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Schizophrenie: Traum leitet ihn ein. Im katatonen Anfall uriniert Patient ins
Bett. Der Gesundheitswillen. Der Verdrängungsprozeß hat mit dem Gene-
sungswunsch begonnen. Die Verdrängung scheint mit Objektfindung zu
beginnen.
Dr. Schilder: Typen in der Schizophrenie sind verschieden. Verschiedene
Arten der Regression: jeder Gedanken scheint sich aus Umstande der Sprach-
losigkeit über einen der grammatikalischen Unformuliertheit in die der
sprachlichen Formulierung. Die Sprache als Beeinträchtigungsmoment, des-
halb als zauberisches Mittel.
Dr. Federn hebt die Arbeit Nunbergs hervor. Hat die einzelnen Schichten
dargestellt.
Prof. Freud: Mahnung, nicht zu lesen. Ein Teil ist Erklärung, ein Teil ist
Übersetzung in Terminologie. Schuldbewußtsein ist höher organisierte
Erscheinungsform der Angst. Heilungsmöglichkeit: Lehrreich sind nur Fälle
von partieller Libidoablösung. Oft stößt man auf eine Libidofixierung, die
resistent ist und sich nicht auflöst, von hier kommt es zur Heilung.
22) Sitzung am 7. März 1920:21
Dr. P. Schilder: Über Identifizierung. (IZP 1920, S. 112)
Anwesend: Prof. Freud, Dr. Federn, Dr. Sadger, Dr. Jokl, Dr. Winterstein, Dr.
Nunberg, Dr. Jekels, Dr. Varga, Dr. Weiss, Herr Kohn, Fokschaner, Dr.
Deutsch, Kaplan, Frau Dr. Deutsch, Dr. Schilder, A.J. Storfer, Dr. Nepallek,
Dr. Schmideberg, Anna Freud, Dr. Hitschmann, Dr. Reik, Dr. Rank. Frau Dr.
Hug entschuldigen.
Dr. Schilder hat ein 1-stündiges Kolleg Samstag 12-1 „Psychoanalytische
Demonstrationen" angekündigt.
Prof. Freud kündigt einen griechischen Aufsatz an mit Titel „Der
Ursprung der Sprache und die Freudsche Psychologie."22
Dr. Federn über neue Arbeiten von Steinach über Homosexualität.
Dr. Schilder: Kretschmer und Bleuler Polemik über „Unbewußte" in
"Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie".
Dr. Schilder: Vortrag über „Identifizierung". Lehnt sich an einen Fall von
Homosexualität an. 37-jähriger Mann. Perversion, Interesse für 12-14-
jährige Knaben. Tendenz, für sie zu sorgen, gelegentlich sadistische Tenden-
zen. Erektionen ohne Samenerguß bei Phantasien. Für Frauen kein Interesse.
Verblüffende Unkenntnis der sexuellen Tatsachen, z.B. die Vagina dient auch
zur Abfuhr von Kot. Früher hatte er im Zusammenschlafen den Geschlechts-
verkehr gesehen. Kinderszene aus 8. Lebensjahr: Erektion beim Geschlagen-
werden verbindet sich mit dem Gefühl des Beschämtseins. Sträubt sich gegen
Phimosenoperation. Hat in der Nacht vor Operation Traum, der Fuß werde
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operiert. Erinnerung aus 4. Lebensjahr: Kastrationsdrohung von Mutter und
Kinderfrau. In liebeleerer Umgebung aufgewachsen, sein Bruder wurde von
Mutter bevorzugt, der Vater als krankhaft gütig geschildert. Deckt sich mit
vielen, was Sadger an Homosexuellen gefunden hat. Patient identifiziert sich
mit Knaben, die gezüchtet werden, andererseits mit Mutter. Wesentlich Zärt-
lichkeitsentzug von seiten der Mutter. Identifiziert sich teilweise mit Maso-
chismus des Vaters. Knabe wurde in Entwicklung von Kinderfrau und Mut-
ter. Prinzipielle Fragestellung: Ist die Methode der Symboldeutung oder die
einfacher Ausfragung sicher. Ein Traum eines Schizophrenen: Ein Pferd
stürzt auf die am Boden Liegende los. Die Psychoanalyse hat die zeitlichen
Bedingungen des psychischen Geschehens aufgeklärt. Bemerkungen über
das Zeitproblem. Ein Willensfaktor bestimmt das Auftauchen von Assozia-
tionsverläufen. Jeder Gedanke hat einen unscharfen Rand. Unser vergange-
nes Leben in dem enthalten, was wir momentan erleben. Das Unbewußte
wirft seine Reflexe ins bewußte Leben, erscheinen in Form von Gedanken-
keimen. Die symbolischen Gebilde liegen an Kreuzungsstelle von Bremsun-
gen und Antrieben. Identifizierung: Patient identifiziert sich mit Mutter
(grob sexueller Charakter). Identifizierung wird vom Spiel geschieden. Spiel
besteht in Übernahme einer Rolle. Für Identifizierung wesentlich. Aufnahme
der fremden Persönlichkeit unbewußt. Doppelte Richtung der Aktion: iden-
tifiziert sich mit aktiver und passiver Person. Statt Begriff des Leidens und
Tuns ein Begriff, der beide verbindet, diese Verwischung charakteristisch für
Unbewußte. Für Projektion: Eigene Erlebnisteile werden abgestoßen, aber
nicht vollständig, das Individuum behält Teile bei sich zurück. Lust an moti-
vischen Variationen in unbewußten Aktionen. Wechsel von Projektion und
Identifikation. Ins Objekt abstoßen und vom Objekt übernehmen. Große
Rolle der Prozesse beim Normalen. Die biologische Fixierung der Objekt-
Subjektbeziehungen ist nicht straff, der Traum, Krankheit ist Sprengung der
organischen Form. Ein 30-jähriger Schizophrener hört Stimmen, die Befehle
zum Losschlagen geben. Sein System: Teilchen in sich, die in Fremde cin-
dringen. Identifizierung stört nicht den Persönlichkeitsbegriff. Der Vorgang
der Gleichsetzung außenstehender Persönlichkeiten sollte nicht Identifizie-
rung heißen. Fremdwahrnehmung psychischen Erlebens: Ein Problem der
Psychologie: hier liegt ein primäres psychisches Erlebnis vor. Ist sie nicht oft
auf Projektion und Identifikation zurückzuführen. Die Psychoanalyse wäre
dann Methode, die uns Vermutungen über Bauplan des psychischen Lebens
nahelegt. Die Frage kausaler Wirksamkeit psychologischer Momente z.B. bei
Schizophrenic berechtigt. Die Grenze zwischen ererbtem Physischen und
psychisch Fließendem ist nicht starr. Diese Fragestellung gilt auch für
Homosexualität.
Prof. Varga: Identifikation ist eine allgemeine Erscheinung des sozialen
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Lebens. An bestimmter Stelle fließt Projektion und Identifikation zusam-
men. Das soziale Leben besteht in Identifikation. Die Wirkung einer Rede ist
Identifikation ad hoc. Philosophische Systeme beruhen auf Identifikation.
Dr. Nunberg: Es gibt 2 Identifizierungen: hysterische und narziẞtische.
Bei der hysterischen Identifizierung bleibt Objekt erhalten.
Dr. Federn: Jede Identifizierung setzt eine Projektion voraus.
Dr. Reik einzelne Bemerkungen zur Identifikation.
Dr. Schilder will zwischen Introjektion und Projektion scheiden. Jedes
psychische Phänomen kann man in anderes, in Schattierungen überleiten.
Quantitative Unterschiede gehen in qualitative über. Wieso kommt es, daß
bei gewissen Neurosen diese Mechanismen vorgehen?
Prof. Freud: Fremder Ton im Vortrag, kommt durch verschiedene Wege
ins selbe Material. Die Schule Dr. Schilder kommt von Selbstbeobachtung
her, die Psychoanalyse kümmert sich nicht um Oberfläche. Von Vogel- und
Froschperspektive. Hat verschiedene Arbeitsweisen zur Folge vom psycho-
logischen und metapsychologischen Standpunkt. Die Identifikation ist Art,
Objekte aufzugeben, wird Objektlibido los. Homosexuelle haben Objektbe-
setzung verloren, identifizieren sich mit Mutter, ist Regression ins Ich. Ana-
lyse des Ichs wäre das Resultat, in Instanzen. Ein Einwand: Der Homosexu-
elle identifiziert sich mit Mutter, die Identifizierung mit Knaben gehört der
Vergangenheit an. Alternierende Identifikation mit Vater und Mutter kom-
men vor. Nach Identifikation mit Mutter geht er zur neuerlichen Objektbe-
setzung über.
Dr. Schilder: Schlußwort.
Für den 21. März: Kritiken und Referate.
23) Sitzung am 21. März 1920:23
Mitteilungen und Referate:
a) Dr. Hitschmann: Ein Kastrationstraum als Beitrag zur Genitalsymbo-
lik der Zähne.
b) Dr. Winterstein: „Unheimlich" bei Grillparzer.
c) Dr. Nunberg: Über eine scheinbare Sekretionsstörung.
Dr. Nunberg: Über einen Fall von Melancholie.
d) Dr. Reik: Zur Technik der auf die Geisteswissenschaften angewandten
Psychoanalyse. (IZP 1920, S. 295)
Anwesend: Prof. Freud, Dr. Rank, Dr. Weiss, Dr. Fokschaner und Frau, Dr.
Weiss, Dr. Hitschmann, Frau Dr. Hug, Frau Dr. Deutsch, Dr. Schmideberg,
Dr. Nepallek, Dr. Storfer, Dr. Reik, Dr. Nunberg, Dr. Federn, Herr Peters24,
Dr. Sadger, Dr. Jekels, Dr. Schilder entschuldigt, Dr. Jokl, Dr. Winterstein.
Doz. Pötzl: Freitag 26. in psychiatrischer Klinik Vortrag über Psycho-
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