Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten in der Psychoanalyse 1912-006/1913.2
  • S.

    SEPARATABDRUCK

     

    aus der

     

    INTERNATIONALEN ZEITSCHRIFT FÜR ÄRZTLICHE PSYCHOANALYSE

     

    herausgegeben von Professor 8. Frend, rodigiert von Dr. S. Ferenczi und Dr. O. Rank. L. Jahrgang 1513. Verlag Tin Hugo Heller & Co. in Lalpely und Wien 7. Baumarkt

     

    Abonnementiels gaunjukrig M 18,-- 100

     

    Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten in der

     

    Psychoanalyse.

     

    Von Prof. Dr. Sigm. Freud, LL. D. Wien.").

     

    Ich möchte mit wenigen Worten und so klar als möglich darlegen, welcher Sinn dem Ausdruck Unbewußites in der Psychoanalyse und

     

    nur in der Psychoanalyse zukommt. Eine Vorstellung oder jedes andere psychische Element - kann jotzt in meinem Bewußtsein gegenwärtig sein und im nächsten Augen blick daraus verschwinden; sie kann nach einer Zwischenzeit ganz unverändert wiederum auftauchen, und zwar, wie wir es ausdrücken, aus der Erinnerung, nicht als Folge einer neuen Sinneswahrnehmung. Um dieser Tatsache Rechnung an tragen, sind wir zu der Annahme genötigt, daß die Vorstellung auch während der Zwischenzeit in unserem Geiste gegenwärtig gewesen sei, wenn sie auch im Bewußtsein latent blieb. In welcher Gestalt sie aber existiert haben kann, während sie im Seelenleben gegenwärtig und im Bewußtsein latent war, darüber können wir keine Vermutungen anfstellen.

     

    An diesem Punkte müssen wir darauf gefaßt sein, dem philoso phischen Einwurf zu begegnen, daß die latente Vorstellung nicht als Objekt der Psychologie vorhanden gewesen sei, sondern nur als physische Disposition für den Wiederablauf desselben psychischen Phänomens, näm lich eben jener Vorstellung. Aber wir können darauf erwidern, daß eine solche Theorie das Gebiet der eigentlichen Psychologie weit überschreitet, daß sie das Problem einfach umgeht, indem sie daran festhält, daß bewußt und psychisch identische Begriffe sind, und daß sie offenbar im Unrecht ist, wenn sie der Psychologie das Recht bestreitet, eine ihrer gewöhnlichsten Tatsachen, wie das Gedächtnis, durch ihre eigenen Hilfs mittel zu erklären.

     

    Wir wollen nun die Vorstellung, die in unserem Bewußtsein gegen wärtig ist und die wir wahrnehmen, bewußt" nennen und nur dies als ) Zuerst englisch erschienen in Proceedings of The Society for Psychical Research Part IXVL, Vol. XXVI.

  • S.

    113 Sign. Freud.

    ‚Sinn des Ansdruekes „bewußt“ gelten lassen; hingegen sollen latente
    Vorstellungen, wenn wir Grund zur Annahme haben, daß sie im Seelen-
    leben enthalten sind —— wie es beim Gedächtnis der Fall war ‚ mit
    dem Ausdruck „unbewnßt“ gekennzeichnet werden,

    Eine unbewußte Vorstellung ist dann eine solche, die wir nicht be-
    merken, deren Existenz wir aber trotzdem auf Grund anderweitiger Anzeichen
    und Beweise zuzugeben bereit sind.

    Dies könnte als eine recht uninteressante deskriptivo oder klassi-
    fikatorische Arbeit aufgefaßt werden, wenn keine andere Erfahrung für
    unser Urteil in Betracht käme als die Tatsachen des Gedächtnisses oder
    die der Assoziation über unbewnßte Mittelglieder. Aber das Wohlbekannte
    Experiment der „posthypnotischen Suggestion“ lehrt uns an der Wich<
    tigkeit der Unterscheidung zwischen bewußt und unbewnßt fest-
    halten und scheint ihren Wert zu erhöhen.

    Bei diesem Experiment, wie es Bernheim ausgeführt hat, wird
    eine Person in einen hypnotischen Zustand versetzt und dann daraus
    erweckt. Während sie sich in dem hypnotischen Zustande, unter dem
    Einflüsse des Arztes befand, wurde ihr der Auftrag erteilt, eine bestimmte
    Handlung zu einem genau bestimmten Zeitpunkt, z. B. eine halbe Stunde
    später, auszuführen Nach dem Erwachen ist allem Anscheine nach
    volles Bewußtsein und die gewöhnliche Geistesverf'assung wiederum ein-
    getreten, eine Erinnerung an den hypnotischen Zustand ist nicht vor—
    handen, und trotzdem drängt sich in dem vorher festgesetzten Augen-
    blick der Impuls, dieses oder jenes zu tun, denn Geiste auf, und die
    Handlung wird mit Bewußtsein, wenn auch ohne zu wissen weshalb,
    ausgeführt. Es dürfte kaum möglich sein, eine andere Beschreibung
    des Phänomens zu geben, als mit den Worten, dal} der Vorsatz im Geiste
    jener Person in latenter Form oder unbewußt vorhanden war,
    bis der gegebene Moment kam, in dem er denn bewußt geworden ist.
    Aber nieht in seiner Gänze ist er im Bewußtsein aufgetaucht, sondern nur
    die Vorstellung des auszuführenden Aktes, Alle anderen mit dieser Vor-
    stellung assoziierten Ideen — der Auftrag, der Einfluß des Arztes, die Erin-
    nerung an den hypnotischen Zustand, blieben auch dann noch unbewußt.

    Wir können aber aus einem solchen Experiment noch mehr lernen.
    Wir werden von einer rein beschreibenden zu einer dynamischen
    Auffassung des Phänomens hinübergeleitet, Die Idee der in der Hypnose
    aufgetrageneu Handlung wurde in einem bestimmten Augenblick nicht
    bloß ein Objekt des Bewußtseins, sondern sie wurde auch wirksam,
    und dies ist die auffallendere Seite des Tatbestandes: sie wurde in
    Handlung übertragen, sobald das Bewußtsein ihre Gegenwart bemerkt
    hatte, Da der wirkliche Antrieb zum Handeln der Auftrag des Arztes
    ist, kann man kaum anders als einräumen, daß auch die Idee des Auf—
    trages wirksam geworden ist.

  • S.

    Linige Bemerkungen über (len Bagriil‘ dcs Unheivußtcn m (ler l’s_vrl.o.ii'iul‚se. 119

    Dennoch wurde dieser letzter

    Gedanke nicht, ins Bewußtsein auf-
    genommen, wie es mit seinem Abkömmling‚ der Idee der Handlung
    geschah; er verblieb unbewußt und war daher glriuhzeitig wirksaui
    und unlicwußt.

    Die posthypnntische Suggestion ist ein Prndukt dcs Luhru'utoriums,
    eine künstlich gescliall'ene Tatsache. Aber wenn Wir die Theorie der
    hysterischen Phänomene, die zuerst durch P. Junet aufgestellt und
    von Breuer und mir ausgearbeitet wurde, annehmen, sri strhcn uns
    natürliche Tatsachen in Fülle zur Verfügung, die den psychologischen
    Charakter der posthypnotisclieu Suggestion sogar noch klarer und denk
    licher zeigen

    Das Seelenlehen des hysterischen Patienten ist erfüllt rnit wir-le
    samen, aber unhcwußten Gedanken; von ihnen stammen :zll.- Symptome
    ab. Es ist in der Tat der auft'dlligste Charakter-zug dcr hi terischcn
    Geistesverfassung, daß sie vun unbewußtcu Vorstellungen hohurrs ht, wird.
    Wenn eine hysterische Freu erbricht‚ so kann sie dies wohl iufolge der
    Idee tun, daß sie schwanger :: i. Dennoch hat sie von dieser idee keine
    Kenntnis, obwohl dieselhe durch eine der technischen Pi zednren der-P.
    analyse leicht in ihrem Seelenlebeu entdeckt und für

    c h o»

    ie bewußt gend-Acht
    werden kann. Wenn sie die Zuckungen und Gesten ausführt, die ihren
    „Anfall“ ausmachen, so stellt sie sich nicht einmal die von ihr he-

    nhsichtigten Aktionen bewußt vor und beobachtet sie vielleicht 't den
    Gefühlen eines unbeteiligztcn Zuschauer Nichtsdestou-cniprer vermag
    die, Analyse nachzuweisen, daß sie ihre Rolle in der draznutisrhen
    Wiedergabe einer Szene aus i ‚in Leben spielte, deren Erinnerung wäh-
    rend der Attacke unbcwußt wir sum war. Dasselbe Vorwalten wirksamer
    unhewußler Ideen w d durch die Analyse als das Vi sentliche in der
    Psychologie aller anderen Formen von Neurose enthüllt.

    <

    Wir lernen also aus der An„

    se neurotischer Phänomene, (laß ein
    latenter oder unhewußter Gedanke nicht notwendiger Weise schwach sein
    muß, und daß die Anwesenheit eines solchen Gedanltens im Seelenlehen
    indirekte Beweise der“ zwingeudsten Art gestattet, die dem direkten d‘ h
    das Bewußtsein gelieferten Beweis fast gleichwertig sind. Wir fühlen uns
    gerechtfertigt, unsere Klassifikation mit dieser Vermehrung unserer Kennt—
    nisse in Übereinstimmung zu bringen, indem \v' ine, grundlegende Unter—
    scheidung zwischen verschiedenen Arten von latenten und unhewußteu
    Gedanken einführen. Wir Waren gewohnt zu denken, daß jeder latente
    Gedanke dies infolge seiner Schwäche war, und daß er bewußt wurde,
    sowie er Kraft erhielt. Wir haben nun die Überzeugung gewonnen, daß
    es gewisse latente Gedanken gibt, die nicht ins Bewußtsein eindringen,
    wie stark sie auch sein mögen. Wir Wollen daher die latenten Gedanken
    der ersten Gruppe vorbewußt nennen, Während wir den Ausdruck
    unbewußt (im eigentlichen Sinn) für die zweite Gruppe reservieren,

  • S.

    120

     

    Sigm. Freud.

     

    die wir bei den Neurosen betrachtet haben. Der Ausdruck unbewußt, den wir bisher bloß im beschreibenden Sinne benützt haben, erhält jetzt eine erweiterte Bedeutung. Er bezeichnet nicht bloß latente Gedanken im allgemeinen, sondern besonders solche mit einem bestimmten dyna mischen Charakter, nämlich diejenigen, die sich trotz ihrer Intensität und Wirksamkeit dem Bewußtsein ferne halten.

     

    Ehe ich meine Auseinandersetzungen fortführe, will ich auf zwei Einwendungen Bezug nehmen, die sich voraussichtlich an diesem Punkte erheben. Die erste kann folgendermaßen formuliert werden: anstatt uns die Hypothese der unbewußten Gedanken, von denen wir nichts wissen, anzueignen, täten wir besser anzunehmen, daß das Bewußtsein geteilt werden kann, so daß einzelne Gedanken oder andere Seelenvorgänge ein gesondertes Bewußtsein bilden können, das von der Hauptmasse bewußter psychischer Tätigkeit losgelöst und ihr entfremdet wurde. Wohlbe kannte pathologische Fälle, wie jener des Dr. Azam, scheinen sehr ge eignet zu sein zu beweisen, daß die Teilung des Bewußtseins keine phantastische Einbildung ist.

     

    Ich gestatte mir, dieser Theorie entgegenzuhalten, daß sie einfach aus dem Mißbrauch mit dem Worte ,bewußt" Kapital schlägt. Wir haben kein Recht, den Sinn dieses Wortes so weit auszudehnen, daß damit auch ein Bewußtsein bezeichnet werden kann, von dem sein Besitzer nichts weiß. Wenn Philosophen eine Schwierigkeit dabei finden, au die Existenz eines unbewußten Gedankens zu glauben, so scheint mir die Existenz eines unbewußten Bewußtseins noch angreifbarer. Die Fälle, die man als Teilung des Bewußtseins beschreibt, wie der des Dr. Azam, können besser als Wandern des Bewußtseins angesehen werden, wobei diese Funk tion oder was immer es sein mag zwischen zwei verschiedenen - psychischen Komplexen hin- und herschwankt, die abwechselnd bewußt und unbewußt werden.

     

    Der andere Einwand, der voraussichtlich erhoben werden wird, wäre der, daß wir auf die Psychologie der Normalen Folgerungen an wenden, die hauptsächlich aus dem Studium pathologischer Zustände stammen. Wir können ihn durch eine Tatsache erledigen, deren Kenntnis wir der Paychoanalyse verdanken. Gewisse Funktionsstörungen, die sich bei Gesunden höchst häufig ereignen, z. B. Lapsus linguae, Gedächtnis und Sprachirrtümer, Namenvergessen nsw. können leicht auf die Wirk samkeit starker unbewußter Gedanken zurückgeführt werden, gerade so wie die neurotischen Symptome. Wir werden mit einem zweiten, noch überzeugenderen Argument in einem späteren Abschnitt dieser Erörterung zusammentreffen.

     

    Durch die Auseinanderhaltung vorbewußter und unbewußter Ge danken werden wir dazu veranlaßt, das Gebiet der Klassifikation zu verlassen, und uns über die funktionalen und dynamischen Relationen

  • S.

    Einige Bemerkungen über den Begriff des [’nbewußten in der Psychoanalyse. 121

    in der Tätigkeit der Psyche eine Meinung zu bilden. Wir iun(len ein
    wirksames \”rurbewizlites, des ohne Schwierigkeit ins Bewußtsein
    übergeht, und ein wirksames Unbewußtes, das unbewußt bleibt

    und vom Beu'nßt 'n abgeschnitten zu sein scheint.

    Wir wissen nieht, ob diese zwei Arten psychischer Tätigkeit von
    Anfang an identisch oder ihrem Wesen nach entgegengesetzt sind, aber
    wir können uns fragen, warum sie im Verlaufe der psychischen Vorgänge
    verschieden geworden sein sollten. Auf diese l«‘rage gibt uns die Psycho—
    analyse ohne Zögern klare Antwort. Es ist dem Erzeugnis des wirk—
    samen Unbewullll'en keineswegs uum" lieh, ins Bewußtsein einzudringen,
    aber zu dieser Leistung in ein gewisser Aufwand von A strengung not-
    wendig. Wenn wir es an uns selbst versuchen, erhalten wir das deutliche
    Gefühl einer Abwehr, die bewältigt werden muß, und wenn wir es
    bei einem Patienten hervor 'i'en, so erhalten wir die unzweideutigsten
    Anzeigen von dem, Was wir Widerstand dagegen nennen. So lernen
    wir, daß der unbewußte Gedanke vom Bewußtsein durch lebendige
    Kräfte ausgeschlossen wird, die sich seiner Aufnahme entgegenstellen,
    Während sie anderen Gedanken, den vorb‚u‘ußten, niühts in den Weg
    legen. Die Psychoanalyse läßt keine Möglichkeit übrig rim—an zu zweifeln,
    daß die Abweisung unbewußter Gedenken bloß durch die in ihrem Inhalt
    'irperten Tendenzen hervorgerufen wird. Die niichstliegenrle und
    wahrscheinliebstc Theorie, die Wir in diesem Stadium unseres Wis ‘ns
    bilden können, ist die folgende. Das Unlievruiite ist eine regeln ge
    und unvermeidlichu Phase in den Vorgängen, die. unsere psychische
    Tätigkeit begründen; jeder psychische Akt beginnt als unhewulltur und
    kann entweder su bleiben oder sich weiter entwickelnd zum Bewußtsein
    fürtsel.ireiten7 je nachdem7 ob er auf Widerstand trifft oder nicht. Die
    Unterscheidung zwischen vorheu‘ußter und unbewußter ’l‘iitigk keine
    primäre, sondern wird erst hergestellt, nachdem die .,.\bu'eh ins Spiel
    getreten ist. Erst dann gewinnt der Unterschied zwischen vorbewußten
    Gedanken, die im Bewußtsein erscheinen und jeder it dahin zurück-
    kehren können, und unbewußten Gedanken, denen di versagt bleibt,
    theoretischen sowie praktisehen Wert. Eine grobe, aber ziemlich angemessene
    Analogie dieses supponierten Verhältnisses der bewußten Tätigkeit zur
    unbewußten bietet das Gebiet der gewöhnlichen Photographie. Das erste
    Stadium der Photographie ist das Negativ; jedes photographische Bild
    muß den „negativen Prozeß“ durehrnuchen‚ und einige dieser Negative,
    die in der Prüfung gut bestanden haben, werden zu dem „positiven
    Prozeß“ zugelassen, der mit dem Bilde endigt,

    Aber die Unterscheidung zwischen vorbewußter und unbewulilter
    Tätigkeit und die Erkenntnis der sie trennenden Schranke ist weder das
    letzte noch das bedeutungsvollste Resultat der psychoimnlytischen Durch»
    forschung des Seelenlebeus. Es gibt ein psychisches Produkt, das bei

  • S.

    122 Sigm. Frend,

    den normalsten Personen anzutreffen ist und doch eine höchst auffallende
    Analogie zu dem wiliiesten Erzeugnisse des Wahnsinns bietet und den
    Philosophen nicht verständlicher war als der Wahnsinn selbst. Ich
    meine die Träume. Die Psychoanalyse gründet sich auf die Tranmannlyse;
    die Traumdeutung ist das vollständigstc Stück Arbeit, das die junge
    Wissenschaft bis heute geleistet hat. Ein typischer Fall der Traum—
    bildung kann folgendermaßen beschrieben werden: Ein Gedunkenzug ist
    durch die geistige Tätigkeit des Tages wachgcrufen werden und hat
    etwas von seiner \Virkungsfähigkeit zurüclihehllhen. durch die er dem
    allgemeinen Absinken des Interesses, welches den Schlaf herbeiführt und
    die geistige Vorbereitung für das Schlafen bildet, entgangen ist. Während
    der Nacht gelingt es diesem Gedunkenzug, die Verbindung zu einem der
    unbewuilten Wünsche zu finden, die von Kindheit an im Seelenlebvn des
    Trüumers immer gegenwärtig, aber für gewöhnlich verdrängt und von
    seinem bewußten Dasein ausgeschlossen sind. Durch die von dieser un-
    bewnßten Unterstützung geliehene Kraft können die Gednnken, die Über—
    bleibsel der Tagesarheit, nun wiederum wirksam werden und im Bewußt-
    sein in der Gestalt eines Traumcs auftauchen. Es haben sich also
    d:eierlei Dinge ereignet:

    ]. Die Gedanken haben eine Verwandlung, Verkleidung und Ent—
    stellung durchgemnnht, welche den Anteil des unbewußten Bundesgennssen
    darstellt.

    2. Den Gedanken ist es gelungen, das Bewußtsein zu einer Zeit zu
    besetzen, wo es ihnen nicht zugänglich hätte sein sollen.

    3. Ein Stück des Unhewußten, dem dies sonst unmöglich gewesen
    wäre, ist im Bewußtsein aufgetaucht,

    Wir haben die Kunst gelernt, die „Tagesreste“ und die lntenten
    Trallmgcdankcn licrauszllfindcn; durch ihren Vergleich mit dem
    manifesten Trliuminhalt sind wir befähigt, uns ein Urteil über
    die Wanrllungen, die sie durchgemacht haben, und über die Art und
    Weise, wie diese zu stamle gekommen sind, zu bilden.

    Die latenten Traumgedanken unterscheiden sich in keiner Weise
    von den Erzeugnissen unserer gewöhnlichen bewußten Seelentätigkeit.
    Sie verdienen den Namen von vorbewußten Gedanken und können in
    der Tat in einem Zeit-punkte des Wachlebens bewußt gewesen sein. Aber
    durch die Verbindung mit den unbewutlten Strebungen, die sie wiihrend
    der Nacht eingegangen sind, wurden sie den letzteren assimiliert, ge»
    wissermaßen auf den Zustand ulibewußtur Gedanken herabgcdrückt und
    den Gesetzen, durch welche die nnbewußte Tätigkeit geregelt wird,
    unterworfen. Hier ergibt sich die Gelegenheit zu lernen, was wir auf
    Grund von Überlegungen oder aus irgend einer anderen Quelle empi—
    rischen Wissens nicht hätten erraten können, daß die Gesetze der \]an-
    wußten Seelent'zitlgkéit sich im weiten Ausmaß von jenen der bewußtfln

  • S.

    Einige Bemerkungen uber den Begriff des Unbewußten in der Psychoanalyse, 125

    unterscheiden “'ir gewinnen durch Detailai'beit die Kenntnis der Eigen-
    tümlichkeiten des Unbewullten und lcünnen hoffen, daß wir durch
    gründlichere Erforschung der Vorgänge bei der Traumbilrlung noch mehr
    lernen werden.

    Diese Untersuchung ist noch kaum zur Hälfte beendet und eine
    Darlegung der bis jetzt erhaltenen Resultate ist, nicht möglich, ohne in die
    höchst verwickelteu Probleme der Traumdeutung einzugehen. Aber ich
    wollte diese Erörterung nicht abbrechen, ohne auf die Wandlung und den
    Fortschritt unseres Verständnisses des Unhewnßten hinzuweisen, welche
    wir dem psychoanalytischen Studium der Träume verdanken.

    Das Unbewußte schien uns anfangs bloß ein rätselhafter Charakter
    eines bestimmten psychischen Vorganges; nun bedeutet es uns mehr, es
    ist ein Anzeichen dafür, daß dieser Vorgang an der Natur einer gewissen
    psychischen Kategorie teilnimmt, die uns durch andere bedeutsamero
    Charakterzüge bekannt ist, und daß er zu einem System psychischer
    Tätigkeit gehört, das unsere vollste Au£merksamkeit verdient, Der Wert
    des Unhewußten als Index hat seine Bedeutung als Eigenschaft bei weitem
    hinter sich gelassen. Das System, welches sich uns durch das Kenn-
    zeichen kundgibt, daß die einzelnen Vorgänge, die es zusammensetzen,
    unbewußt sind, belegen wir mit dem Namen „das Unbewußte“, in Er-
    mangelung eines besseren und weniger zweidentigen Ausdrucks. Ich
    schlage als Bezeichnung dieses Systems die Buchstaben „Ubw.“‚ eine
    Abkürzung des Wertes „Unbewußt“ vor.

    Dies ist. der dritte und wichtigste Sinn, den der Ausdruck „unbe-
    wußt“ in der Psychoanalyse erworben hat.