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EINIGE BEMERKUNGEN
ÜBER DEN BEGRIFF DES UNBEWUSSTEN
IN DER PSYCHOANALYSEIch möchte mit wenigen Worten und so klar als möglich
darlegen, welcher Sinn dem Ausdruck „Unbewußtes“ in der
Psychoanalyse, nur in der Psychoanalyse, zukommt.Eine Vorstellung – oder jedes andere psychische Element –
kann jetzt in meinem Bewußtsein gegenwärtig sein und im
nächsten Augenblick daraus verschwinden; sie kann nach einer
Zwischenzeit ganz unverändert wiederum auftauchen, und zwar,
wie wir es ausdrücken, aus der Erinnerung, nicht als Folge einer
neuen Sinneswahrnehmung. Um dieser Tatsache Rechnung zu
tragen, sind wir zu der Annahme genötigt, daß die Vorstellung
auch während der Zwischenzeit in unserem Geiste gegenwärtig
gewesen sei, wenn sie auch im Bewußtsein latent blieb. In
welcher Gestalt sie aber existiert haben kann, während sie im
Seelenleben gegenwärtig und im Bewußtsein latent war, darüber
können wir keine Vermutungen aufstellen.An diesem Punkte müssen wir darauf gefaßt sein, dem philo-
sophischen Einwurf zu begegnen, daß die latente Vorstellung
nicht als Objekt der Psychologie vorhanden gewesen sei, sondern
nur als physische Disposition für den Wiederablauf desselben
psychischen Phänomens, nämlich eben jener Vorstellung. Aber
wir können darauf erwidern, daß eine solche Theorie das Gebiet
der eigentlichen Psychologie weit überschreitet, daß sie das Problem
einfach umgeht, indem sie daran festhält, daß „bewußt“ undS.
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„psychisch“ identische Begriffe sind, und daß sie offenbar im
Unrecht ist, wenn sie der Psychologie das Recht bestreitet, eine
ihrer gewöhnlichslen Tatsachen, wie das Gedächtnis, durch ihre
eigenen Hilfsmittel zu erklären.Wir wollen nun die Vorstellung, die in unserem Bewußtsein
gegenwärtig ist und die wir wahrnehmen, „bewußt“ nennen
und nur dies als Sinn des Ausdruckes „bewußt“ gelten lassen;
hingegen sollen latente Vorstellungen, wenn wir Grund zur An-
nahme haben, daß sie im Seelenleben enthalten sind – wie es
beim Gedächtnis der Fall war – mit dem Ausdruck „unbewußt“
gekennzeichnet werden.Eine unbewußte Vorstellung ist dann eine solche, die wir
nicht bemerken, deren Existenz wir aber trotzdem auf Grund
anderweitiger Anzeichen und Beweise zuzugeben bereit sind.Dies könnte als eine recht uninteressante deskriptive oder
klassifikatorische Arbeit aufgefaßt werden, wenn keine andere
Erfahrung für unser Urteil in Betracht käme als die Tatsachen
des Gedächtnisses oder die der Assoziation über unbewußte Mittel-
glieder. Aber das wohlbekannte Experiment der „posthypnotischen
Suggestion“ lehrt uns an der Wichtigkeit der Unterscheidung
zwischen bewußt und unbewußt festhalten und scheint ihren
Wert zu erhöhen.Bei diesem Experiment, wie es Bernheim ausgeführt hat,
wird eine Person in einen hypnotischen Zustand versetzt und
dann daraus erweckt. Während sie sich in dem hypnotischen
Zustande, unter dem Einflusse des Arztes, befand, wurde ihr der
Auftrag erteilt, eine bestimmte Handlung zu einem genau be-
stimmten Zeitpunkt, z. B. eine halbe Stunde später, auszuführen.
Nach dem Erwachen ist allem Anscheine nach volles Bewußtsein
und die gewöhnliche Geistesverfassung wiederum eingetreten, eine
Erinnerung an den hypnotischen Zustand ist nicht vorhanden,
und trotzdem drängt sich in dem vorher festgesetzten Augenblick
der Impuls, dieses oder jenes zu tun, dem Geiste auf, und die
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Handlung wird mit Bewußtsein, wenn auch ohne zu wissen
weshalb, ausgeführt. Es dürfte kaum möglich sein, eine andere
Beschreibung des Phänomens zu geben, als mit den Worten, daß
der Vorsatz im Geiste jener Person in latenter Form oder
unbewußt vorhanden war, bis der gegebene Moment kam, in
dem er dann bewußt geworden ist. Aber nicht in seiner Gänze
ist er im Bewußtsein aufgetaucht, sondern nur die Vorstellung
des auszuführenden Aktes. Alle anderen mit dieser Vorstellung
assoziierten Ideen – der Auftrag, der Einfluß des Arztes, die
Erinnerung an den hypnotischen Zustand, blieben auch dann
noch unbewußt.Wir können aber aus einem solchen Experiment noch mehr
lernen. Wir werden von einer rein beschreibenden zu einer
dynamischen Auffassung des Phänomens hinübergeleitet. Die
Idee der in der Hypnose aufgetragenen Handlung wurde in einem
bestimmten Augenblick nicht bloß ein Objekt des Bewußtseins,
sondern sie wurde auch wirksam, und dies ist die auffallendere
Seite des Tatbestandes; sie wurde in Handlung übertragen, sobald
das Bewußtsein ihre Gegenwart bemerkt hatte. Da der wirkliche
Antrieb zum Handeln der Auftrag des Arztes ist, kann man kaum
anders als einräumen, daß auch die Idee des Auftrages wirksam
geworden ist.Dennoch wurde dieser letztere Gedanke nicht ins Bewußtsein
aufgenommen, wie es mit seinem Abkömmling, der Idee der
Handlung, geschah; er verblieb unbewußt und war daher gleich-
zeitig wirksam und unbewußt.Die posthypnotische Suggestion ist ein Produkt des Labora-
toriums, eine künstlich geschaffene Tatsache. Aber wenn wir die
Theorie der hysterischen Phänomene, die zuerst durch P. Janet
aufgestellt und von Breuer und mir ausgearbeitet wurde, an-
nehmen, so stehen uns natürliche Tatsachen in Fülle zur Ver-
fügung, die den psychologischen Charakter der posthypnotischen
Suggestion sogar noch klarer und deutlicher zeigen.S.
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Das Seelenleben des hysterischen Patienten ist erfüllt mit
wirksamen, aber unbewußten Gedanken; von ihnen stammen
alle Symptome ab. Es ist in der Tat der auffälligste Charakter-
zug der hysterischen Geistesverfassung, daß sie von unbewußten
Vorstellungen beherrscht wird. Wenn eine hysterische Frau
erbricht, so kann sie dies wohl infolge der Idee tun, daß sie
schwanger sei. Dennoch hat sie von dieser Idee keine Kenntnis,
obwohl dieselbe durch eine der technischen Prozeduren der
Psychoanalyse leicht in ihrem Seelenleben entdeckt und für sie
bewußt gemacht werden kann. Wenn sie die Zuckungen und
Gesten ausführt, die ihren „Anfall“ ausmachen, so stellt sie sich
nicht einmal die von ihr beabsichtigten Aktionen bewußt vor
und beobachtet sie vielleicht mit den Gefühlen eines unbeteiligten
Zuschauers. Nichtsdestoweniger vermag die Analyse nachzuweisen,
daß sie ihre Rolle in der dramatischen Wiedergabe einer Szene
aus ihrem Leben spielte, deren Erinnerung während der Attacke
unbewußt wirksam war. Dasselbe Vorwalten wirksamer unbewußter
Ideen wird durch die Analyse als das Wesentliche in der Psycho-
logie aller anderen Formen von Neurose enthüllt.Wir lernen also aus der Analyse neurotischer Phänomene, daß
ein latenter oder unbewußter Gedanke nicht notwendigerweise
schwach sein muß, und daß die Anwesenheit eines solchen Ge-
dankens im Seelenleben indirekte Beweise der zwingendsten Art
gestattet, die dem direkten durch das Bewußtsein gelieferten Be-
weis fast gleichwertig sind. Wir fühlen uns gerechtfertigt, unsere
Klassifikation mit dieser Vermehrung unserer Kenntnisse in Über-
einstimmung zu bringen, indem wir eine grundlegende Unter-
scheidung zwischen verschiedenen Arten von latenten und unbe-
wußten Gedanken einführen. Wir waren gewohnt zu denken,
daß jeder latente Gedanke dies infolge seiner Schwäche war, und
daß er bewußt wurde, sowie er Kraft erhielt. Wir haben nun
die Überzeugung gewonnen, daß es gewisse latente Gedanken
gibt, die nicht ins Bewußtsein eindringen, wie stark sie auchS.
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sein mögen. Wir wollen daher die latenten Gedanken der ersten
Gruppe vorbewußt nennen, während wir den Ausdruck unbewußt
(im eigentlichen Sinne) für die zweite Gruppe reservieren,
die wir bei den Neurosen betrachtet haben. Der Ausdruck unbewußt,
den wir bisher bloß im beschreibenden Sinne benützt
haben, erhält jetzt eine erweiterte Bedeutung. Er bezeichnet nicht
bloß latente Gedanken im allgemeinen, sondern besonders solche
mit einem bestimmten dynamischen Charakter, nämlich diejenigen,
die sich trotz ihrer Intensität und Wirksamkeit dem Bewußtsein
ferne halten.Ehe ich meine Auseinandersetzungen fortführe, will ich auf
zwei Einwendungen Bezug nehmen, die sich voraussichtlich an
diesem Punkte erheben. Die erste kann folgendermaßen formuliert
werden: anstatt uns die Hypothese der unbewußten Gedanken,
von denen wir nichts wissen, anzueignen, täten wir besser anzu-
nehmen, daß das Bewußtsein geteilt werden kann, so daß ein-
zelne Gedanken oder andere Seelenvorgänge ein gesondertes Be-
wußtsein bilden können, das von der Hauptmasse bewußter psy-
chischer Tätigkeit losgelöst und ihr entfremdet wurde. Wohl-
bekannte pathologische Fälle, wie jener des Dr. Azam,
scheinen sehr geeignet zu sein, zu beweisen, daß die Teilung des Bewußt-
seins keine phantastische Einbildung ist.Ich gestatte mir, dieser Theorie entgegenzuhalten, daß sie ein-
fach aus dem Mißbrauch mit dem Worte „bewußt“ Kapital
schlägt. Wir haben kein Recht, den Sinn dieses Wortes so weit
auszudehnen, daß damit auch ein Bewußtsein bezeichnet werden
kann, von dem sein Besitzer nichts weiß. Wenn Philosophen eine
Schwierigkeit darin finden, an die Existenz eines unbewußten
Gedankens zu glauben, so scheint mir die Existenz eines unbewußten
Bewußtseins noch angreifbarer. Die Fälle, die man als Teilung
des Bewußtseins beschreibt, wie der des Dr. Azam, können besser
als Wandern des Bewußtseins angesehen werden, wobei diese
Funktion – oder was immer es sein mag – zwischen zwei verschiedenenS.
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psychischen Komplexen hin‑ und herschwankt, die
abwechselnd bewußt und unbewußt werden.Der andere Einwand, der voraussichtlich erhoben werden wird,
wäre der, daß wir auf die Psychologie der Normalen Folgerungen
anwenden, die hauptsächlich aus dem Studium pathologischer Zu-
stände stammen. Wir können ihn durch eine Tatsache erledigen,
deren Kenntnis wir der Psychoanalyse verdanken. Gewisse Funk-
tionsstörungen, die sich bei Gesunden höchst häufig ereignen,
z. B. Lapsus linguae, Gedächtnis‑ und Sprachirrtümer, Namen-
vergessen usw. können leicht auf die Wirksamkeit starker unbe-
wußter Gedanken zurückgeführt werden, gerade so wie die neu-
rotischen Symptome. Wir werden mit einem zweiten, noch über-
zeugenderen Argument in einem späteren Abschnitt dieser Er-
örterung zusammentreffen.Durch die Auseinanderhaltung vorbewußter und unbewußter
Gedanken werden wir dazu veranlaßt, das Gebiet der Klassifi-
kation zu verlassen und uns über die funktionalen und dynami-
schen Relationen in der Tätigkeit der Psyche eine Meinung zu
bilden. Wir fanden ein wirksames Vorbewußtes, das ohne
Schwierigkeit ins Bewußtsein übergeht, und ein wirksames Unbewußtes,
das unbewußt bleibt und vom Bewußtsein abge-
schnitten zu sein scheint.Wir wissen nicht, ob diese zwei Arten psychischer Tätigkeit
von Anfang an identisch oder ihrem Wesen nach entgegengesetzt
sind, aber wir können uns fragen, warum sie im Verlaufe der
psychischen Vorgänge verschieden geworden sein sollten. Auf diese
Frage gibt uns die Psychoanalyse ohne Zögern klare Antwort. Es
ist dem Erzeugnis des wirksamen Unbewußten keineswegs un-
möglich, ins Bewußtsein einzudringen, aber zu dieser Leistung
ist ein gewisser Aufwand von Anstrengung notwendig. Wenn
wir es an uns selbst versuchen, erhalten wir das deutliche Gefühl
einer Abwehr, die bewältigt werden muß, und wenn wir es bei
einem Patienten hervorrufen, so erhalten wir die unzweideutigstenS.
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Anzeichen von dem, was wir Widerstand dagegen nennen. So
lernen wir, daß der unbewußte Gedanke vom Bewußtsein durch
lebendige Kräfte ausgeschlossen wird, die sich seiner Aufnahme
entgegenstellen, während sie anderen Gedanken, den vorbewußten,
nichts in den Weg legen. Die Psychoanalyse läßt keine Möglich-
keit übrig, daran zu zweifeln, daß die Abweisung unbewußter
Gedanken bloß durch die in ihrem Inhalt verkörperten Tendenzen
hervorgerufen wird. Die nächstliegende und wahrscheinlichste
Theorie, die wir in diesem Stadium unseres Wissens bilden können,
ist die folgende: Das Unbewußte ist eine regelmäßige und unver-
meidliche Phase in den Vorgängen, die unsere psychische Tätig-
keit begründen; jeder psychische Akt beginnt als unbewußter und
kann entweder so bleiben oder sich weiter entwickelnd zum Be-
wußtsein fortschreiten, je nachdem, ob er auf Widerstand trifft
oder nicht. Die Unterscheidung zwischen vorbewußter und unbe-
wußter Tätigkeit ist keine primäre, sondern wird erst hergestellt,
nachdem die „Abwehr“ ins Spiel getreten ist. Erst dann gewinnt
der Unterschied zwischen vorbewußten Gedanken, die im Bewußt-
sein erscheinen und jederzeit dahin zurückkehren können, und
unbewußten Gedanken, denen dies versagt bleibt, theoretischen
sowie praktischen Wert. Eine grobe, aber ziemlich angemessene
Analogie dieses supponierten Verhältnisses der bewußten Tätigkeit
zur unbewußten bietet das Gebiet der gewöhnlichen Photographie.
Das erste Stadium der Photographie ist das Negativ; jedes photo-
graphische Bild muß den „Negativprozeß“ durchmachen, und
einige dieser Negative, die in der Prüfung gut bestanden haben,
werden zu dem „Positivprozeß“ zugelassen, der mit dem Bilde
endigt.Aber die Unterscheidung zwischen vorbewußter und unbewußter
Tätigkeit und die Erkenntnis der sie trennenden Schranke ist
weder das letzte noch das bedeutungsvollste Resultat der psycho-
analytischen Durchforschung des Seelenlebens. Es gibt ein psychi-
sches Produkt, das bei den normalsten Personen anzutreffen ist,S.
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und doch eine höchst auffallende Analogie zu den wildesten Er-
zeugnissen des Wahnsinns bietet und den Philosophen nicht
verständlicher war als der Wahnsinn selbst. Ich meine die Träume.
Die Psychoanalyse gründet sich auf die Traumanalyse; die Traum-
deutung ist das vollständigste Stück Arbeit, das die junge Wissen-
schaft bis heute geleistet hat. Ein typischer Fall der Traum-
bildung kann folgendermaßen beschrieben werden: Ein Gedanken-
zug ist durch die geistige Tätigkeit des Tages wachgerufen wor-
den und hat etwas von seiner Wirkungsfähigkeit zurückbehalten,
durch die er dem allgemeinen Absinken des Interesses, welches
den Schlaf herbeiführt und die geistige Vorbereitung für das
Schlafen bildet, entgangen ist. Während der Nacht gelingt es
diesem Gedankenzug, die Verbindung zu einem der unbewußten
Wünsche zu finden, die von Kindheit an im Seelenleben des
Träumers immer gegenwärtig, aber für gewöhnlich verdrängt
und von seinem bewußten Dasein ausgeschlossen sind. Durch die
von dieser unbewußten Unterstützung geliehene Kraft können
die Gedanken, die Überbleibsel der Tagesarbeit, nun wiederum
wirksam werden und im Bewußtsein in der Gestalt eines Traumes
auftauchen. Es haben sich also dreierlei Dinge ereignet:1) die Gedanken haben eine Verwandlung, Verkleidung und
Entstellung durchgemacht, welche den Anteil des unbewußten
Bundesgenossen darstellt;2) den Gedanken ist es gelungen, das Bewußtsein zu einer
Zeit zu besetzen, wo es ihnen nicht zugänglich hätte sein sollen;3) ein Stück des Unbewußten, dem dies sonst unmöglich ge-
wesen wäre, ist im Bewußtsein aufgetaucht.Wir haben die Kunst gelernt, die „Tagesreste“ und die
latenten Traumgedanken herauszufinden; durch ihren Ver-
gleich mit dem manifesten Trauminhalt sind wir befähigt,
uns ein Urteil über die Wandlungen, die sie durchgemacht
haben, und über die Art und Weise, wie diese zustande ge-
kommen sind, zu bilden.S.
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Die latenten Traumgedanken unterscheiden sich in keiner Weise
von den Erzeugnissen unserer gewöhnlichen bewußten Seelen-
tätigkeit. Sie verdienen den Namen von vorbewußten Gedanken u
nd können in der Tat in einem Zeitpunkte des Wachlebens
bewußt gewesen sein. Aber durch die Verbindung mit den un-
bewußten Strebungen, die sie während der Nacht eingegangen
sind, wurden sie den letzteren assimiliert, gewissermaßen auf den
Zustand unbewußter Gedanken herabgedrückt und den Gesetzen,
durch welche die unbewußte Tätigkeit geregelt wird, unterworfen.
Hier ergibt sich die Gelegenheit zu lernen, was wir auf Grund
von Überlegungen oder aus irgend einer anderen Quelle empiri-
schen Wissens nicht hätten erraten können, daß die Gesetze der
unbewußten Seelentätigkeit sich im weiten Ausmaß von jenen
der bewußten unterscheiden. Wir gewinnen durch Detailarbeit
die Kenntnis der Eigentümlichkeiten des Unbewußten und
können hoffen, daß wir durch gründlichere Erforschung der Vor-
gänge bei der Traumbildung noch mehr lernen werden.Diese Untersuchung ist noch kaum zur Hälfte beendet und
eine Darlegung der bis jetzt erhaltenen Resultate ist nicht möglich,
ohne in die höchst verwickelten Probleme der Traumdeutung
einzugehen. Aber ich wollte diese Erörterung nicht abbrechen,
ohne auf die Wandlung und den Fortschritt unseres Verständ-
nisses des Unbewußten hinzuweisen, welche wir dem psycho-
analytischen Studium der Träume verdanken.Das Unbewußte schien uns anfangs bloß ein rätselhafter Cha-
rakter eines bestimmten psychischen Vorganges; nun bedeutet es
uns mehr, es ist ein Anzeichen dafür, daß dieser Vorgang an
der Natur einer gewissen psychischen Kategorie teilnimmt, die
uns durch andere bedeutsamere Charakterzüge bekannt ist, und
daß er zu einem System psychischer Tätigkeit gehört, das unsere
vollste Aufmerksamkeit verdient. Der Wert des Unbewußten als
Index hat seine Bedeutung als Eigenschaft bei weitem hinter sich
gelassen. Das System, welches sich uns durch das KennzeichenS.
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kundgibt, daß die einzelnen Vorgänge, die es zusammensetzen,
unbewußt sind, belegen wir mit dem Namen „das Unbewußte“,
in Ermangelung eines besseren und weniger zweideutigen Aus-
druckes. Ich schlage als Bezeichnung dieses Systems die Buch-
staben „Ubw“, eine Abkürzung des Wortes „Unbewußt“ vor.Dies ist der dritte und wichtigste Sinn, den der Ausdruck
„unbewußt“ in der Psychoanalyse erworben hat.
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