Einige theoretische Gesichtspunkte zur Paranoia 1907-101/1907//F-JCG/1907-04-20[a]
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    Ds Faksimile des Originals findet sich in der Korrespondenz Freud-Jung,  (F-JCG/1907-04-14 - 1907 - 1907-04-21

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    Einige theoretische Gesichtspunkte 
    zur Paranoia

    Grundthatsache etwa die: In einer f. Person taucht der 
    Wunsch nach Verkehr mit einem Mann auf. Er unterliegt 
    der Verdrängg u erscheint wider in folgender 
    Form: Man sagt draußen, daß sie den Wunsch habe, 
    u was von ihr bestritten wird. (Oder: dieser Verkehr 
    hat sich nächtl Weile gegen ihren Willen vollzogen. 
    Aber diese Form ist nicht die primäre).

    Was ist bei dieser für die Pat. charakterist. Art der 
    Verdrängg u Wiederkehr geschehen? Eine Idee – der 
    Inhalt des Wunsches – ist aufgetaucht u geblieben, 
    sogar aus ubw bw geworden, diese innen entstandene 
    Idee ist aber nach außen projizirt worden, kom̄t 
    als Wahrnehmgsrealität wider, an der sich die 
    Verdrängg nun als Widerspruch von Neuem 
    äußern kann. Dem Wunschaffekt ist der Glaube 
    versagt worden, bei der Widerkehr zeigt sich ein 
    entegegengesetzter feindseliger Affekt.

    Zu erklären ist die Projektion. Welches ist die Bedingg 
    daß ein innerer affektbesetzter Vorgang nach 
    außen projizirt werde? Ein Blick auf’s Normale: 
    Unser Bw nim̄t ursprünglich nur zweierlei wahr. 
    Nach außen gewendet die Wahrnehmungen (W), die 
    an sich nicht affektbesetzt sind, u Qualitäten haben, 
    von innen her erfährt es von „Empfindungen“, das sind 
    Äußerungen der Triebe an gewißen Organen, 
    diese sind wenig qualitativ, hingegen starker 
    quantitativer Besetzung fähig. Was solche Quantität 
    zeigt, wird nach innen lokalisirt, was qualitativ 
    u affektlos ist, nach außen.

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    Natürlich sind das grobe Schemata. Alle ψ Vorgänge des 
    Vorstellens, Denkens usw werden durch Beiträge von 
    beiden Seiten hergestellt.

    Das am W. Ende anlangende findet unmittelbaren 
    Glauben, das endopsychisch entstandene unterliegt 
    der Realitätsprüfg, die in Zurückführg auf die W 
    besteht und der Verdränggsneigung, die sich 
    direkt gegen die Unlustqualitäten der Empfindgen 
    wendet.

    Der Sexualtrieb ist ursprünglich autoerotisch, später 
    erteilt er den Erin̄ergsvorstellgen von Objekten 
    Affektbesetzung. Objektliebe. Eine Wunschphantasie 
    wie die Eingangs angenom̄ene ist als eine 
    libidinöse Objektbesetzg anzusehen, kann sie nun der 
    Verdängg unterworfen werden, ehe sie bw. wird 
    so mag das auf verschiedenen Wegen geschehen 
    (Hauptcharaktere d. einzelnen ψNeurosen). Ist ihr 
    Vorstellgsinhalt nach dem WEnde projizirt worden, 
    so kann dieß nur so geschehen sein, daß ihr zunächst 
    die Libidobesetzg entzogen wurde. Dann hat sie den 
    Charakter einer Wahrnhmg. 

    Bei der Par wird dem Objekt die Libido entzogen, 
    eine Umkehr davon ist die Trauer, wo das Objekt 
    der Libodo entzogen wird.

    Was die Objektvorstllg an Besetzg verloren hat, wird 
    ihr zunächst als Glaube ersetzt. Wohin die Libido 
    geraten ist, darauf deutet die primär bei der Par
    auftretende Feindseligkeit gegen das Objekt: Diese 
    ist die entzogenen Wahrnehmung der Libidoentziehg. 
    Bei dem Compensationsverhältniß zwischen Objekt-
    besetzg und Ichbesetzungen wird es wahrscheinlich, 
    daß die dem Objekt entzogene Besetzg in’s Ich 
    zurückgekehrt ist, dh: autoerotisch geworden ist.

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    Das paran Ich ist darum überbesetzt – egoistisch, größensüchtig. 
    Ein Gegenstück zu dem hier supponirten Vorgang 
    zeigt die Angsthysterie. Hysterie ist ganz allgemein 
    charakterisirt durch das Übermaß der Objektbe-
    setzungen. Sie ist extreme Objektliebe, sie überzieht 
    selbst die autoerotische Vorzeit mit Objektphantasien 
    (Verführung). Sie nim̄t alles zum Objekt, was mit 
    dem Normalobjekt in entfernter Beziehg steht, 
    auch Räumlichkeiten daher die Hysterie an den 
    Ort gebunden ist (Platzangst) wie an die Nähe der 
    Geliebten, im Gegensatz zur Unstetigkeit, zum 
    Wandertrieb der Demenzt. praecox.

    In der Angsthysterie findet das Gegentheil von 
    dem statt was sich wir bei Par. supponirt haben. Äußere 
    Reize, also W. werden behandelt wie in̄ere mit 
    Affekt besetzte Vorgänge. Die bloße Vorstellg 
    wirkt wie ein in̄eres Erlebniß; die Schreckhaftigkeit. 
    Die bloße Einziehg der Objektbesetzungen in’s Ich 
    in’s Autoerotische kom̄t als organischer Vorgang 
    mit Affektverwandlung (in Unlust) vor, nämlich in 
    der sog. Hypochondrie. Die Verwendung dieses 
    Mechanismus zu Verdränggszwecken ergibt erst 
    die Paranoia. Die Hypochondrie steht also zur 
    Par in einem analogen Verhältniß wie die rein 
    somatisch fundierte Angstneurose zu der durch’s ψ 
    gehenden Hysterie. Hypochondrie nähert sich oft 
    genug der Paranoia, geht in sie über, mengt 
    sich ihr bei.

    Nun ist nicht zu vergeßen, daß es sich bei den ψN 
    durchwegs um mißglückte Abwehr handelt. Die 
    Par. scheint am sichersten zu mißglücken, dh: 
    die Libido sucht ihr Objekt wider auf, sucht sich 
    durchzusetzen u heftet sich nun unter Verkehrung 
    in Unlust an die W, zu denen das Objekt geworden ist.

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    Der Widerkehrkampf ist bei der Par. deutlicher als bei 
    den anderen Neurosen. Die libid. Besetzg steigert nun 
    die zu W gewordenen Vorstellgen zu Hallucinationen 
    was wir klinisch beobachten, entspricht diesem sekundären 
    Abwehrkampf gegen die libidinöse Phantasie, die 
    nun vom einen Ende des seelsischen Apparates angreift, 
    an dem sonst nur die Realität ankom̄t.

    Man nehme dazu, dass dieser Prozeß in der Regel 
    ein partieller ist, dh nur diese oder jene Com-
    ponente der libid. Objektbesetzg ergreift. Dabei 
    setzt sich allmälich die ganze verdrängte Libido in 
    Glauben um, dieser Ursprung aus der Libido 
    gibt dem Wahn seine Stärke. Wahn ist aus 
    Libido hervorgegangener Realitätsglaube.

    Resumé. Die Projektion ist eine Art der Verdrängg 
    (analog der Conversion etc) bei der die Vorstellg als 
    Wahrnehmg bewußt, der dazugehörige Affekt abge-
    trennt in’s Ich zurückgezogen wird unter Unlust-
    verkehrung. Dieser Affekt (die libid. Besetzung) 
    sucht sich dann von der W aus wieder dem Ich 
    aufzudrängen.

    Leichter als andere ΨN wäre die Par. durch die 
    normalen ψ Vorgänge zu erläutern.

    Wie Sie merken ergibt sich aus den hier behandelten 
    Beziehungen zwischen der libid. Objektbesetzg und 
    den Ichbesetzungen leicht eine Formel für die 
    besonders geglückte Art der Verdrängg bei 
    den halluc Formen des echten Wahnsinns 
    (Amentia) (Vgl eine alte Analyse in der Sam̄lung)

    Mit herzl Gruß Ihr
    D. Freud

    Ein Schelm, der mehr gibt als er hat.

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    Einige theoretische Gesichtspunkte zur Paranoia

    Grundtatsache etwa die: In einer f. Person taucht der Wunsch nach Verkehr mit einem Mann auf. Er unterliegt der Verarg u erscheint wider in folgender Form: Man sagt draußen, daß sie den Wunsch habe was von ihr bestritten wird. (Oder: dieser Verkehr hat sich nächtl Weile gegen ihren Willen vollzogen. Aber diese Form ist nicht die primäre).

    Was ist bei dieser für die Pat. Charakteristik. Art der Verarg u Wiederkehr geschehen? EineIdee – der Inhalt des Wunsches – ist aufgetaucht u geblieben, sogar aus ubw bw geworden, diese innen entstandene Idee ist aber nach außen projiziert worden, kommt als Wahrnehmgsrealität wider, an der sich die Verdrängt nun als Widerspruch von Neuem äußern kann. Dem Wunschaffekt ist der Glaube versagt geworden, bei der Wiederkehr zeigt sich ein entegegengesetzter feindseliger Affekt. 

    Zu erklären ist die Projektion. Welches ist die Bedingt daß ein innerer affektbesetzter Vorgang nach außen projiziert werde? Ein Blick auf’s Normale: Unser Bw nimmt ursprünglich nur zweierlei ihr. Nach außen gewendet die Wahrnehmungen (W), di sich nicht affektbesetzt sind, u Qualitäten haben, von innen her erfährt es von „Empfindungen“, das sind Äußerungen der Triebe an gewissen Organen, diese sind wenig qualitativ, hingegen starker quantitativer Besetzung fähig. Was solche Quantität zeigt, wird nach innen lokalisirt, was qualitativ und affektlos ist, nach außen.

    Natürlich sind das grobe Schemata. Alle ψ Vorgänge des Vorstellens Denkens usw werden durch Beiträge von beiden Seiten hergestellt. 

    Das am W Ende anlangende findet unmittelbaren Glauben, das indopsychisch entstandene unterliegt der Realitätsprüfg, die in Zurückführt auf die W besteht und der Verdränggneigung die sich direkt gegen die Unlustqualitäten der Empfindgen wendet. 

    Der Sexualtrieb ist ursprünglich autoerotisch, später erteilt er den Erinnerungsvorstellungen von Objekten Affektbesetzung. Objektliebe. Eine Wunschphantasie wie die eingangs angenommene ist als eine libidinöse Objektbesetzung anzusehen, Kann sie nun der Verdängg unterworfen werden, ehe sie bw. wird so mag das auf verschiedenen Wegen geschehen (Hauptcharaktere  d.ψ Neurosen) Ist Vorstellungsinhalt nach dem Wende projiziert worden, so kann dies nur so geschehen sein, daß ihr zunächst die Libidobesetzg entzogen wurde. Dann hat sie den Charakter einer Wahrnhmg. 

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    Bei der Pat wird dem Objekt die Libido entzogen, eine Umkehr davon ist die Trauer, wo das Objekt der Libodo entzogen wird.  

    Was die Objektvorstllg an Besetzg verloren hat, wird ihr zunächst als Glaube ersetzt. Wohin die Libido geraten ist, darauf deutet die primär bei der Pat. auftretende Feindseligkeit gegen das Objekt: Diese ist die entzogenen Wahrnehmung der Libidoentziehg. Bei dem Compensationsverhältnis zwischen Objektbesetzg und Ichbesetzungen wird es wahrscheinlich, daß die dem Objekt entzogenen Besetzg in’s Ich zurückgekehrt ist, d.h. autoerotisch geworden ist.

    Das paran Ich ist darum überbesetzt-egoistisch, größensüchtig. Ein Gegenstück zu dem hier supponierten Vorgang zeigt die Angsthysterie. Hysterie ist ganz allgemein charakterisiert durch das Übermaß der Objektbesetzungen. Sie ist extreme Objektliebe, sie überzieht (übergießt?) selbst die autoerotische Vorzeit mit Objektphantasien (Verführung). Sie nimmt alles zum Objekt, was mit dem Normalobjekt in entfernter Beziehg steht, auch Räumlichkeiten daher die Hysterie an den Ort gebunden ist (Platzangst) wie an die Nähe der Geliebten, im Gegensatz zur Unstetigkeit, zum Wandertrieb der Dement. praecox.

    In der Angsthysterie findet das Gegenteil von dem statt was sich wir bei Par. supponirt haben. Äußere Reize, also W. werden behandelt wie innere mit Affekt besetzte Vorgänge. Die bloße Vorstellung wirkt wie ein inneres Erlebnis; die Schreckhaftigkeit. Die bloße Einziehung der Objektbesetzungen in’s Ich in’s Autoerotische kommt als organischer Vorgang mit Affektverwandlung (in Unlust) vor, nämlich in der sog. Hypochondrie. Die Verwendung dieses Mechanismus zu Verdrängungszwecken ergibt erst (wohl?) die Paranoia. Die Hypochondrie steht also für Par. in einem analogen Verhältnis wie die rein somatisch fundierte Angstneurose zu der durch’s ψ gehenden Hysterie. Hypochondrie nähert sich oft genug der Paranoia, geht in sie über, mengt sich ihr bei.

    Nun ist nicht zu vergessen, daß es sich bei den ψ N durchwegs um mißglückte Abwehr handelt. die Par. scheint am sichersten zu mißglücken, dh: die Libido sucht ihr Objekt wider auf, sucht sich durchzusetzen u heftet sich nun unter Verkehrung in Unlust an die W, zu dehnendes Objekt geworden ist. 

    Der Widerkehrkampf ist bei der Par. deutlicher als bei den anderen Neurosen. Die libid. Besetzg steigert nun die zu W gewordenen Vorstellgen zu Halluzinationen was wir klinisch beobachten, entspricht diesem sekundären Abwehrkampf gegen die libidinöse Phantasie, die nun vom einen Ende des seelsischen Apparates angreift, an dem sonst nur die Realität ankommt. 

  • S.

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    Man nehme dazu, dass dieser Prozeß in der Regel ein partieller ist, dg dh nur diese oder jene Componente der libid. Objektbesetzg ergreift. Dabei setzt (?) sich allmählich diejenig die ganze verdrängte Libido in Glauben um, dieser Ursprung aus der Libido gibt dem Wahn seine Stärke. Wxhn Wahn ist aus Libido hervorgegangener  Realitätsglaube.

    Resumé. Die Projektion ist eine Art der Verdrängg. (analog der Conversion etc) bei der Vorstellg als Wahrnehmg bewußt, der dazugehörige Affekt abgetrennt in’s Ich zurückgezogen wird unter Unlustverkehrung. Dieser Affekt (die libid. Besetzung) sucht sich dann von der W aus wieder dem Ich aufzudrängen.

    Leichter als andere ΨN wäre die Par. durch die normalen ΨVorgänge zu erläutern.

    Wie Sie merken ergibt sich aus der hier (heut?) behandelten Beziehungen zwischen der libid.  Objektbesetzg und der Ichbesetzungen bereitsleicht eine Formel für die besonders geglückte Art der Verdrängung bei der halluc Formen des echten Wahnsinns (Amentia) (xxxxxx (Habvgl. eine
    alte Analyse in der Sammlung)

    Mit herzl Gruss Ihr
    Dr. Freud

    Ein Schelm, der mehr gibt als er hat.