Rezension [unsigniert] von: Chiari ›Zentrales Cholesteatom des Dorsalmarkes mit vollkommen entwickelter auf- und absteigender Degeneration‹ 1883-212/1883
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    38. Zentrales Cholesteatom des Dorsalmarkes
    mit vollkommen entwickelter auf- und absteigender Degeneration.

    Von C h i a r i (Prager mediz. Wochenschrift 1883, Nr. 39).

    Bei dem in Rede stehenden Kranken hatte sich im 14. Lebensjahre angeblich
    nach Erkältung Lähmung der unteren Extremitäten allmälig entwickelt. 11
    Jahre später untersucht, zeigte er hochgradige motorische Schwäche, Atrophie
    und Starre beider Beine, ausserdem lebhaften Tremor und vollständige
    Unempfindlichkeit der unteren Rumpfhälfte und der unteren Extremitäten.
    Stuhl und Harnentleerung waren träge. Die Diagnose wurde auf einen zirkumskripten
    Herd in der Mitte des Dorsalmarkes gestellt. In seinem 33.
    Lebensjahre starb der Kranke an Lungenphthise und die Sektion zeigte
    eine durch Einlagerung eines Tumors ins Rückenmark bedingte spindelförmige
    Anschwellung, welche vom Ursprunge des 4. bis zum 6. Dorsalnerven
    reichte. Der Tumor war ebenfalls spindelförmig, genau zentral gelagert, überall
    makroskopisch scharf abgegrenzt, an seinem Mittelstücke noch von einer
    ganz dünnen Lage Marksubstanz überkleidet. Die Substanz des Tumors war
    perlmutterartig glänzend, bröcklig, die Farbe gelblich-weiss. Mikroskopisch
    bestand er aus resistenten, kernlosen, stark glänzenden, glatten Zellen, Fetttröpfchen
    und Kalkschüppchen, zeigte also ganz die Struktur eines Cholesteatoms.
    Die Lage dieses Tumors liess dessen Entstehung aus den Rückenmarkhäuten
    ausschliessen, dagegen

  • S.

    zeigten sich die Epithelzellen
    des Zentralkanales durch die ganze Höhe des Rückenmarkes unregelmässig
    gelagert, vom Ependym nicht abgegrenzt, zum Theile kernlos und stark
    glänzend, so dass an eine Bildung des Cholesteatoms aus den Epithelien des
    Zentralkanales gedacht werden musste, wiewohl ein zentrales Cholesteatom
    im Rückenmarke bisher nicht beschrieben worden ist.
    Die auf- und absteigende Degeneration war in exquisiter Weise entwickelt.
    Die aufsteigende Degeneration betraf die medialen Antheile der Hinterstränge
    und die laterale Randzone der Seitenstränge, sie nahm nach oben
    hin allmälig ab, konnte aber doch bis in die Strickkörper verfolgt werden. Die
    absteigende Degeneration hatte ihren Sitz in den medialen Partien der Vorderstränge
    und den hinteren Abschnitten der Seitenstränge, reichte jedoch
    nur eine kurze Strecke nach abwärts, so dass Schnitte in der Höhe des 12.
    Dorsalnerven die Vorderstränge normal zeigten, während die Degeneration
    in den Seitensträngen bis zum Ursprunge der Sakralnerven sich erstreckte.