserei sind ihm Vergangenheit und Zukunft gegenwärtig. Alle ausser-
ordentlichen Vorstellungen gehen beim Weib von der Gebärmutter aus. NichtsS.
680 Offener Sprechsaal.
ist verwandter als die Ekstase, die Vision, die Prophetie, die Offen-
barung, die sprudelnde Poesie und die Hysterie. Das von ihr ergriffene
Weib empfindet etwas Húllisches oder Himmlisches.“ (Rank).E. T. A. Hoffmann bemerkt in seiner auch sonst psychologisch interessanten
novellistischen Erzählung (Reclam Nr. 5274): Rat Krespel (S. 107): „Nicht einen
Augenblick zweifelte ich daran, dass Krespel wahnsinnig geworden sei, der Pro-
fessor behauptete jedoch das Gegenteil. „Es gibt Menschen,“ sprach er, „denen die
Natur oder ein besonderes Verhängnis die Decke wegzog, unter der
wir anderen unser tolles Wesen unbemerkbar treiben. Sie gleichen
dünn gehäuteten Insekten, die im regen sichtbaren Muskelspiel missgestaltet er-
scheinen, ungeachtet sich alles bald wieder in die gehörige Form fügt. Was bei
uns Gedanke bleibt, wird dem Krespel alles zur Tat. — Den bitteren
Hohn, wie der in das irdische Tun und Treiben eingeschachtete Geist ihn wohl oft
bei der Hand hat, führt Krespel aus in tollen Gebärden und geschickten Hasen
springen. Das ist aber sein Blitzableiter. Was aus der Erde steigt, gibt er wieder
der Erde, aber das Gottliche weiss er zu bewahren; und so steht es mit seinem
inneren Bewusstsein recht gut, glaub’ ich, unerachtet der schein-
baren, nach aussen herausspringenden Tollheit.“ (Rank)Der Symbolist.
Ein kleines Gedicht von Frank-Wedekind, das ein autoerotisches Geständ-
nis enthält, verdient weitere Verbreitung in psychoanalytischen Kreisen:Eine mondbestrahlte blasse Hand
Wand sich nachts aus seinen Decken,
Dass, gelähmt in stummem starrem Schrecken,
Er nur mühsam sich hinweggewandt.Jene blasse, mondbestrahlte Hand
Kehrte manchmal wieder — und im Weichen
Schrieb sie sich in geisterhaften Zeichen
In sein schreckensbleiches Nachtgewand. Stekel
Offener Sprechsaal.
Ich bitte die analytisch tätigen Kolegen, bei ihren Patienten solche Träume,
deren Deutung zum Schlusse berechtigt, dass die Träumer in frühen Kinder-
jahren Zuschauer sexuellen Verkehrs gewesen sind, zu sammeln und
sorgfältig zu analysieren. Es bedarf gewiss nur einer Andeutung, um verstehen zu
lassen, dass diesen Träumen ein ganz besonderer Wert in mehr als einer Hinsicht zu-
kommt. Es können als beweisend natürlich nur solche Träume in Betracht kommen,die in den Kinderjabren selbst vorgefallen sind und aus ihnen erinnert werden.
Freud.Psychoanalytische Bibliothek.
Die Züricher Gruppe der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung hat
im abgelaufenen Winter eine kleine psychoanalytische Bibliothek gegründet, Der
Vorstand der Lokalgruppe wendet sich hiermit höflichst an alle psychoanalytischen
Forscher, mit der Bitte um Zusendung von Separat-Abdrucken ihrer Arbeiten.S.
Offener Sprechsaal. 681
Es ist das Interesse eines jeden Analytikers, dass seine Arbeiten allen anderen zu-
gänglich seien. į
Vielleicht entschliessen sich alle Lokalgruppen zu einem ähnlichen Schritte.
Damit wäre die Frage am klarsten geregelt. Ein jeder Forscher würde dann ohne
weiteres so viel Separat-Abzüge, als es Lokalgruppen gibt, für die Bibliotheken re-
servieren.
März 1912. A. Maeder.Wie sollen wir es mit den Separatabdriicken halten? Ich finde den
Vorschlag von Maeder ,Psychoanalytische Bibliotheken“ zu schaffen ausgezeichnet.
Ich habe einen identischen Antrag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung
gestellt. Besonders wichtig erscheint mir die Sammlung von Separat-Abdriicken und
Zeitungsartikeln, die manche wertvolle Anregung oder bedeutende Beiträge zur
Charakteristik unserer Gegner enthalten können, Es sollte jedes Mitglied der Inter-
nationalen Vereinigung einer jeden Ortsgruppe jede seiner Arbeiten einschicken.
Natürlich sind von dieser Massregel grössere Bücher ausgenommen, weil diese von
den Ortsgruppen aus eigenen Mitteln angeschafft werden,Ich bin aber entschieden dagegen, dass wir Mitglieder der Internationalen
Vereinigung uns die Separata aller jener Arbeiten zusenden, die im Jahrbuch oder
im Zentralblatt erschienen sind, da wir doch wissen, dass alle Mitglieder im
Besitze dieser Periodika sind. In anderen Blättern erscheinende Artikel sind nach
Möglichkeit den Bekannten zuzusenden. Ich muss leider gestehen, dass bei mir
der gute Wille immer vorhanden ist, aber mir zur Ausführung dieser Wünsche die
Zeit mangelt. Ich bitte daher alle Kollegen um Verzeihung, wenn ich ihnen keine
Separata zusende, Ich will sie fürder immer an die einzelnen Ortsgruppen senden.Stekel.
In welcher pådagogischen Heilanstalt kann man einen Jungen von
etwas zurückgebliebener Intelligenz zu mässigem Preise unterbringen ?
Dr. Wladimar Lasersohn, Lodz, Petrikowerstr. 37.Zur Rubrik Literatnr. Die Literaturübersicht des Zentralblattes möchte alle
Leser über alle psychoanalytischen Arbeiten im laufenden erhalten. Dies geht nur,
wenn alle Leser an dieser Rubrik mitarbeiten. Wir ersuchen um Angaben iiber
wissenschaftliche Arbeiten und Aufsätze in den Journalen, welche die Psychoana-
lyse betreffen. Die Autoren ersuchen wir zur Erleichterung des Referierens um Über-
sendung der Separatabdriicke an die Reduktion. Auch die Rubrik Varia, die sich
bei unseren Lesern einer solchen Beliebtheit erfreut, wird fortgesetzt. Alle Leser
sind uns als Mitarbeiter willkommen. Die Redaktion.Druckfehlerberichtigung.
Seite 514, Zeile 20 von oben statt hintern lies hindern.Bi E ⑩ 5 s Furchtbarkeit lies Fruchtbarkeit.
» 515, Zeichnung oben rechts, statt Türme lies Türen.Das neue Buch von Stekel „Die Träume der Dichter“ ist soeben im
Verlage von J. F. Bergmann erschienen. Es enthält eine vergleichende Untersuchung
der Diehtertráume und versucht aus den Trüumen Rückschlüsse auf die Anlagen und
Triebkrüfte der Dichter zu ziehen. Es enthült zahlreiche interessante Beitrüge
lebender Dichter und eine ausführliche Analyse der in den Tagebiichern verüffent-
lichten Triume Friedrich Hebbels.S.
632 Literatur.
Freud's ,Psychopathologie des Alltagslebens“ ist soeben in vierter
vermehrter Auflage (Verlag S. Karger, Berlin) erschienen. Es bringt neue Beiträge
von Freud, Ferenczi, Rank, Dattner, Sachs, Jones, Stekel und vielenandern. ЈЕ,
Literatur.
Karl Julius Müller; Das Traumleben der Seele (L. Froeben, Berlin SW 1912). —
Emilio Padovani: Maupassant e il suicidio (Rassaegna di Studi Psichiatrici. Vol. IL.
Fasc. 8). 一 Hoche: Dementia paralytica. Handbuch der Psychiatrie (Franz Deuticke
1912). 一 Spielmayer: Die Psychosen des Rückbildungs- und Greisenalters (Ibidem).
Ebbinghaus: Abriss der Psychologie. IV. Auflage (Veit & Comp, Leipzig 1912). —
Emile Boutroux: William James. Autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Bruno
Jordan (ibidem). — M. A. Schall: Die Ursachen des Selbstmordes (Wissenschafil.
Rundschau, Heft 20. 1912). — Emerson: Psychoanalysis et social service
{Physician and surg. XXXIII. | Kostileff: La psychoanalyse appliquée à
l'étude objective de l'imagination (Rev. philos. April 1912). 一 Babinski et
Dagnan-Bouveret: Emotion et hysterie (J. de psychol. April 1912). — Mayer: Der
Zweifel (Zeitschr. f. Religionspsychologie, Bd, 6. H. 1). — Nagy: Psychologie des
kindlichen Interesses (Leipzig, Otto Nemnich, 1912). — Nagel: Experimentelle Unter-
suchungen über Grundfragen der Assoziationslehre (Arch. f. die ges. Psychol. Bd. 28.
H. 1/2) — Naecke: Zur Kinderpsychologie (H. Gross’ Archiv. Bd. 47. Heft 1/2.
1912). — Tannenbaum: True Neurasthenia from the Freudian Point of
View (Critic and Guide. July 1912). — Brill: A Few Remarks on the Tech-
nique of Psychoanalysis (Med. Review of Reviews. April 1912). — A. Me Lane
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Furtmüller: Ethik und Psychoanalyse (Reinhardt, München 1912). 一 Stekel:
Die Träume der Dichter (J. F. Bergmann. 1912). 一 Das II. Heft der Dis
kussionen der „Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“ ist er
schienen. Es betitelt sich „Über Onanie“ und enthält vierzehn
Beiträge von Dattner, Federn, Ferenczi, Freud, Friedjung, Hitsch-
mann, Rank, Reitler, Rosenstein, Sachs, Sadger, Steiner, Stekelund Tausk. i
zb2191212
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