S.
Die Freud'sche Theorie von der Sexualität etc.
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beifügen, dass der Autor (ähnlich wie bei der Hysterie) die
Symptome der Zwangsneurose nicht direkt von realen sexuellen
Erlebnissen, sondern von an solche sich knüpfenden Phantasien
abhängig erachtet, welch letztere demnach wichtige Mittelglieder
zwischen den betreffenden Erinnerungen und den Krankheits-
erscheinungen bilden. In der Regel sind es Pubertätserlebnisse,
die als Noxe wirken und die bei der Verdrängung ins Infantile.
zurückphantasiert werden, unter Anlehnung an die in der Krank-
heit erlebten accidentellen oder aus der Konstitution fliessenden
Sexualeindrücke (briefliche Mitteilungen des Autors)."
Grundelementen der Theorie: Verdrängung einer peinlichen,
dem Sexualleben angehörenden Vorstellung und Transposition
des mit dieser verknüpften Affektes, wird durch diese Modifi-
kation nichts geändert¹).
Meine eigene Auffassung über die Ätiologie und den
Mechanismus der Zwangsvorstellungen, habe ich in meinem
Werke (Die psychischen Zwangserscheinungen, 1904) ausführlich
dargelegt. Ich habe mich dort dahin geäussert, dass ich, wenn
ich auch in meinem eigenen Beobachtungsmateriale einen strikten
Beweis für die Abstammung bestimmter Zwangsvorstellungen
von verdrängten Erinnerungen des Sexuallebens nicht finden.
kann, doch eine derartige Provenienz von Zwangsvorstellungen
in einer Anzahl von Fällen für wahrscheinlich halte. Bei einer
weiteren Prüfung meiner Erfahrungen habe ich den Eindruck
gewonnen, dass für die selbständige Zwangsneurose (Zwangs-
vorstellungskrankheit) die Freud'sche Annahme in der Haupt-
sache zutreffen dürfte. Die Fälle selbständiger Zwangsneurose
bilden jedoch unter den Erkrankungen mit Zwangsvorstellungen.
nur einen relativ bescheidenen Prozentsatz. Die Entwickelung
der weit häufigeren im Rahmen der Neurasthenie, Hysterie,
Angstneurose, Melancholie etc. auftretenden Zwangsvorstellungen,
wird, wie ich in dem erwähnten Werke dargelegt habe, durch
andere als die von Freud angenommenen Momente bedingt.
1) Gegenwärtig fasst der Autor das Wesentliche seiner Theorie in folgende
zwei Sätze: a) Der psychische Zwang rührt immer von Verdrängung her. b) Die
verdrängten Regungen und Vorstellungen, aus denen das Zwangsprodukt hervor-
geht, stammen ganz allgemein aus dem Sexualleben.
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