Rezension von: Herz, M[aximilian] ›Über Hemiatrophia facialis progressiva nebst Mittheilung eines diesbezüglichen Falles‹ 1887-227/1887
S.

Nr. 12.                                    Centralblatt für Kinderheilkunde.                                    249

                                                     

M. Herz. Ueber Hemiantrophia facialis progressiva nebst Mittheilung
eines diesbezüglichen Falles (Arch. f. Kinderheilkunde VIII, S. 241).
    Die Mittheilung von H. betrifft einen 13jährigen Knaben, das zehnte Kind
einer nervös gesunden Elternpaares. Keine Krankheiten im früheren Jugend mit sieben
Jahren Erkrankung an Masern. In den letzten zwei Jahren mässige Abgemagertsein,
vorwiegend an der rechten Stirnhälfte, welche noch gegenwärtig fortbestehen. Das
Gesicht des Kranken bietet einen eigentümlichen Anblick, die rechte Seite scheint
von allen anderen Schwächungen Muskeln angezogen, die linke ist prall und
blühend. Die beiden Gesichtshälften werden scharf abgegrenzt durch eine in der
Mittellinie verlaufende erhabene Leiste, welche sich auch auf den Schädel bis gegen
den Scheitel hin fortsetzt; an der rechten Kopfhälfte schwereres Haarbüschel, einzelne
ganz kahle Stellen. Die Scheidelinie beträgt 53 Centimeter, davon entfallen 27 Centi-
meter auf die linke Seite. Über der Linie ist die rechte schwächer entwickelt, darüber
gewölbt und dünner. Die Beschaffenheit und Stellung der Zähne deutet, übrigens auf
Rachitis. Die Haut der rechten Gesichtshälfte zeigt zahlreiche vertiefte und dunkle
pigmentirte Stellen, an denen das Unterhautgewebe verschwunden ist und die Haut
direct dem Knochen anliegt. Die rechte Auge, der rechte Nasenflügel kleiner als
links, die rechte Hälfte der Zunge dünner, Lippencommissur ohne deutliche Grenze
rechts verdünnt. An Stimmbogen und Uvula ist kein patholog. Verhältniss.
Alle Sinnesfunctionen, die Erregbarkeit und Beweglichkeit der Musculatur normal,
ebenso die Secretionen der rechten Seite. Die grossen arteriellen Gefässe zeigen
keinerseits das gleiche Kaliber. Die Krankheit schreitet mit der Bildung von weiss-
lichen Flecken im Gesichte, welche allmählich einsanken und dunkle Färbung an-
nahmen.
    In der an die Krankenbeobachtung angefügten Erörterung schliesst sich H.
der Annahme eines neurotischen Ursprunges des Leidens an.                                                                       Freud (Wien).