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Zur psychoanalytischen Bewegung. 137
Internationale psychoanalytischer Verlag und Preiszuteilungen
für psychoanalytische Arbeiten.Im Herbst 1918 machte mir ein Mitglied der Budapester psychoanaly-
tischen Vereinigung die Mitteilung, daß aus dem Erträgnis industrieller Unter-
nehmungen während der Kriegszeit ein Fonds für kulturelle Zwecke beiseite
gelegt worden sei, über dessen Verwendung ihm im Einvernehmen mit dem
Oberbürgermeister der Stadt Budapest, Dr. Stephan Bárczy, die Entscheidung
zustehc. Beide hätten sich entschlossen, den ansehnlichen Geldbetrag für die
Zwecke der psychoanalytischen Bewegung zu widmen und mir die Verwendung
desselben zu übertragen. Ich nahm diesen Antrag an und erfüllte hiemit die
Pflicht, dem Oberbürgermeister, welcher bald darauf dem psychoanalytischen
Kongreß einen so ehrenhaften Empfang in Budapest bereitete, wie dem unge-
nauesten Mitglied, das sich ein so reiches Verdienst um die Sache der Psycho-
analyse erworben, öffentlich zu danken.Der auf meinen Namen getaufte und mir zur Verfügung gestellte Fonds
wurde von mir zur Gründung eines „Internationalen psychoanalytischen Ver-
lages“ bestimmt. Ich hielt dies für das wichtigste Erfordernis unserer gegen-
wärtigen Lage.Unsere beiden periodischen Publikationen, die „Internationale Zeitschrift
für ärztliche Psychoanalyse“ und die „Imago“, sind in der Kriegszeit nicht, wie
viele andere wissenschaftliche Unternehmungen, eingegangen. Es gelang uns,
sie aufrecht zu erhalten, aber infolge der Erschwerungen, Absperrungen und
Verteuerungen der Kriegszeit mußten sie sich eine ausgiebige Verkleinerung
ihres Umfanges und unerwünscht große Intervalle zwischen den einzelnen
Nummern gefallen lassen. Von den vier Redakteuren der beiden Zeitschriften
(Ferenczi, Jones, Rank und Sachs) war einer als Angehöriger eines
feindlichen Staates von uns abgeschnitten, zwei andere eingerückt und durch
Kriegsdienstpflicht an der Anspuch genommen, und nur Dr. Sachs war bei
der Arbeit verblieben, deren ganze Last er opferwillig auf sich nahm. Einige
der psychoanalytischen Ortsgruppen sahen sich überhaupt genötigt, ihre Ver-
sammlungen einzustellen; sie fiel der Ertragsgrenzen schmerzhafte zusammen
wie die der Abnehmer; es ließ sich voraussagen, daß der begreifliche Mißmut
des Verlegers bald den weiteren Bestand der für uns so wertvollen Zeitschriften
in Frage stellen würde. Und doch waren die mannigfaltigen Anzeichen, die
sogar aus den Schützengräben der Front zu uns kamen, darauf hin, daß das
Interesse für die Psychoanalyse sich bei der Mitwelt nicht verringert habe.
Ich meine die Absicht zur gerechfertigst dieser Schwierigkeiten und Gefahren
durch die Gründung eines Internationalen psychoanalytischen Verlages ein
Ende zu setzen. Der Verlag besteht heute bereits als G. m. b. H. und wird
von Dr. Otto Rank geleitet, dem langjährigen Sekretär der Wiener Vereinigung
und Mitherausgeber beider psychoanalytischen Zeitschriften, der nach mehrjähriger
Abwesenheit im Kriegsdienst zur früheren Tätigkeit im Dienste der Psycho-
analyse wiedergekehrt ist.Der neue, auf die Mittel der Budapester Stiftung gestützte Verlag stellt
sich die Aufgabe, die regelmäßige Erscheinen und eine verläßliche Zustellung
der beiden Zeitschriften zu sichern. Sobald die Schwierigkeiten der äußeren
Verhältnisse es gestatten, sollen sie auch ihren früheren Umfang wiederbekom-
men oder ihn, im Falle des Bedarfs, ohne Steigerung der Kosten für die
Abnehmer, überschreiten können. Der Verlag wird aber außerdem, ohne eine
solche Besserung abzuwarten, in das Gebiet der ärztlichen und der angewandtenS.
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Psychoanalyse einschlägige Bücher und Broschüren zum Druck befördern, und
da er kein auf Gewinn zielendes Unternehmen darstellt, kann er die Interessen
der Autoren besser in Acht nehmen, als dies von Seite der Buchhändler-Ver-
leger zu geschehen pflegt.Gleichzeitig mit der Einrichtung des psychoanalytischen Verlages wurde
der Beschluß gefaßt, alljährlich aus den Zinsen der Budapester Stiftung zwei
hervorragend gute Arbeiten, je eine aus dem Gebiet der ärztlichen und der
angewandten Psychoanalyse, mit Preisen auszuzeichnen. Diese Preise — in der
Höhe von eintausend österr. Kronen — sollen nicht den Autoren, sondern den
einzelnen Arbeiten zugesprochen werden, so daß es möglich bleiben muß,
daß der nämliche Autor wiederholt mit einem Preis bedacht werde. Die
Entscheidung darüber, welche unter den in einem gewissen Zeitraum ver-
öffentlichten Arbeiten durch die Preiszuteilung hervorgehoben werden sollen,
wurde nicht einem Kollegium übertragen, sondern einer einzigen Person, der
des jeweiligen Fondsverwalters, vorbehalten. Im anderen Falle, wenn das
Richterkollegium aus den erfahrenen und unfallsfähigen Analytikern gebildet
wäre, hätte deren Urteil an der Bewertung ausschlaggebend müssen, und die
Institution könnte ihre Absicht, auf mustergültige Leistungen der psychoanaly-
tischen Literatur hinzuweisen, leicht verfehlen. Wenn der Preisrichter in die
Lage käme, zwischen zwei annähernd gleich wertvollen Arbeiten zu schwanken,
sollte ihm ermöglicht sein, den Preis zwischen beiden zu teilen, ohne daß die
Zuteilung eines halben Preises eine geringere Einschätzung der betreffenden
Arbeit bedeutete.Es besteht die Absicht, diese Preiszuteilungen im allgemeinen alljährlich
zu wiederholen, wobei die gesamte in diesem Zeitraum veröffentlichte, für die
Psychoanalyse bedeutsame Literatur das Material für die Auswahl abgibt und
es nicht in Betracht kommt, ob der Autor der betreffenden Arbeit der Inter-
nationalen psychoanalytischen Vereinigung als Mitglied angehört.Die erste Preiszuteilung ist bereits erfolgt und hat sich auf die in der
Kriegszeit, 1914—1918, erfolgten Publikationen bezogen. Der Preis für ärzt-
liche Psychoanalyse wurde zwischen der Arbeit von K. Abraham „Unter-
suchungen über die früheste prägenitale Entwicklungsstufe der Libido“ (I n t .
Z e i t . I V , 2 , 1 9 1 6) und der Broschüre von Ernst Simmel „Kriegsneurosen
und psychisches Trauma“ (1918) geteilt, der für angewandte Psychoanalyse
auf der Arbeit von Th. Reik „Die Pubertätsriten der Wilden“ (I m a g o I V ,
3 / 4 , 1 9 1 5) zu.
Freud.
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