S.
301
II
DIE BEDEUTUNG DER VOKALFOLGE.
Erschien 1911 im „Zentralblatt für Psycho-
analyse“, II. Jahrgang, Heft 2.
Es ist sicherlich oft beanstandet worden, daß, wie Stekel behauptet, in
Träumen und Einfällen Namen, die sich verbergen, durch andere ersetzt
werden sollen, welche nur die Vokalfolge mit ihnen gemein haben. Doch
liefert die Religionsgeschichte dazu eine frappanteAnalogie. Bei den alten
Hebräern war der Name Gottes „tabu“; er sollte weder ausgesprochen noch
niedergeschrieben werden; ein keineswegs vereinzeltes Beispiel von der be-
sonderen Bedeutung der Namen in archaischen Kulturen. Dies Verbot wurde
so gut eingehalten, dass die Vokalisation der vier Buchstaben des Gottesnamens
הוהי auch heute unbekannt ist. Der Name wird Jehovah ausgesprochen,
indem man ihm die Vokalzeichen des nicht verbotenen Wortes Adonai
(Herr) verleiht. (S. Reinach, Cultes, Mythes et Religions. T. I, p. 1, 1908.)
freudgs11
301