Rezension [unsigniert] von: Peretti ݆ber die schlafmachende Wirkung des Paraldehyd 1883-214/1883
S.

40. Ueber die schlafmachende Wirkung des Paraldehyd.

Von P e r e t t i (Berliner klin. Wochenschrift 1883, Nr. 40).

In der Andernacher Irrenanstalt wurden an 4 Gesunden und 32 Geisteskranken
Versuche mit Paraldehyd gemacht, um dessen Verwendbarkeit insbesondere
in der psychiatrischen Praxis zu prüfen. Die scharf schmeckende
Flüssigkeit wurde in 4%iger wässeriger, mit 10% Zucker versüsster Lösung
gegeben, welche Mischung selbst von unruhigen Geisteskranken niemals zurückgewiesen
wurde. Gegeben wurden Dosen von 2–8 Grm., gefahrdrohende
Nebenwirkungen traten in keinem Falle ein.
Eine Dosis von 3–6 Grm. erzeugt bei Gesunden nach wenigen Minuten
einen 2–4 Stunden dauernden Schlaf mit geringer Abnahme der Puls- und
Respirationsfrequenz, ohne Aufregungszustände vor dem Einschlafen hervorzurufen
und ohne alle Empfindung von Betäubung und Abgeschlagenheit
nach dem Erwachen. Der Appetit erfuhr selbst bei längerem Gebrauche des
Mittels (eine Kranke nahm in 42 Tagen 179 Grm.) keine Beeinträchtigung.
Eine kumulative Wirkung war überhaupt nicht zu konstatiren, Herzaffektionen
und allgemeine Schwäche erwiesen sich nicht als Kontraindikationen
für die Anwendung des Mittels.
Trotz aller dieser Vorzüge, die dem Paraldehyd im Vergleiche mit dem
Chloralhydrate zukommen, erwies sich dessen Anwendung bei Geisteskranken
als wenig erfolgreich, weil die Wirkung einer Dosis Paraldehyd nur wenige
Stunden anhält und sehr rasch Gewöhnung eintritt, so dass eine beständige
Vergrösserung der Gaben nothwendig wird. Letzterer Umstand ist um
so bedauernswerther, als der Preis des Paraldehyd derzeit ein sehr hoher ist
(30 Mark, pro Kilogramm).