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29. Ueber Antipyrese.
Von F i l e h n e (Centralbl. f. kl. Med.).
In dem Referate F.’s ist eine historische Uebersicht über die allgemeine pathologische
und pharmakologische Seite der Fieberlehre gegeben, angefangen
mit den Sechziger-Jahren, d. h. der Einführung der Thermometrie und
der Ausbildung wirksamer antipyretischer Methoden in Gestalt einer energischeren
Darreichung des Chinins und der Anwendung der kühlen Bäder. In
diese Zeit fällt der Kampf der Meinungen über den physiologischen Mechanismus
des Fiebers, an dem sich nicht nur deutsche Forscher mit bedeutenden
Namen, sondern auch Ausländer lebhaft betheiligten. Als bedeutendstes
Resultat hieraus erscheint der Nachweis von der Steigerung der Wärmeabgabe
während eines Fiebers und der noch beträchtlicheren Steigerung der Wärmeproduktion,
woran sich anschliesst der Streit über die Ursache dieses Missverhältnisses.
Dazu kommen die Untersuchungen über den Chemismus, der
die erhöhte Wärmeproduktion ausmacht. Nun beginnt die wichtige mit dem
Jahre 1874 anfangende Epoche, in welcher Chemie, Chirurgie und Medizin
sich ihrer Zusammengehörigkeit bewusst werden, eine Zeit, die untrennbar
verbunden ist mit dem Namen L i s t e r (Benutzung der Karbolsäure); damit
begann denn auch bei den Chemikern die energischere Bearbeitung der
Körpergruppen, welche sich vom Benzol ableiten, deren erste Konsequenz
die Einführung der Salizylsäure war (K o l b e ). Nachdem diese als eminent
antiseptisch und antipyretisch befunden war (B u s s ), prüfte man die Karbolsäure
auf ihre antipyretische Wirkung (D e s p l a t s , L i c h t h e i m )
und die Wirkungen der Dihydroxylbenzole (Brenzkatechin, Resorzin, Hydrochinon).
Es schliessen sich an die Arbeiten der Chemiker auf dem Gebiete der Chinolinderivate, von denen Ref. eine Gruppe am Menschen prüfte, die hydrirten Chinolinderivate, welche am Stickstoff methylirt oder äthylirt sind, und zwar kam das (hydroxylirte) Kaïrin trotz seiner brüsken Wirkung zur Empfehlung in der Therapie der fieberhaften Krankheitsprozesse.
Von den Chinanisolen prüfte v. J a k s c h das Paramethoxyhydrochinolin
(Thallin von S k r a u p ) als einen von lokaler Wirkung freien antipyretischen
Körper, der vielfache Vorzüge vor dem Kaïrin hat. Eine besondere
Bedeutung gewannen die Untersuchungen E. F i s c h e r ’s über die Hydrozine
und die Darstellung der Chinizingruppe von K n o r r , aus der das
Dimethyloxychinizin (Antipyrin) hervorging, das sich wegen seiner relativ
geringen Nebenwirkungen so gut für die praktische Verwendung eignet.
Bezüglich der Wirkung dieser Antipyretica geht Ref. auf die Verschiebung
der Auffassung betreffs der Aetiologie der fieberhaften Krankheiten
etwas näher ein, auch auf die Bedeutung der geformten und ungeformten
Fermente, die zu chemischer Spaltung, zu qualitativer Aenderung des Stoffwechsels
und Alteration des Zentralnervensystems, der Wärmeregulation
führen. Nach seinen Untersuchungen wären alle die genannten Körper dadurch
Antipyretica, dass sie die Wärmeregulation beeinflussen. Ausser der
Ueberhitzung beim Fieber, welche als solche die Regulirungsvorrichtung
angreifbarer macht, kommt auch noch die Natur der Krankheit für die Wirkung
der Antipyretica in Betracht betreffs der Angreifbarkeit der Regulirung
durch diese. Zum Schlusse weist Ref. noch auf die Untersuchungen
L i t t e n ’s über die Degenerationen in Folge blosser Ueberhitzung hin.
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