Rezension [unsigniert] von: Berger, O. ›Zur Symptomatologie der tabes dorsalis‹ 1884-245/1884
S.

45. Zur Symptomatologie der Tabes dorsalis.

Von O. B e r g e r (Breslauer ärztl. Zeitschrift Nr. 13, 1884).

Aus dem Symptomenbilde der Tabes werden einzelne Punkte als besonders
bemerkenswerth und wichtig für die Erkennung der Krankheit hervorgehoben.
So: dass die Erkrankung bis zum tödtlichen Ausgange ohne ataktische
Störung verlaufen kann, dass die initialen Neuralgien in der Bahn von Kopfnerven
auftreten können und mitunter als der Migräne ähnliche Anfälle
(messerstichähnliche Schmerzen in den Schläfen und der Scheitelregion mit
Ueblichkeit und Erbrechen) erscheinen. Der Mangel einer erblichen Basis,
das Auftreten in relativ vorgerücktem Lebensalter, das Fehlen der Sehnenreflexe
und das etwaige Symptom der reflektorischen Pupillenstarre müssen
dann die Diagnose auf Tabes dorsalis leiten.

Eine besondere praktische Wichtigkeit hat die Thatsache, dass Blasenstörungen
lange Jahre hindurch das einzige Symptom der Erkrankung bilden
können, so dass man bei Blasenstörungen ohne nachweisbare Läsion des
Harnapparates beginnende Tabes vermuthen muss. Lanzinirende Schmerzen
in der Tiefe des Beckens und am Peritoneum, Brennen in der Urethra,
Hyperästhesie des Blasenhalses, später Harnzwang, dysurische Beschwer-
den, später Anästhesie der Harnröhre und Taubheitsgefühl des Mastdarmes
machen das Krankheitsbild aus, zu dem dann die ausgeprägtesten tabischen
Symptome hinzutreten können.

B. verspricht auf Grund eines reichlichen anatomischen Materiales nachzuweisen,
dass die Verschiedenheit der Symptomatologie der Tabes auf die
genauere topographische Lokalisation der Erkrankung innerhalb des Hinterstrangfeldes
zurückgeführt werden kann.