Rezension von: Bechterew, [Wladimir] ›Über die hinteren Nervenwurzeln, ihre Endigung in der grauen Substanz des Rückenmarkes und ihre centrale Fortsetzung im letzteren‹ 1888-202/1887
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    Bechterew. Ueber die hinteren Nervenwurzeln, ihre Bndigung in der    
    grauen dUbstanz des Kiückenmarkes und ihre centrale ortsetzung im    
    letzteren (Eis-Braune's Arch. 1887, Nr. 2 u. 3, S. 126).    
    Die Untersuchung fötaler Rückenmarke vom Menschen lehrt, dass    
    die hinteren Wurzeln nieht aus gleichartigen Fasern bestehen, sondern    
    wenigstens in zwei streng differenzirte Bündel zerfallen. Diese Bündel    
    erscheinen im Querschnitt der hinteren Wurzel nicht getrennt. sondern    
    sich aber im Rückenmark voneinander. Das früher entwickelte Bündel    
    schon zu Anfang des fünften Schwangerschaftsmonats markhaltig) besteht    
    aus starken Fasern und geht nach dem Eintritt ins Backenmark grõssten-    
    theils in den äusseren vorderen oder Wurzeltheil der Burdach'schen    
    Stränge (innere starke Wurzelfasern) über; das später entwickelte    
    Bündel besteht aus feinen F'asern und lagert sich îm Rückenmark im    
    hintersten Theil der Seitenstränge in der von Lissauer sogenannten    
    ,Bandzone" ab ëussere feine Wurzelfasern). Kleinere Antheile    
    beider Bündel gehen direet in die gelatinöse Substanz.    

     

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    Nr. 22.    Centralblatt tür Physiologie.    599    
    Alle Fasern der hinteren Wurzeln dringen nach längerem oder    
    kürzerem Verlaufe in die graue Substanz ein. Es gibt keine direct zur    
    Oblongata aufsteigenden hinteren Wurzelfasern. Die Thatsache der    
    Durchscbneidung von hinteren Wurzeln beweist nichts für einen un-    Degeneration in den Goll'schen Strängen' nach Degeneration oder    
    unterbrochenen Verlanf derselben, da Degenerationen sehr wohl aher    
    eine graue Substanz hinaus auf eine mittelbare Fortsetzung eines Faser-    
    bündels sich erstrecken können.    
    Der centrale Verlauf der beiden Bündel in den hinteren Wurzeln    
    ist folgender: Wenn die Fasern der inneren starken Bündel in die    
    grane Substanz getreten sind, geht ein Theil derselben zu den Clarke-    
    schen Säulen, ein anderer in den mitileren Theil der grauen Substanz    
    und weiter bis ins Vorderhorn, wo sie sich mit den dort befindlichen    
    Zellen verbinden; ein dritter Antheil endlich ziebt in die vordere    
    Commissur und durch diese in den_contralateralen Vorderstrang zum    
    Vorderhorn der anderen Seite. Die Fasern des äusseren feinen Bündels    
    laufen in der Randzone eine Strecke weit aufwärts und verbinden sich    
    dann hauptsächlich mit den kleinen Zellen des Hinterhorns vor der    
    Substantia gelatinosa Rolandi.    
    Von den Clarke'schen Siulen gehen mehrfache Fasersysteme    
    aus, zunüchst Fasern, die den Kleinhirnseitenstrang bilden (am reich-    
    lichsten an der Grenze zwischen Lenden- und Brustmark zu beobachten),    
    sodann Fasern in den hinteren Theil der Burdach'schen und theil-    
    weise auch der Goll'schen Stränge, welche zur Oblongata aufsteigen,    
    und endlich Bündel zun_gleichseitigen und durch die vordere Com-    
    missur zum gekreuzten Vorderhorn. Aus den kleinen Zellen der    
    Hinterhörner sollen Fasern entspringen, welche (als Fortsetzung der    
    äusseren feinen Wurzelfasern)    in    die sogenannte Grenzschicht der    
    grauen Substanz gehen. Aus denselben Zellen nehmen wahrscheinlich    
    die Fasern zu den Goll'schen Strängen ihren Ursprung.    
    Zur pbysiologischen Deutung der beiden in den hinteren Wurzeln    
    aufgefundenen Faserarten bringt B. folgende Beobachtung bei: Durcb-    
    sehneidung der Hinterstränge erzeugt bei Thieren erst dann Schmerzens-    
    äusserung, wenn der Apex cornu posterioris mitverletzt wurde. B. ver-    
    muthet also, dass die äusseren feinen Wurzelfasern die sensible Leitung    
    von der Haut darstellen, wÄhrend die inneren starken Wurzelfasern    
    der Leitung des Muskelsgefühls dienen. Von den beiden Fortsetzungen    
    der inneren    starken Wurzelfasern wäre die eine    Kleinhirnseiten-    
    strangbahn- eine reflectorische Verbindung mit dem Kleinhirn; die    
    andere    andere peripherer Theil der Burdach'sehen Stränge diente    
    der Fortleitung der Muskelsensibilität zum Gehirn. Von den beiden    
    Fortsetzungen der âusseren feinen Wurzelfasern im Goll'schen    
    Strang und im contralateralen Seitenstrang will er die letztere für    
    die Fortleitung der Hautsensibilität zu höheren Theilen in Anspruch    
    nebmen. Die Goll'schen Stränge sollen ähnlich den Kleinhirnseiten-    
    strängen,Bedeutung für Reflexvorgänge" besitzen. Die hintere Com-    
    missur enthālt im fötalen Rückenmark nicht eine markhaltige Faser.    
    (Dem Bef. ist der Uebergang hinterer Wurzelfasern in die vordere    
    Commissur an Präparaten von Darkschewitsch 1885 gezeigt worden.    
    Ref. mu8s der obigen Arbeit B.'s anfügen, dass die Bedeutung der    
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    Centralblatt für Physiologie.    Nr. 21.    
    ioll'schen Stränge offenbar unrichtig erfasst ist. Dieselben sind den    
    Burdach'schen Strängen analog und unterscheiden sich von ihnen    
    durch die Beziehung zur unteren Extremität, während die Burdach-.    
    schen Stränge in Beziehung zu den Fasern für die obere Extremität|    
    steben.)    Sigm. Freud (Wien).