Rezension [unsigniert] von: Leube ›Über die ammoniakalische Harngährung‹ 1885-258/1885
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    Journal - Revue.    

    Medizin.    

    54. Ueber die ammoniakalische Harngährung.
    Von L e u b e (Virchow’s Archiv 100. Band, 3. Heft).
    Seitdem P a s t e u r festgestellt, dass zur Umsetzung des Harnstoffes in
    kohlensaures Ammoniak die Anwesenheit von Mikroorganismen nothwendig
    ist, steht die Frage, ob auch für die Zersetzung des Harnes bei Kranken
    derselbe Grundsatz massgebend ist? T r a u b e hat bekanntlich behauptet,
    dass alkalische Harnzersetzung bei Kranken ausschliesslich durch das
    Einbringen von Kathetern in die Blase hervorgerufen werde. Dagegen hat
    C o l i n 1875 gezeigt, dass bei Thieren selbst die direkte Einführung von
    Bakterien in die Blase die Harnzersetzung nicht einleiten kann. Dieser Widerspruch
    hat L. veranlasst, die Frage nach der Ursache der ammoniakalischen
    Harngährung neuerdings aufzunehmen. Er erklärt es für ausgemacht,
    dass der normale menschliche Urin bei seinem Austritte aus der Blase weder
    Pilze noch Keime enthält, deren Weiterentwicklung in demselben eine Zersetzung
    des Harnstoffes bewirken könnte. Ein besonders auffälliges Argument
    dafür, dass der Anlass zur Zersetzung dem Harne von aussen zugeführt
    wird, liegt in der Thatsache, dass die Zersetzung zu ganz verschiedenen Zei-
    ten auftritt, wenn man Proben desselben Urins zu gleicher Zeit an verschiedenen
    Orten aufstellt. In jedem zersetzten Harne finden sich Pilze und es
    gelingt, in der Luft befindliche Pilze zu isoliren und zu züchten, denen die
    Fähigkeit

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    zukommt, den Harnstoff zu zerlegen und die sich als in
    Form und Wirksamkeit identisch mit Pilzen im zersetzten Urin erweisen.
    Dagegen muss es als eine derzeit nicht spruchreife Frage bezeichnet werden,
    ob nicht in Krankheiten Keime, die Harnzersetzung einleiten, durch die Nieren
    ausgeschieden und in den Harn gelangen können.

    Durch Gewinnung von Reinkulturen der im zersetzten Harne enthaltenen
    Pilze und deren Prüfung in sterilisirten Harnstofflösungen hat L. mindestens
    vier wohlcharakterisirte Arten wirksamer Pilze gefunden, welche zumeist
    nebeneinander im gährenden Harne enthalten sind. Dagegen ist es
    ihm nicht gelungen, ein ungeformtes Ferment zu isoliren, welches dieselbe
    Wirksamkeit besässe.