Rezension [unsigniert] von: Eulenburg ›Beitrag zur Aetiologie und Therapie der Tabes dorsalis, namentlich über deren Beziehungen zur Syphilis‹ 1885-215/1885
  • S.

    I. Beiträge zur Aetiologie und Therapie der Tabes dorsalis,
    namentlich über deren Beziehungen zur Syphilis.
    Von E u l e n b u r g (V i r c h o w ’s Archiv 99. Band).
    Die Statistik, auf Grund welcher E. der seit F o u r n i e r und E r b
    schwebenden Frage von der ätiologischen Beziehung zwischen Syphilis und
    Tabes näherzutreten unternimmt, umfasst 125 Fälle, welche während eines
    Zeitraumes von 4½ Jahren in E.’s Beobachtung standen. Von diesen 125
    Kranken waren 106 Männer, 19 Weiber; unter den Männern lieferte insbesondere
    der 

  • S.

    Eisenbahndienst ein hohes Kontingent, von den Weibern
    waren nur 2 unverheiratet.

    Unter den 106 Männern fanden sich 28, bei welchen eine typische Sklerose
    und konsekutive Syphilis vorausgegangen war; 11, bei denen nur ein
    Ulcus molle ohne allgemeine Syphilis erhoben werden konnte; die Anzahl
    der Kranken, bei denen sich in keiner Weise Syphilis nachweisen liess, betrug
    67. Eine syphilitische Infektion war also in 36.8% der männlichen Kranken
    eruirbar, bei welchem Ansatze das weiche Geschwür zur Syphilis gerechnet
    erscheint. Bei den Frauen konnte Syphilis nur in einem Falle nachgewiesen
    werden, in einigen anderen war sie geradezu auszuschliessen. Stellte man die
    Tabesfälle, bei denen Syphilis vorhergegangen war, zusammen, so konnten
    keinerlei Symptome namhaft gemacht werden, welche denselben im Gegensatze
    zu den nicht syphilitischen Fällen gemeinsam gewesen wären.

    Auch den anderen ätiologischen Momenten wurde Aufmerksamkeit
    geschenkt, und der Einfluss der Heredität schien in 15, der atmosphärischer
    Schädlichkeiten allein in 62, solcher Schädlichkeiten und Strapazen
    in 42, körperlicher Anstrengungen allein in 34, schwerer Gemüthsaffekte
    in 16, Traumen in 6, akuter Krankheiten in 5 Fällen von Belang.

    Man wird E. kaum Unrecht geben können, wenn er nach dem Ergebnisse
    dieser Statistik der Syphilis zunächst nur die Bedeutung eines depotenzirenden
    oder für Tabes disponirenden Momentes zugestehen will, welche Rolle ja
    auch die anderen als Aetiologie angeführten Noxen spielen. Ein besonderes
    Gewicht legt er der Thatsache bei, dass Tabes bei Prostituirten nicht häufiger
    vorkommt, sowie dass die vorausgegangene syphilitische Infektion prognostisch
    und therapeutisch für die Tabes belanglos scheint.