Eine neue Methode zum Studium des Faserverlaufs im Centralnervensystem 1884-002/1884.3
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    Eine neue Methode
    zum Studium des Faserverlaufs
    im Centralnervensystem.

    Von Dr. Sigm. Freud, Secundärarzt im Wiener Allgemeinen Krankenhause.

    Anknüpfend an eine Vorschrift F l e c h s i g ’s in dem bekannten Werke:
    „Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen etc.“
    empfehle ich das folgende Verfahren zur Darstellung der Nervenfasern auf
    Schnitten des nervösen Centralorganes. Feine Schnitte des am besten in
    E r l i c k i ’scher Flüssigkeit erhärteten Präparates werden in destillirtem
    Wasser von dem Alkohol, mit wel-

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    chem das Wasser des Mikrotoms befeuchtet war, befreit und sodann
    in 1procentige wässerige Goldlösung gebracht, die mit dem gleichen
    Volumen 95procentigen Alkohols versetzt worden ist. Nach 4 bis
    6stündigem Verweilen werden sie mit einem reinen Holzstift heraus-

    gehoben, in destillirtem Wasser gewaschen und in ein Schälchen
    mit starker Natronlauge (1 Teil Natron causticum fusum auf 5–6 Teile
    Wasser) übertragen, in welcher sie meist sofort durchscheinend werden. Nach
    2–5 Minuten werden sie abermals mit einem Holzstift herausgehoben, an
    Filtrirpapier gehalten, sodass die überflüssige Lauge abfliesst, und sodann
    mit dem Rest von Lauge, den sie enthalten, in eine 10procentige Lösung von
    Jodkalium gebracht. In dieser nehmen sie alsbald eine zarte Rosafärbung an,
    die allmählich in dunklere Nuancen von Rot übergeht. Nach 5–10 Minuten
    ist die Färbung vollendet. Die resistenteren Präparate aus dem Centralorgan
    des Erwachsenen können nun durch Abspülen in Wasser von der alkalischen
    Flüssigkeit, die sie noch enthalten, befreit werden, ohne dass man Quellung
    und nachträgliche ungleichmässige Schrumpfung in Alkohol zu befürchten
    braucht. Die zarteren Präparate vom Neugeborenen oder Embryo müssen
    dagegen, zur Vermeidung der erwähnten Gefahren, aus der reducirenden
    Jodkaliumlösung auf einen Objectträger gebracht und daselbst durch An-
    legen oder sanftes Auflegen von Filtrirpapier entlaugt werden, ehe man sie
    in destillirtes Wasser überträgt. Beide Reihen von Präparaten werden dann
    in gleicher Weise aus destillirtem Wasser zuerst in schwachen, dann in absoluten
    Alkohol gebracht und nach den bekannten Methoden eingeschlossen.

     

    Dieses Verfahren der Goldimprägnation versagt nur bei Präparaten,
    welche durch allzu langes Verweilen in Chromsalzlösungen überhart und
    brüchig geworden sind; erweist sich sonst als durchaus zuverlässig und ermöglicht
    die Herstellung gleichmässig gefärbter grosser Schnittreihen. Bei
    ihrer Anwendung erscheinen alle groben und feinen markhaltigen Fasern in
    ausgezeichneter Schärfe dunkel auf lichterem Grunde, sodass bei schwacher
    Vergrösserung ungemein deutliche Faserungsbilder gewonnen werden und bei
    starker Vergrösserung die einzelnen Nervenfasern verfolgt und selbst gezählt
    werden können. Die Nuance der Färbung scheint von der Beschaffenheit des
    Präparates abhängig zu sein und variirt von schwarzer Färbung der Fasern
    auf dunkelrotem bis zu blauer Färbung derselben auf ganz lichtem Grunde.
    Am häufigsten erhält man bei Befolgung der oben gegebenen Vorschriften
    dunkelrotbraune Fasern auf lichtrotem Grunde.

     

    Wie an den Präparaten, die nach der E x n e r ’schen Osmium-Ammoniak-
    Methode und nach der We i g e r t ’schen Säurefuchsinfärbung behandelt
    sind, zeigen sich an unseren Goldpräparaten in reichlicher Anzahl
    feinste markhaltige Fasern in der grauen und weissen Substanz, die durch
    Karminfärbung nicht dargestellt werden können. An Schnitten vom Centralorgan
    des Erwachsenen färben sich auch grosse Nervenzellen und deren
    Ausläufer und tritt überhaupt ein solcher Reichtum an starken und feinen
    Fasern hervor, dass das

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    Faserungsbild meist zu complicirt für die Analyse wird. Dagegen
    ergiebt das hier mitgeteilte Verfahren die brauchbarsten Bilder vom
    Centralnervensystem des Neugeborenen und des Embryos.
    An solchen Präparaten erscheinen blos die Faserungen dunkel gefärbt, während
    Gefässe, Nervenzellen und Neuroglie in der gleichmässigen schwachen
    Färbung des Grundes sich der Beobachtung entziehen, ohne die Reinheit des
    Faserungsbildes zu stören. Aus der Betrachtung des Bildes selbst kann man
    zweierlei Arten von Anzeichen für die Zusammengehörigkeit der Fasermassen
    entnehmen. Zunächst färben sich die Fasern, welche bereits markhaltig
    sind, dunkler als die anderen; sodann nehmen einige Faserzüge überhaupt
    nur schwer die Färbung an und fallen darum an vielen Präparaten aus dem
    Bilde aus. Der Vergleich solcher Präparate mit anderen, an denen sie ausgeprägt
    erscheinen, und mit den entsprechenden Schnitten von Erwachsenen
    ist ein überaus lehrreicher.

    ür das Studium der Faser- und Zellverknüpfung in der grauen Substanz,
    welche an unseren Präparaten von zahlreichen feinen markhaltigen Fasern
    durchsetzt erscheint, ist diese Methode natürlich unzulänglich, doch gestattet
    sie zu erkennen, wo sich graue Substanz befindet, und zu entscheiden, ob
    Faserbündel mit derselben in Verbindung stehen.

    Eine ausführlichere Erörterung der für das Gelingen der Färbung in Betracht
    kommenden Bedingungen sowie eine Mitteilung einiger Modificationen
    wird demnächst zur Veröffentlichung an anderem Orte gelangen.

    Wien, im Februar 1884.