Facialis 1888-024/1899
  • S.

    Facialis, adj. [lat. facies Gesicht]; (frz.
    facial; engl. facial; it. facciale); zum Ge
    sicht gehörig.
    I. Carotis f = Carotis externa, siehe
    Carotis III.
    II. Glandulae faciales profundae, $6-8$
    an der Zahl, liegen in der Fossa spheno
    maxillaris und an der Seitenwand des
    Schlundkopfes, nehmen als Vasa inferentia
    die Lymphgefässe der Augen- und Nasen
    höhle, sowie des Schlundkopfes und durch
    das Foramen spinosum und ovale einige
    Lymphgefässe des Gehirns (Arnold) auf und
    senden ihre Vasa efferentia zu den Glan
    dulae jugulares superiores.
    III. Nervus facialis, (frz. nerf m facial;
    engl. facial nerve; it. nervo m facciale); Ge
    sichtsnerv, $7$. Gehirnnerv.
    A. Anatomie: Der N. f. entspringt
    aus einem seitlich und ventral gelegenen
    Kern des verlängerten Markes, in denselben
    Ebenen, welche die Kerne des N. abducens
    und des N. acusticus enthalten. Seine
    Wurzelfasern verlaufen vom Kern aus nach
    innen und dorsal, bilden einen kompakten
    unter dem Ventrikelboden gelegenen Strang,
    umgreifen dann den Abducenskern, wenden
    sich wieder nach aussen und ventral und
    treten am hinteren Rande des Brückenarmes
    seitlich vom N. abducens und sehr nahe dem
    Hörnerven aus dem Zentralorgan aus. Ob
     

    nicht ein Teil der als F. bezeichneten Fasern
    aus dem Oculomotorius-, Abducens- und
    Hypoglossus-Kern stammt, hat sich anato-
    misch noch nicht entscheiden lassen. Ex-
    perimentelle Versuche Mendel's scheinen
    indessen darzuthun, dafs bei bestimmten
    Tieren der obere F. nicht aus dem Kern
    der Nerven, sondern aus dem Oculomotorius-
    kern herrührt. In Analogie derselben würde
    es für die menschliche Pathologie nichts Auf-
    fälliges haben, dass z. B. nach einem das
    F.-zentrum in Mitleidenschaft ziehenden
    Bluterguss im Gehirn nur der aus dem F.-
    kern entspringende Teil geschädigt, nur die
    untere Gesichtshälfte gelähmt wird und dafs
    bei einzelnen Rückenmarkserkrankungen,
    z. B. der Bulbärparalyse, welche in der Regel
    den Oculomotoriuskern nicht erreichen, eben-
    falls nur die unteren Zweige des F. afficirt
    sind. Auch die bei Kernerkrankung des F.
    nicht gerade seltene Beobachtung, den Mus-
    culus orbicularis oris intakt zu finden, hat
    zur Vermutung Anlass gegeben, dass die In-
    nervationsfasern für diesen Muskel vom
    Hypoglossuskern ausgehen. Der periphere
    Verlauf des Nerven ist nicht minder ver-
    wickelt, als sein zentraler. Der Nerven-
    stamm tritt neben dem Hörnerven, mit dem
    er durch den N. intermedius Wrisbergi ver-
    bunden ist, in den Meatus auditorius in-
    ternus, aus demselben in den Fallopischen
    Kanal des Felsenbeins, wo selbst er in der
    medialen Wand der Paukenhöhle über der
    Fenestra ovalis zu liegen kommt. Vom
    Knie des Canalis Fallopiæ, in welchem er
    zum Ganglion geniculatum anschwillt, geht zu-
    gleich mit dem Kanal die Richtung auch
    des F. zuerst nach hinten (Genu N. F.), dann
    nach unten zum Foramen stylomastoideum,
    durch welches er austritt. In zwei Aeste
    gespalten, begibt er sich in die Substanz
    der Parotis und zerfällt in derselben in
    eine periphere Verzweigung, welche den
    Namen Plexus Parotideus (Pes anserinus
    major) führt. Auf dem Wege durch den
    Knochenkanal lösen sich bereits mehrere
    Zweige vom Nerven ab, darunter der Pe-
    trosus superficialis major zum Ganglion
    sphenopalatinum, vom zweiten Ast der Tri-
    geminus und die sog. Chorda tympani,
    welche einen rückläufigen Weg einschlägt,
    durch die Paukenhöhle hindurch, und sich
    zum Nervus lingualis, vom dritten Ast des
    Trigeminus anschliesst. Ausser durch diese
    beiden Nerven steht der Gesichtsnerv noch
    durch andere Aeste in anatomischer Ver-
    bindung mit dem Trigeminus, Acousticns, Va-
    gus und wahrscheinlich auch mit dem Glosso-
    pharyngeus. Diese Verbindungen mögen zum
    Teil nur scheinbare sein. Der N. F. ist ein
    wesentlich motorischer Nerv, welcher sen-
    sible Eigenschaften erst durch die im Ca-
    nalis facialis zu ihm stossenden Zweige des
    N. trigeminus gewinnt, der aber wahrschein-
    lich von Anfang an secretorische Fasern
    für die Speicheldrüsen und möglicherweise
    für die Thränendrüsen mit sich führt. Er
     

  • S.

    enthält ausserdem in der Chorda tympani tre-
    diejeningen Geschmacksfasern, welche an den
    Rändern und der Spitze der Zunge endigen.
    Mit seinen motorischen Endästen versorgt
    er alle äusseren Muskeln des Gesichtes und
    der Schädeldecke, die äusseren Ohrmuskeln,
    den M. stapedius, einen Teil der Gaumen-
    muskulatur, den hinteren Bauch des M. di-
    venter und des Platysma myoides. Für die
    Neuropathologie ist eine genaue Topographie
    des F. unerlässlich; man findet ein Lässeres
    ausschaulich auf Tafel II des Frohnschen
    Atlas über die oberflächlichen Nerven des
    Kopfes.

    B. Erkrankungen des Nervus f.
    Facialiskrampf, der (frz. tic m facial ou
    douloureux, tic m convulsif; engl. facial
    neuralgia, facache; it. tic m spasmotico
    della faccia, tic m facciale). Klonische
    Krämpfe in den vom Facialis versorgten
    Muskeln kommen neben Parese oder Läh-
    mung dieser Muskeln vor: 1. bei Krankheits-
    herden der Hirnrinde, welche die Facialis-
    zentren betreffen (kortikale Epilepsie); 2. bei
    gleichzeitig destruierenden und irritieren-
    den Läsionen des Nervenstammes (Pachy-
    meningitis, Tumoren, Kompression durch ein
    Aneurysma); 3. bei unvollkommener Heilung
    einer peripherischen Gesichtslähmung mit
    Ausgang in Kontraktur (s. Facialislähmung).
    Wichtiger und häufiger sind aber jene Fälle,
    in denen der Krampf der Gesichtsmuskula-
    tur ohne organische Veränderung als selb-
    ständige oder reflektorisch verursachte Neu-
    rose auftritt, also eine Einzelform der Ma-
    ladie des Tics convulsifs darstellt. Solche
    Krämpfe zeigen eine grosse Mannigfaltig-
    keit ihrer Symptomatologie. Es hat Wert,
    einen lokalen, partiellen und diffusen F. zu
    unterscheiden. Der totale F. ist einseitig,
    er tritt anfallsweise auf; sämtliche vom Ge-
    sichtsnerven gerichteten Muskeln geraten
    plötzlich in heftige Zusammenziehung, als
    ob ein starker faradischer Strom auf den
    Nervenstammm eingewirkt hätte, bleiben eine
    kurze Zeit tonisch gespannt, erschlaffen dann
    plötzlich und können in gleicher Weise
    mehrere unmittelbar aufeinander folgende
    Zuckungen zeigen. Die Anfälle sind ent-
    weder spontan oder durch eine Thätigkeit,
    Bewegung, mimische Bewegung veranlasst,
    sie sind nicht von Schmerz begleitet und
    durch den Willen nicht zu unterdrücken.
    Der partielle F. ist auf einzelne Ge-
    sichtsmuskeln beschränkt, am häufigsten auf
    den Kreismuskel der Lider oder den M. fron-
    talis, er ist mässig doppelseitig, auch alter-
    nierend. Es tritt dann plötzlich eine gri-
    massenhafte Verziehung des Gesichtes, etwa
    ein Hinaufziehen beider Mundwinkel, auf,
    um nach kurzer tonischer Dauer zu ver-
    schwinden. Der diffuse F. betrifft die ge-
    samte Gesichtsmuskulatur beider Seiten, ist
    aber dadurch ausgezeichnet, dass der Kon-
    trakturzustand jedesmal nur wenige Mus-
    keln ergreift. Es folgen bei ihm häufig in
    ununterbrochener Folge Wellen von Kon-
     

    traktionen über die Muskulatur des Gesichtes,
    welche entweder einfache Bewegungen oder
    kompliziertere (Grimassen) erzeugen.
    Häufig besteht neben dem diffusen F.-
    krampf ein Krampf in den Hals- und Nacken-
    muskeln. Die Aetiologie diesen Krampfes
    ist unvollkommen aufgeklärt. Bei dem to-
    talen und partiellen Form, welche beide
    eher als eine rein lokale Affektion aufge-
    fasst werden können, darf man in der Regel
    erwarten, Reizzustände im Gebiete des Trige-
    minus zu finden, welche sich auch oft durch
    Schmerzhaftigkeit gewissen Stellen bei Druck
    verraten. So schliesst sich der F.-krampf ge-
    legentlich an eine Neuralgie des Trigeminus
    oder eines seiner Aeste an, anderemals finden
    sich schmerzhafte Stellen am Kieferrand,
    Caries der Zähne etc. und die Wegschaffung
    dieser Reizquellen ist mitunter der beste
    Weg, den F.-krampf zu heilen. Chronische
    Schwellungen der Kiefermuscheln scheinen
    in einer Reihe von Fällen für das Entstehen
    und Aufhören des Krampfes von Bedeutung
    zu sein; bei dem partiellen, auf den M. obi-
    cularis beschränkten Krampf – Blepharo-
    spasmus (s. d.), wenn er tonisch, Spasmus
    nictitans oder Nictitatio (s. d.), wenn
    er klonisch – sind häufig Ueberanstrengung
    der Akkomodation, Astigmatismus, unkorri-
    gierte Hypermetropie, Entzündungen der
    Conjunctiva und Cornea, Fremdkörper im
    Auge, sowie oftmals Supraorbitalneuralge
    nachzuweisen und therapeutisch zu beachten.
    Andere Fälle des F.-krampfes insbesondere
    die diffusen Formen sind wesentlich als Aus-
    druck einer allgemeinen neuropathischen
    Veranlagung aufzufassen. Sie sind der The-
    rapie wenig zugänglich, wie denn die directe
    Behandlung des F.-krampfes überhaupt arm
    an Erfolgen ist. Die beim lokalen F. ver-
    suchte Dehnung des Gesichtsnerven ist zu
    verwerfen. Von Weir-Mitchell ist neuer-
    dings wiederholte Refrigeration der Gesichts-
    haut empfohlen worden. – Die diffusen
    Formen des Gesichtskrampfes stehen im all-
    gemeinen ein lebenslängliches Leiden dar,
    wie der Tic convulsif überhaupt, welches
    zu Zeiten bei seinem Nachlass des Allgemein-
    befindens sich steigert und zeitweise sich
    mildert oder selbst aufhören kann. Der
    Beginn der Erkrankung reicht meist ins
    Kindesalter zurück (s. Elektrotherapie IV, 1.)

    C. Facialislähmung. Da die Gesichts-
    lähmung die häufigste und in vieler Beziehung
    interessanteste aller zur Beobachtung kom-
    menden Lähmungen ist, möge sie hier eine
    ausführlichere Würdigung erfahren. Eine
    Gesichtslähmung (infolge organischer Erkran-
    kung des Nerven) kann eine zentral oder
    p e r i p h e r i s c h bedingte sein. Im ersten
    Falle muss die Läsion die Fasern des Ge-
    sichtsnerven auf ihrem zentralen Wege vom
    Pons nach aufwärts bis zur Gehirnrinde
    betreffen; die Lähmung ist wegen der im
    Pons erfolgenden Kreuzung aller motori-
    schen Hirnnervenbahnen ungleichseitig zu
    dem Sitz der Läsion. Im letzten Falle ist
     

  • S.

    die Lähmung auf derselben Seite wie die
    Läsion und kann betreffen 1. den Kern des
    N. facialis (Nuklearlähmung); 2. die Wurzel-
    bündel desselben in der Oblongata; 3. den
    Stamm desselben in der Schädelhöhle (intra-
    kranielle Lähmung) und 4. den peripherischen
    Verlauf (eigentliche peripherische Lähmung)
    im Felsenbein oder ausserhalb dieses Kno-
    chens. Affektion des Nerven an einer der
    vier aufgezählten Lokalitäten gibt ein im
    wesentlichen einheitliches Bild, das der peri-
    pherischen Gesichtslähmung, welches eine
    genauere Lokalisation des Krankheitsherdes
    nur mit Bezug auf einzelne später anzu-
    führende Züge gestattet. Das Wichtigste
    bleibt die Unterscheidung einer zentralen
    Gesichtslähmung von einer peripheren.

    I. Die zentrale Gesichtslähmung
    hat folgende Eigentümlichkeiten: a) sie ist
    meist keine vollkommene, also nur Parese;
    b) sie betrifft in auffälliger Weise nur die
    Muskeln um die Nasen- und Mundöffnung
    und verschont die Muskeln um die Lidspalte
    und die Stirnmuskeln; c) die elektrische
    Erregbarkeit des Nerven und der Muskeln
    ist unverändert; d) Atrophie der paretischen
    Muskeln tritt niemals ein; e) die reflektro-
    rische Beweglichkeit der gelähmten Muskeln
    ist erhalten; f) die zerebrale F.-parese ist
    zumeist von anderen zerebralen Symptomen,
    am häufigsten von einer Ablenkung der vor-
    gestreckten Zunge nach der paretischen Seite,
    begleitet.

    Der unter b angeführte Satz ist nicht
    dahin zu verstehen, dass der M. orbicularis
    orbitae et palpebrarum und der M. fron-
    talis an der zerebralen Parese in keiner
    Weise beteiligt sind. Ein gewisser Grad
    von Schwäche in diesen Muskeln ist viel-
    mehr auch bei der zerebralen F.-lähmung
    mehr häufig wenn nicht die Regel. (Die
    Lidspalte der affizierten Seite kann meist
    nicht so vollständig geschlossen werden wie
    die der anderen, fast immer ist das Ver-
    mögen verloren gegangen, die eine Lidspalte
    isoliert zu schliessen.) Aber diese Störungen
    sind doch geringer als im Bereiche der
    Mundfacialis; sie zeigen sich nur beim Ein-
    tritt der zentralen Lähmung und werden
    schon nach wenigen Tagen ausgeglichen.
    Die zerebrale F.-lähmung ist das häufigste
    und gleichzeitig vielseitigste Symptom
    eines Hirnleidens oder der Beeinträchtigung
    einer Grosshirnhemisphäre so dass der
    mimische Apparat der Gesichtsmuskulatur
    für das empfindlichste Reagens auf die Funk-
    tionstüchtigkeit einer Gehirnhälfte erklärt
    werden muss. Sie tritt bei Prozessen auf,
    welche sich sonst nur durch psychische Sym-
    ptome äussern, oder deutet, wenn in der Kind-
    heit erworben, auf einen ehemals abgelau-
    fenen Gehirnprozess im kindliche Encepha-
    litis (Kinderlähm.). Im Verein mit Zungen-
    und Extremitätenparese ist die zerebrale
    F.-lähmung ein konstante Zug im Bilde
    der Hemiplegie, welche auf eine Schädigung
    der motorischen Bahn im engeren Umfange
     

    zu beziehen ist. Mit der Häufigkeit der
    Gesichtslähmung bei organischen Gehirnpro-
    zessen kontrastiert in auffälliger Weise
    deren Seltenheit (oder vielmehr Ausbleiben)
    bei der funktionellen, hysterischen Lähmung
    und hier handelt es sich fast immer um
    Lähmung einer Muskelgruppe. Das Fehlen
    der zerebralen F.-parese ist in der That das
    wichtigste unterscheidende Moment zwischen
    der organischen und der hysterischen Hemi-
    plegie. Es kommt allerdings auch bei Letz-
    terem eine Ungleichheit in der Innervation
    beider Gesichtshälften zur Beobachtung; die-
    selbe beruht aber gewöhnlich nicht auf
    einer Parese, sondern auf einem tonischen
    durch klonische Zuckungen unterbrochenen
    Krampf der einseitigen Gesichtsmuskeln,
    dem sich eine exzessive und krampfhafte
    Abweichung der Zunge gesellt. Dieser ein-
    seitige Lippenzungenkrampf der Hysterie
    tritt bald auf der Seite der Hemiplegie,
    bald auf der gesunden Seite auf; im letz-
    teren Falle ergibt sich das auffällige Ver-
    halten, dass die vorgestreckte Zunge nicht
    wie bei organischer Lähmung nach der kran-
    ken sondern nach der gesunden Seite hin
    abweicht. Bei der Diagnose einer zere-
    bralen F.-parese ist indes eine Vorsicht
    nicht ausser acht zu lassen. Es kommen
    sehr häufig Ungleichheiten in den Gesichts-
    zügen, in der Tiefe der Nasolabialfalte, der
    Stellung der Mundwinkel etc. vor, welche
    keine pathologische Bedeutung haben, son-
    dern als habituell zu bezeichnen und häufig
    als Ausdruck einer bloss morphologischen
    Asymmetrie aufzufassen sind. Diese Asym-
    metrieen bestehen oft nicht nur im mimischen
    Ruhe, sondern zeigen sich auch bei mimischen
    Bewegungen. Es fehlt an einem durchwegs
    verlässlichen Merkmale, eine solche habituelle
    Ungleichheit von einer zerebralen Parese zu
    unterscheiden.

    II. Die peripherische F.-lähmung
    hat folgende allgemeine Charaktere: 1. Sie
    kann leicht eine hohe Intensität erreichen
    (F.-paralyse); 2. sie betrifft die obere Ge-
    sichtsmuskeln ebensowier wie die der unteren
    Gesichtshälfte; nur ausnahmsweise soll der
    Orbicularis oris oder Orbicularis palpebrarum
    verschont sein; 3. die elektrische Erregbar-
    keit des Nervus f. und der Muskeln ist ver-
    ändert, von der einfachen Herabsetzung bis
    zum völligen Erlöschen; 4. die gelähmten
    Muskeln atrophieren; 5. die reflektorische
    Beweglichkeit derselben ist aufgehoben
    (reflektorischer Verschluss); 6. es können
    neben den motorischen Symptomen einige
    andere auftreten, welche sich aus der Ana-
    tomie der peripherischen F.-stückes er-
    klären. – Das Bild einer schweren peri-
    pherischen Gesichtslähmung ist in der Ruhe
    etwa folgendes: Die gelähmte Gesichtshälfte
    erscheint glatt und ausdruckslos, die Lider
    fehlen, sowie die Faltungen um die Lider
    fehlen, die Skleras des Auges ist in weiterem
    Umfange entblösst, die Nasolabialfalte ist
    verstrichen, der Mundwinkel hängt schlaff
     

  • S.

    herab; Nase und Mund sind nach der ge-
    sunden Seite hin verzogen. Alle mimischen
    Bewegungen werden nur von der einen Ge-
    sichtshälfte ausgeführt. Bei minder schwerer
    Lähmung ist in der Ruhe nichts zu bemer-
    ken, dagegen tritt die Lähmung hervor, wenn
    man den Kranken mimische Bewegungen
    ausführen lässt. Dann zeigt sich, dass die
    Stirn auf der gelähmten Seite nicht gerunzelt
    werden kann; das Auge kann nicht ver-
    deckt werden, sondern wird beim Versuch
    einen Lidschlusses nach oben gerollt. Die
    Entblössung der Conjunctiva und das Fehlen
    des zum Schutze des Bulbus wichtigen Lid-
    schlusses bedingt nicht katarrhalische Affek-
    tion der Conjunctiva. Die Thränen werden
    wegen des Ectropium des Unterlides nicht
    abgeleitet und fliessen über die Wange
    herab. Das Auge sieht auch im Schlafe
    offen (Lagophthalmus). Der Nasenflügel der
    gelähmten Seite wird bei tiefer Inspiration
    nicht gehoben, deshalb kann auch das Riechen
    erschwert sein. Pfeifen, Ausblasen eines
    Lichtes u. dergl. ist unmöglich, die Wange
    wird bei der Exspiration nach aussen auf-
    gebläht; kann wegen mangelnden Lippen-
    schlusses nicht aktiv aufgeblasen werden;
    die Sprache wird undeutlich, beim Kauen
    werden die Bissen nicht zwischen den Zähnen
    festgehalten und fallen gegen die Wange
    hin, beim Trinken entweicht Flüssigkeit auf
    der gelähmten Seite. Diese Symptome der
    Gesichtsmuskellähmung können zustande
    wenn der Nerv nach seinem Austritt aus
    dem Foramen stylomastoideum erkrankt ist.
    Betrifft die Erkrankung eine höhere Stelle,
    welche dem Verlaufe durch den Fallopischen
    Kanal angehört, so treten einige andere
    Symptome auf, die man auf die Mit-
    beteiligung der Chorda tympani, des N.
    petrosus superficialis und des N. stapedius
    beziehen muss. Solche sind: 1. Abnahme
    der Geschmacksempfindung an den vorderen
    zwei Dritteln der Zunge (angeblich auch
    Abnahme der Tastenempfindlichkeit daselbst),
    Trockenheit der Mundhöhle auf der gelähm-
    ten Seite (Chorda tympani); 2. schlaffstand
    des Zäpfchens und Herabsetzung der Beweg-
    lichkeit der Gaumenbögen auf der Seite der
    Gesichtslähmung (N. petrosus superficialis);
    3. abnorme F e i n h ö r i g k e i t, häufig mit sub-
    jektiven Ohrgeräuschen verbunden (Nerv zum
    M. stapedius). Das Vorkommen eines oder
    mehrerer dieser Symptome gestattet, die er-
    krankte Stelle des Nerven in den Fallopischen
    Kanal zu verlegen, und erschwert im allge-
    meinen die Prognose der Gesichtslähmung.
    Ist der Nervus f. noch in der Schädelhöhle
    oder im Meatus auditoris erkrankt, so wird
    zumeist eine Affektion des ihm anlie-
    genden Hörnerven (und Vestibularnerven)
    nachzuweisen sein. Häufiger jedoch ist der
    Zusammenhang der Gehörsstörung und der
    Gesichtslähmung ein anderer. Die Gehörs-
    störung ist dann die Folge eines krankhaften
    Prozesses im Felsenbein, welcher auf den
    dem Gehörorgan nachbarlichen Nervus f.
     

    übergreift. Bemerkenswert ist ferner, dass
    nach einigen sorgfältig untersuchten Fällen
    eine Erkrankung des Nervus f. an der
    Schädelbasis nicht zu Geschmackssstörung
    führt. Die Chorda tympani, welche im
    Felsenbeinstück des Nerven enthalten ist,
    scheint dermnach ein dem F. fremder Faser-
    zug zu sein, der sich peripherisch wie zen-
    tral wieder von ihm lostrennt. – Gleich-
    seitige Erkrankung beider Nervi faciales
    erzeugt die sogenannte Diplegia f., bei
    welchem Zustande die mimische Starre des
    Kranken einen höchst eigentümlichen Ein-
    druck hervorbringt. Die Diplegia f. kommt
    in seltenen Fällen nebst doppelseitiger Ab-
    ducenslähmung als congenitaler oder intra
    parturn erworbener Zustand vor. Ähnliche
    mimische Starre findet sich auch in jenen
    Fällen von primärer Erkrankung der Gesichts-
    muskulatur, die nicht auf F.-lähmung, son-
    dern auf Muskelatrophie zu beziehen sind (s.
    Muskelatrophie unter Atrophie). – Aetiolo-
    g i e : In erster Linie ist Zug und Erkältung
    für die F.-lähmung rückhaltlos anzuer-
    kennen. Es ist ganz unzweifelhaft dass
    mitunter einige Stunden nach einem Gange
    in ein kaltes, zugiges Local, nach einer
    Eisenbahnfahrt bei heftigem Luftzug u. dgl.
    eine „rheumatische” Gesichtslähmung auf-
    tritt. Die ihr zu Grunde liegende anato-
    mische Veränderung wurde bis jetzt in einer
    entzündlichen Affektion der Nervenscheide,
    einer Perineuritis, gesucht. Die häufigste
    Lokalisation der Erkrankung scheint die
    gegend des Austritts aus dem Foramen sty-
    lomastoideum zu sein, doch deuten die Sym-
    ptome (Chordaffektion) nicht selten dar auf
    hin, dass sich der Prozess in den Falo-
    pischen Kanal hinein erstreckt. Minkowski
    fand nun bei einem Seilermeister, welcher
    an einer schweren rheumatische Lähmung
    gelitten hatte, post mortem eine von der Peri-
    phere centralwärts fortschreitende: non-
    degenerative Neuritis d. h. dass Peri-
    und Epineurium bot vollkommen normale Ver-
    hältnisse dar. Das ist unseres Wissens der
    erste und einzige pathologisch anatomische
    Befund bei der sogenannten rheumatischen
    F.-Lähmung, dem Rechnung zu tragen
    wäre. Die Strecke des Nerven ausserhalb des
    Felsenbeins erkrankt ferner häufiginfolge von
    direkten Traumen, von Geschwulst-
    und
    Abscessbildung in der Parotidengegend,
    durch Druck vergrösserter Lymph-
    drüsen u. dgl. Die Anlegung der Zunge
    verschiedenerlei Nebenorganen mitunter ve-
    gleichslähmung, die aber meist eine gün-
    stige Prognose bietet. Es ist selbstverständ-
    lich, dass durch Läsion der peripherischen
    Äste (bei Traumen, chirurgischen Opera-
    tionen) partielle Gesichtslähmungen ent-
    stehen können. Endlich findet sich direkt
    neuritischer Erkrankung des Nerven bei der
    in der Regel infektiösen Polyneuritis (s. d.).
    – Das im Felsenbein gelegene Stück des
    Gesichtsnerven kann von allen diesen Kno-
    chen betreffenden Erkrankungen (Fraktu-
     

  • S.

    Blutung, Caries, syphilitische Periostitis)
    in Mitleidenschaft gezogen werden, leidet
    aber am häufigsten den Erkrankungen des
    inneren Ohres; der Otitis interna suppura-
    tiva; ob auch bei einfachen Paukenhöhlen-
    katarrhen, ist zweifelhaft. An der Schädel-
    basis ist der Gesichtsnerv allen jenen schäd-
    lichen Einwirkungen ausgesetzt, welche
    überhaupt basale Hirnnervenlähmungen er-
    zeugen, als: Syphilis, chronische Menin-
    gitis und einige Meningitis Basisfraktur,
    Kompression durch einen oft entfernt ge-
    legenen Tumor, durch ein Aneurysma. Die
    Nuklearenerkrankung des Nervus f. (unter
    doppelseitig) wird beobachtet bei der chro-
    nischen Bulbärparalyse, Blutungen und Tu-
    moren der Oblongata. Eine Unterbrechung
    der motorischen Bahn in der Ponsregion
    kann neben gekreuzter Extremitätenlähmung
    eine ungekreuzte Gesichtslähmung erzeugen
    (Hemiplegie alternata von G u b l e r). Bei der
    Tabes ist F.-lähmung verhältnismässig sel-
    ten. Auch im Gefolge der Diphtherie und
    Influenza ist ein- und doppelseitige F.-läh-
    mung beobachtet worden. Neuerdings ist
    behauptet worden, dass die angeborene neu-
    ropathische Disposition in der Aetiologie
    der peripherischen F.-lähmung eine grosse
    Rolle spielt. Nach einer Statistik von H ü b s c h-
    mann kamen von 138 Fällen peripherischer
    F.-lähmung 98 auf Erkältung, 42 auf Ohr-
    affektionen, 8 auf Trauma, 4 auf Lues. Er
    hält diese Lähmung für eine Infektionskrank-
    heit sui generis, welche den Menschen in
    der Regel nur einmal befällt. Die Zahl der
    Recidive beträgt im übrigen nach unserer
    Schätzung etwa 5–6 %. Männer scheinen
    von der peripherischen F.-lähmung etwas
    häufiger befallen zu werden als Frauen.
    Das Alter von 20–50 Jahren stellt die
    hauptsächlichste Krankheitszeit. Bezüglich
    der Jahreszeiten lässt sich ein Vorwiegen in
    der Zahl der Erkrankungen nicht feststellen.

    Prognose. Ist die Lähmung eine so-
    genannte rheumatische, so besitzen wir in
    der elektrischen Untersuchung einen
    vorzüglichen Anhalt, die Prognose und
    Heilungsdauer der Gesichtslähmung zu be-
    urteilen (s. Elektrodiagnostik I, b). Je nach
    dem Ergebnis der elektrischen Prüfung
    unterscheidet man leichte, schwere und
    Mittelformen der F.-lähmung. (Die Elektro-
    diagnostik gewinnt bei der Gesichtsläh-
    mung darum so sehr an Bedeutung, weil
    der Nervenstamm, die Aeste desselben und
    die einzelnen Muskeln mit grösster Leichtig-
    keit der elektrischen Untersuchung zugäng-
    lich sind.) Als l e i c h t e Form der Ge-
    sichtslähmung fasst man jene Fälle auf, in
    denen die elektrische Erregbarkeit des Ner-
    ven und der von ihm versorgten Muskeln
    keine Veränderung zeigt. Dieselben heilen
    ausnahmslos (wenn peripherischer Natur) au
    nach 2–3 Wochen. Die s c h w e r e n Formen
    der Gesichtslähmung sind im Gegenteil aus-
    gezeichnet durch jene Veränderungen der
    elektrischen Erregbarkeit, welche man als des
     

    Entartungsreaktion zusammenfasst.
    Da diese Veränderungen und deren gesetz-
    mässiger Ablauf vorwiegend durch das Stu-
    dium der Gesichtslähmung erkannt worden
    sind, mögen sie hier eine kurze Erwähnung
    finden. Bei der Entartungsreaktion ist der
    Effekt einer Reizung vom Nerven aus und
    der einer direkten Muskelreizung streng zu
    sondern. Der Nerv zeigt schon wenige Tage
    an, nach Beginn der Lähmung, eine deutliche
    Abnahme seiner Erregbarkeit für galvanische
    und für faradische Ströme. Schliesslich (nach
    10–14 Tagen) ist der Nerv völlig unerreg-
    bar geworden; die stärksten Ströme bleiben,
    wenn auf den Nerven appliziert, für den
    Muskel wirkungslos. Anders verhält sich der
    Muskel. Parallel mit der Abnahme der Er-
    regbarkeit vom Nerven aus nimmt seine Er-
    regbarkeit für direkte faradische Reizung
    ab und verschwindet endlich völlig. Die
    direkte galvanische Erregbarkeit nimmt aber
    nur in der ersten Woche ab; in der zweiten
    Woche wird der Muskel für direkte galva-
    nische Reizung erregbarer als er normal,
    reagiert aber nicht mit raschen, sondern
    mit trägen Zuckungen auf dieselbe. Minder
    konstant und wichtig erscheint es, dass der
    Muskel dann auch durch die Anode ebenso
    oder stärker erregbar ist als durch die nor-
    malerweise stärker reizende Kathode des
    elektrischen Stroms. Das Auftreten der
    Entartungsreaktion also ergibt eine ungün-
    stigere Prognose selbst für die rheumatische
    Gesichtslähmung. Die Herstellung erfolgt
    erst nach 4–6 Monaten, kann auch eine
    unvollständige sein oder ganz ausbleiben.
    Als M i t t e l f o r m werden jene Fälle be-
    zeichnet, in denen zwar die Muskeln Ent-
    artungsreaktion zeigen – Verlust der fara-
    dischen, Steigerung der galvanischen Erreg-
    barkeit, Veränderung der Zuckungsdauer –
    aber die Erregbarkeit des Nerven nicht er-
    lischt. Diese Mittelformen geben zumeist
    bei elektrischer Behandlung eine günstige
    Prognose und heilen in 4–8 Wochen.
    Nach schweren Gesichtslähmungen stellen
    sich häufig Kontrakturen in den gelähmt
    gewesenen Muskeln ein, welche beim ersten
    Anblick die Annahme einer bestehenden Ge-
    sichtslähmung auf der anderen, gesunden
    Seite nahelegen können. Die Prüfung auf
    mimische Beweglichkeit, die elektrische
    Untersuchung, sowie die Untersuchung des
    Widerstandes, den die in Kontraktur befind-
    lichen Muskeln leisten, wird vor dieser Ver-
    wechselung schützen. Ueberdies sind die in
    Kontraktur befindlichen Gesichtsmuskeln
    häufig von Zuckungen befallen. Der Ver-
    änderung der elektrischen Erregbarkeit pa-
    rallel geht eine Atrophie der gelähmten Mus-
    keln, welche in schwereren Fällen und bei
    längerem Bestande der Erkrankung direkt
    augenfällig ist. – In der Therapie der
    rheumatischen F.-lähmung gebührt der Elek-
    trizität der erste Rang. Dieselbe fördert
    unzweifelhaft die Regeneration im Bereich
    des erkrankten Nerven; man kann oft sehen,
     

  • S.

    dass unmittelbar nach jeder Sitzung eine
    Besserung der Motilität eintritt. Ob der
    faradische oder galvanische Strom Besseres
    leistet, lässt sich derzeit nicht entscheiden,
    man wird im allgemeinen jene Stromart an-
    wenden, auf welche die Muskeln noch mit
    Kontraktion reagieren; ferner ist es ratsam,
    der elektrischen Durchströmung eine mecha-
    nische Behandlung der Muskeln (Massage)
    nachfolgen zu lassen. Auch die mimische
    Durchformung wird durch Massage günstig be-
    einflusst. Selbst veraltete Formen von Ge-
    sichtslähmung ergeben noch Erfolg bei elek-
    trischer Behandlung. Bei sekundären Kon-
    trakturen hat man Massage und galvanische
    Durchströmung anzuwenden, den faradischen
    Strom zu vermeiden. Bei frischer rheuma-
    tischer Lähmung wird man lokale Blutent-
    ziehungen und Diaphorese versuchen (warme
    Bäder, Fomentierungen, Pilokarpininjek-
    tionen). – Die Therapie der anders verur-
    sachten Formen von Gesichtslähmung wird
    sich selbstverständlich nach der im einzelnen
    Falle ermittelten Ursache zu richten haben.

    IV. Vena facialis. a) Die Vena f. a n t e-
    r i o r bildet mit der Vena f. p o s t e r i o r (s.
    unter c) die Vena f. c o m m u n i s (s. b). Der
    Art. maxillaris interna entsprechend beginnt
    die anterior an der Seite der Nasenwurzel
    als Vena angularis und steigt zum Angulus
    maxillae herab. Sie nimmt die von den
    Lidern, der Nase, den Lippen, der Wange,
    dem Kinn und dem Gaumen herkommenden
    Venen auf, desgleichen auch die Vena ranina.

    – b) Die Vena f. c o m m u n i s entsteht, wie
    oben angegeben, und läuft als kurzer Stamm
    vom Angulus maxillae schräg durch das
    Trigonum cervicale superius zur Vena jugu-
    laris interna und nimmt dabei die Vena
    thyreoidea superior, die Venae pharyngeae
    und die Lingualis auf. – c) Die Vena f.
    p o s t e r i o r bildet mit der anterior (s. a)
    die communis (s. b), entsteht an der Wurzel
    des Processus zygomaticus, aus der Tempo-
    ralis superficialis und Media, zieht durch
    die Parotis zum Angulus maxillae hinab,
    teilt sich dort in zwei Aeste, deren einer
    in die Jugularis externa, der andere in die
    anterior (s. a) übergeht. Die Vene führt
    das Blut aus der Schläfengegend, aus der
    Gegend vor dem Ohr, aus der Parotis und
    aus den Teilen des Gesichts ab, aus denen
    die anterior nicht das Blut ableitet.