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RATSCHLAGE FUR DEN ARZT
BEI DER PSYCHOANALYTISCHEN BEHANDLUNG.*Die technischen Regeln, die ich hier in Vorschlag bringe,
haben sich mir aus der langjührigen eigenen Erfahrung er-+ geben, nachdem ich durch eigenen Schaden von der Verfol-
gung anderer Wege zurückgekommen war. Man wird leicht
bemerken, daß sie sich, wenigstens vicle von ihnen, zu einer
einzigen Vorschrift zusammensetzen. Ich hoffe, daß ihre Be-
rücksichtigung den analytisch tátigen Arzten viel unnützen
vor manchem Ubersehen behütenAufwand ersparen und s
"wird; aber ich muß ausdrücklich sagen, diese Technik hat
sich als die einzig zweckmäBige für meine Individualität er-
geben; ich wage es nicht in Abrede zu stellen, daB eine ganz
anders konstituierte ärztliche Persönlichkeit dazu gedrängt
werden kann, eine andere Einstellung gegen den Kranken und
gegen die zu lósende Aufgabe zu bevorzugen.a) Die nächste Aufgabe, vor die sich der Analytiker
gestellt sieht, der mehr als einen Kranken im Tage so be-
handelt, wird ihm auch als die schwierigste erscheinen. Sie
besteht ja darin, alle die unzühligen Namen, Daten, Einzel-
heiten der Erinnerung, Einfälle und Krankheitsproduktionen*) Zentralblatt für Psychoanalyse. II, 1912.
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400 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.
während der Kur, die ein Patient im Laufc von Monaten
und Jahren vorbringt, im Gedächtnis zu behalten und sie
nicht mit ähnlichem Material zu verwechseln, das von anderen
gleichzeitig oder früher analysierten Patienten herrührt. Ist
man gar genötigt, täglich sechs, acht Kranke oder selbst
mehr zu analysieren, so wird eine Gedåchtnisleistung, der
solches gelingt, bei AuDenstehenden Unglauben, Bewunderung
oder selbst Bedauern wecken. In jedem Falle wird man auf
die Technik neugierig sein, welche die Bewiltigung einer
solchen Fülle gestattet, und wir erwarten, daß dieselbe sich
besonderer Hilfsmittel bediene.Indes ist diese Technik eine sehr einfache. Sie lehnt
alle Hilfsmittel wie wir hóren werden, sclbst das Nieder-
schreiben ab und besteht einfach darin, sich nichts beson-
ders merken zu wollen und allem, was man zu hóren bekommt,
die nåmliche ,gleichschwebende Aufmerksamkeit“, wie ich esSchon einmal genannt habe, entgegen zu bringen. Man er-
spart sich auf diese Weise eine Anstrengung der Aufmerk-
samkeit, die man doch nicht durch viele Stunden täglich fest-
halten kónnte, und vermeidet eine Gefahr, die von dem ab-
sichtlichen Aufmerken unzertrennlich ist. Sowie man nåm-
lich seine Aufmerksamkeit absichtlich bis zu ciner gewissen
Höhe anspannt, beginnt man auch unter dem dargebotenen
Materiale auszuwählen; inan fixiert das eine Stück besonders
Scharf, eliminiert dafür ein anderes, und folgt bei dieser
Auswahl seinen Erwartungen oder seinen Neigungen, Gerade
dies darf man aber nicht; folgt man bei der Auswahl seinenErwartungen, so ist man in Gefahr, niemals etwas anderes
zu finden, als was man bereits weiB; folet man seinen Nei-
gungen, so wird man sicherlich die mógliche Wahrnehmung
fålschen. Man darf nicht darauf vergessen, daß man ja zu-S.
XXIII. RATSCHLAGE FUR DEN ARZT.
inge zu hören bekommt, deren Bedeutung erst nach-
erkannt wird. ⑧EX
ic man sieht, ist die Vorschrift, sich alles gleichmäßig
ken, das notwendige Gegenstiick zu der Anforderung
n Analysierten, ohne Kritik und Auswahl alles zu er-
as ihm einfállt. Benimmt sich der Arzt anders, so
zum großen Teile den Gewinn zu nichte, der aus
olgung der „psychoanalytischen Grundregel“ von seiten
jenten resultiert. Die Regel für den Arzt läßt sich
prechen: Man halte alle bewuften Einwirkungen von
Merkfähigkeit ferne und überlasse sich vóllig seinem
Bten Gedächtnisse“, oder rein technisch ausgedrückt:
re zu und kümmere sich nicht-darum, ob man sich etwasman auf diese Weise bei sich erreicht, genügt allen
derungen während der Behandlung. Jene Bestandteile
laterials, die sich bereits zu einem Zusammenhange fiigen,
für den Arzt auch bewußt verfügbar; das andere, noch
menhanglose, chaotisch ungeordnete, scheint zunächst
n, taucht aber bereitwillig im Gedåchtnisse auf, so-
der Analysierte etwas Neues vorbringt, womit es sich
iehung bringen und wodurch es sich fortsetzen kann.
mmt dann lächelnd das unverdiente Kompliment des
ten wegen eines „besonders guten Gedächtnisses“, wenn man nach Jahr und Tag eine Einzclheit
luziert, die der bewußten Absicht, sie im Gedächtnisse
ieren ‚wahrscheinlich proze ware.ud, Nees ore IV. ⑥ f ⑧ 26
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402 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.
anderer Patienten kommen recht selten zu stande. In einem
Streite mit dem Analysierten, ob und wie er etwas einzelnes
gesagt habe, bleibt der Arzt zumeist im Rechte.*)b) Ich kann es nicht, empfehlen, wåhrend der Sitzungen
mit dem Analysierten Notizen in größerem Umfange zu ma-
chen, Protokolle anzulegen u. dgl. Abgesehen von dem un-
günstigen Eindruck, den dies bei manchen Patienten hervor-
ruft, gelten‘ dagegen die nämlichen Gesichtspunkte, die wir
beim Merken gewürdigt haben. Man trifft notgedrungen eine
schädliche Auswahl aus dem Stoffe, während man nachschreibt
oder stenographiert, und man bindet ein Stück seiner eigenen
Geistestätigkeit, das in der Deutung des Angehörten eine
bessere ‚Verwendung finden soll. Man kann ohne Vorwurf
Ausnahmen von dieser Regel zulassen für Daten, Traumtexte
oder einzelne bemerkenswerte Ergebnisse, die sich leicht aus
dem Zusammenhange lösen lassen und für eine selbständige
Verwendung als Beispiele geeignet sind. Aber ich pflege auch
dies nicht zu tun. Beispiele schreibe ich am Abend nach Ab-
schluß der Arbeit aus dem Gedächtnis nieder; 'Traumtexte,
an denen mir gelegen ist, lasse ich von den Patienten nach
der Erzählung des Traumes fixieren,¢) Die Niederschrift während der Sitzung mit dem Pa-
tienten könnte durch den Vorsatz gerechtfertigt werden, den
behandelten Fall zum Gegenstande einer wissenschaftlichen
Publikation zu machen. Das kann man ja prinzipiell kaum*) Der Analysierte behauptet oft, eine gewisse Mitteilung bereits
früher gemacht zu haben, während man ihm mit ruhiger Überlegenheit
versichern kann, sie erfolge jetzt zum erstenmal. Es stellt sich dann
heraus, daß der Analysierte früher einmal die Intention zu dieser Mit-
teilung gehabt hat, an ihrer Ausführung aber durch einen noch bestehen-
den Widerstand gehindert wurde, Die Erinnerung an diese Intention ist
für ihn ununterscheidbar von der Erinnerung an deren Ausführung.S.
XXIII, RATSCHLÄGE FUR DEN ARZT,
en. Aber man muß doch im Auge behalten, daß genaue |
lle in einer analytischen Krankengeschichte weniger
als man von ihnen erwarten sollte. Sie gehören, streng
mmen, jener Scheinexaktheit an, für welche uns die „mo-
Psychiatrie manche auffällige Beispiele zur Verfügung .
ie sind in der Regel ermüdend für den Leser und
n^ es .doch nicht dazu, ihm die Anwesenheit bei der
se zu. ersetzen. Wir haben überhaupt die. Erfahrung ge-Es ist zwar einer der Ruhmestitel der analytischen
dab Forschung und Behandlung bei ihr zusammen-
ber die Technik, die der einen dient, widersetzt sich
m gewissen Punkte an doch der anderen. Es ist nicht
jen Fall wissenschaftlich zu bearbeiten, solange seine
dlung noch nicht abgeschlossen ist, seinen Aufbau
enzusetzen, seinen Fortgang erraten zu wollen, von
Zeit Aufnahmen des gegenwirtigen Status zu machen,
s wissenschaftliche Interesse es fordern würde. Der
leidet in solchen Fällen, die man von vornherein der
schaftlichen Verwertung bestimmt und nach deren Be-
behandelt; dagegen gelingen jene Fille am besten, (M
man wie absichtslos verfáhrt, sich von jeder Wen-S.
404 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.
halten für den Analytiker wird darin bestehen, sich aus der
einen psychischen Einstellung nach Bedarf in dic andere zu
schwingen, nicht zu spekulieren und zu grübeln, solange er
analysiert, und erst dann das gewonnene Material der syn-
thetischen Denkarbeit zu unterziehen, nachdem die Analyseabgeschlossen ist. Die Unterscheidung der beiden Einstel-
lungen würde bedeutungslos, wenn wir bereits im Besitze aller
oder doch der wesentlichen Erkenntnisse über die Psychologie
des UnbewuBten und über die Struktur der Neurosen wären,
die wir aus der psychoanalytischen Arbeit gewinnen kónnen.
Gegenwärtig sind wir von diesem Ziele noch weit entfernt,
und dürfen uns die Wege nicht verschliefen, um das bisher
Erkannte nachzuprüfen und Neues dazu zu finden.e) Ich kann den Kollegen nicht dringend genug emp-
fehlen, sich während der psychoanalytischen Behandlung den
Chirurgen zum Vorbild zu nehmen, der alle seine Affekte
und selbst sein menschliches Mitleid beiseite drängt und
seinen geistigen Kräften ein einziges Ziel setzt, die Operation
so kunstgerecht als möglich zu vollziehen, Für den Psycho-analytiker wird unter den heute waltenden Umständen eine
Affektstrebung am gefährlichsten, der therapeutische Ehrgeiz,
mit seinem neuen und viel angefochtenen Mittel etwas zu
leisten, was überzeugend auf andere wirken kann. Damit
bringt er nicht nur sich selbst in cine für dic Arbeit un-
günstige Verfassung, er setzt sich auch wehrlos gewissen
Widerstánden des Patienten aus, von dessen Kråftespiel ‚ja
die Genesung in erster Linie abhingt. Die Reehtfertigung
dieser vom Analytiker zu fordernden Gefühlskälte liegt darin,
daß sie für beide Teile die vorteilhaftesten Bedingungen
schafft, für den Arzt die wünschenswerte Schonung seines
eigenen Affektlebens, für den Kranken das größte AusmaßS.
XXIII. RATSCHLÄGE FUR DEN ARZT,
lfeleistung, das uns heute möglich ist. Ein alter Chi-
tte zu seinem Wahlspruch die Worte genommen: Je
nsai, Dieu le guérit. Mit etwas Ähnlichem sollte sich
lytiker zufrieden geben. - ⑧s ist leicht zu erraten, in welchem Ziele diese einzeln
rachten Regeln zusammentreffen. Sie wollen alle beim
as Gegenstiick zu der fiir den Analysierten aufgestell-
sychoanalytischen Grundregel“ schaffen. Wie der Ana-
alles mitteilen soll, was er in seiner Selbstbeobach-
ascht, mit Hintanhaltung aller logischen und affek-
nwendungen, die ihn bewegen wollen, eine Auswahl
‘en, so soll sich der Arzt in den Stand setzen, alles
itgeteilte für die Zwecke der Deutung, der Erkennung
borgenon Unbewuften zu verwerten, ohne die vom
aufgegebene Auswahl durch eine eigene Zensur zu
in. eine Formel gefaßt: Er soll dem gebenden Un-
uBten des Kranken sein eigenes UnbewuDtes als emp-
ndes Organ zuwenden, sich auf den Analysierten ein-
en wie der Recciver des Telephons zum Teller eingestellt
der Receiver dic von Schallwellen angeregten elek-
n Schwankungen der Leitung wieder in Schallwellen
delt, so ist das Unbewufite des Arztes befähigt, aus
ihm mitgeteilten Abk⑥mmlingen des Unbewufiten dies
te, welches die Einfälle des Kranken determiniertfenn der Arzt aber im stande sein soll, sich seines Un-
en in solcher Weise als Instrument bei der Analyse.
jenen, so muß er selbst eine psychologische BedingungS.
406 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.
neue: Art von Auswahl und Entstellung in die Analyse ein-
führen, welche weit schädlicher wäre als die durch Anspan-nung seiner bewußten Aufmerksamkeit hervorgerufene. Es
genügt nicht hiefür, daß er selbst ein annähernd normaler
Mensch sei, man darf vielmehr die Forderung aufstellen, daß
er sich einer psychoanalytischen Purifizierung unterzogen und
von jenen Eigenkomplexen Kenntnis genommen habe, die ge-
eignet wären, ihn in der Erfassung des vom Analysierten
Dargebotenen zu stören. An der disqualifizierenden Wirkung
solcher eigener Defekte kann billigerweise nicht gezweifelt
werden; jede ungelóste Verdrüngung beim Arzte entspricht
nach. einem trefferiden Worte von W. Stekel einem ,blin-
den Fleck“ in seiner analytischen Wahrnehmung.Vor Jahren erwiderte ich auf die Frage, wie man ein
Analytiker werden kónne: Durch die Analyse seiner eigenen
Traume. Gewif reicht diese Vorbereitung für viele Personen
aus, aber nicht für alle, die die Analyse erlernen möchten,
Auch gelingt es nicht allen, die eigenen Träume ohne fremde
Hilfe zu deuten. Ich rechne es zu den vielen Verdiensten der
Züricher analytischen Schule, daß sie die Bedingung ver-
schårft und in der Forderung niedergelegt. hat, es solle sich
jeder, der Analysen an anderen ausführen will, vorher s
einer Analyse bei einem Sachkundigen unterzichen. Wer es
mit der Aufgabe ernst meint, sollte diesen Weg wählen, der
mehr als einen Vorteil verspricht; das Opfer, sich ohne Krank-
heitszwang einer fremden Person eröffnet zu haben, wird
‚ reichlich gelohnt. Man wird nicht nur seine Absicht, das
Verborgene der eigenen Person kennen zu lernen, in weit
kürzerer Zeit und mit geringem affektiven Aufwand verwirk-
lichen, sondern auch Eindrücke und Überzeugungen am eigenen
Leibe gewinnen, die man durch das Studium von DüchernS.
XXIII. RATSCHLÅGE FÜR DEN ARZT. . 407
Anhören von Vorträgen vergeblich anstrebt. Endlich ist
h der Gewinn aus der dauernden seelischen Beziehung
t gering. anzuschlagen, die sich zwischen. dem Analysier-
und seinem Einfihrenden herzustellen pflegt,
Eine solche Analyse eines praktisch Gesunden wird be-
icherweise unabgeschlossen bleiben, Wer den hohen Wert
durch sie erworbenen Selbsterkenntnis und Steigerung
elbstbeherrschung zu würdigen weiß, wird die analytische
forschung seiner eigenen Person nachher als Sclbstanalyse
zen und sich gerne damit bescheiden, daß er in sich
außerhalb seiner immer Neues zu finden erwarten muß,
aber als Analytiker die Vorsicht der Eigenanalyse ver-
t hat, der wird nicht nur durch die Unfähigkeit be-
„ über ein gewisses Maß an seinen Kranken zu lernen,
‘uhterliegt auch einer ernsthafteren Gefahr, die zur Ge-
für andere werden kann. Er wird leicht in die Ver-
hung geraten, was er in dumpfer Selbstwahrnehmung von
igentümlichkeiten seiner eigenen Person erkennt, als _
emeingiiltige Theorie in die Wissenschaft hinauszuproji-
m, er wird die psychoanalytische Methode in MiBkrediten und Uncrfahrene irre leiten.
) Ich füge noch einige andere Regeln an, in welchen
Übergang gemacht wird von der Einstellung des Arztes
Behandlung des Analysierten.Es ist gewiß verlockend für den jungen und eifrigen
choanalytiker, daß er viel von der eigenen Individualität”
186126, um den Patienten mit sich fortzureiBen und ihn im
hwung über die Schranken seiner engen Persönlichkeit zu
ben. Man sollte meinen, es sei durchaus zulässig, jaS.
408 . - BOHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. IV.
seelischen Defekte und Konflikte gestattet, ihm durch ver-
trauliche Mitteilungen aus seinem Leben die Gleichstellungermóglicht. Ein Vertrauen ist doch das andere wert, und ⑤
wer Intimitåt vom anderen fordert, muß ihm doch auch ‚solche
bezeugen,Allein im psychoanalytischen Verkehre läuft manches
anders ab, als wir es nach den Voraussetzungen der Bewußt-
seinspsychologie erwarten dürfen, Die Erfahrung spricht nicht
für die Vorzüglichkeit einer solchen affektiven Technik. Es
ist auch nicht schwer einzusehen, daß man mit ihr den psy-
choanalytischen Boden verläßt und sich den Suggestions-
behandlungen annähert. Man erreicht so etwa, daß der Patient
cher und leichter mitteilt, was ihm selbst bekannt ist, und
was er aus konventionellen Widerständen noch eine Weile
zurückgehalten hätte. Für die Aufdeckung des dem Kranken
Unbewußten leistet diese Technik nichts, sie macht ihn nur
noch unfähiger, tiefere Widerstände zu überwinden, und sie
versagt in schwereren Fällen regelmäßig an der rege gemach-
ten, Unersåttlichkeit des Kranken, der dann gerne das Ver-
håltnis umkehren möchte und die Analyse des Arztes inter-
essanter findet als die eigene. Auch die Lösung der Uber-tragung, eine der Hauptaufgaben der Kur, wird durch die |
intime Einstellung des Arztes erschwert, so daß der etwaige
Gewinn zu Anfang schließlich mehr als wett gemacht wird.
Ich stehe darum nicht an, diese Art der Technik als eine
fehlerhafte zu verwerfen. Der Arzt soll undurchsichtig für
den Analysierten sein und wie eine Spiegelplatte nichts am
deres zeigen, als was ihm gezeigt wird. Es ist allerdings‘praktisch nichts dagegen zu sagen, wenn cin Psychothera-
peut ein Stück Analyse mit einer Portion Suggestivbeein- |
flussung vermengt, um in kiirzerer Zeit sichtbare Erfolge zu
S.
tigkeit, die dem Arzte bei der psychoanalytischen
inne ohne besonderen Vorsatz zufållt. Bei der LösungE. anzuwcisen, Es ist dann nur ein begreiflicher
wenn er sich bemüht, die Ferson, auf deren Be-
von der Neurose er soviel Mühe aufgewendet hat,
etwas besonders vortrefflichem zu machen, und ihren
en hohe Ziele vorschreibt, Aber auch hiebei sollte
Zt sich in der Gewalt haben und weniger die eigenenche als die Eignung des Analysierten zur Richtschnur
n. Nicht alle Neurotiker bringen viel Talent zur Subli-mit; von vielen unter ihnen kann man annehmen,
überhaupt nicht erkrankt wáren, wenn sie die Kunst,
iebe zu sublimieren, besessen hätten, Dringt man sieg zur Sublimierung und schneidet ihnen die näch- ju
d bequemsten Triebbefriedigungen ab, so macht mandas Leben meist noch schwieriger, als sie cs ohnedies |
Als Arzt muB man vor allem’ tolerant sein gegenergewonnen zu haben. Der erzieherische Ehrgeiz ist so
ES wie ‚der therapeutische, Es kommt peS.
410 SCHRIFTEN ZUR NEUROSENLEHRE. 1V.
zur Sublimierung Befähigten dieser Prozeß von selbst zu voll-
ziehen pflegt, sobald ihre Hemmungen durch die Analyse
überwunden sind. Ich meine also, das Bestreben, die ana-
lytische Behandlung regelmäßig zur Triebsublimierung zu
verwenden, ist zwar immer lobenswert, aber keineswegs in
allen Fallen empfehlenswert. ⑥i) In welchen Grenzen soll man die intellektuelle Mit-
arbeit des Analysierten bei der Behandlung in Anspruch
nehmen? Es ist schwer, hierüber etwas allgemein Gültiges
auszusagen, Die Persönlichkeit des Patienten entscheidet in
erster Linie, Aber Vorsicht und Zurückhaltung sind hiebei
jedenfalls zu beobachten, Es ist unrichtig, dem Analysierten
Aufgaben zu stellen, er solle seine Erinnerung sammeln, über
eine gewisse Zeit seines Lebens nachdenken u.dgl. Er hatvielmehr vor allem zu lernen, was keinem leicht fällt anzu-
nehmen, daß durch geistige Tätigkeit von der Art des Nach-
denkens, daß durch. Willens- und Aufmerksamkeitsanstrengung
keines der Råtsel der Neurose gelöst wird, sondern nur durch
die geduldige Befolgung der psychoanalytischen Regel, welche
die Kritik gegen das Unbewufte und dessen Abkómmlinge
auszuschalten gebietet. Besonders unerbittlich sollte man auf
der Befolgung dieser Regel bei jenen Kranken bestehen, die
die Kunst üben, bei der Behandlung ins Intellektuelle auszu-
weichen, dann viel und oft sehr weise über ihren Zustand
reflektieren, und es sich so ersparen, etwas zu seiner Be-
wiltigung zu tun, Ich nehme darum bei meinen Patienten
auch die Lektüre analytischer Schriften nicht gerne zu Ililfe;
ich verlange, daß sie an der eigenen Person lernen sollen,
und versichere ihnen, daß sie dadurch mehr und Wertvol-
leres erfahren werden, als ihnen die gesamte psychoanalytische
Literatur sagen könnte. Ich sehe aber ein, daß es unter denS.
zur Herstellung einer ‚Atmosphäre von Beeinflussung
nen.dringendsten möchte ich davor warnen, um die Zu- _
i und Unterstützung von Eltern oder Angehörigen | ・ 7
ben, indem man ihnen cin — einführendes oder tiefer SA
s — Werk unserer Literatur zu lesen gibt: Meist
dieser wohlgemeinte Schritt hin, um die naturgemáfe, |
inmal unvermeidliche, Gegnerschaft der Angehörigen
die psychoanalytische Behandlung der Ihrigen vor-
osbrechen zu lassen, so daß es überhaupt nicht zum
ne der Behandlung kommt.gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die fortschreitende
rung der Psychoanalytiker bald zu einer Einigung über
en der Technik führen wird, wic man am zweck-
ten die Neurotiker behandeln solle, Was die Behand-r „Angehörigen“ betrifft, so gestehe ich meine völlige
keit ein und setze auf deren individuelle Behandlung
pt wenig Zutrauen, é
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