Rezension von: Lange, B. ›Inwieweit sind die Symptome, welche nach Zerstörung des Kleinhirns beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus zurückzuführen?‹ 1892-208/1893
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    Nr. 5.                                    Centralblatt für Physiologie.                                    159
     

    B. Lange. Inwieweit sind die Symptome, welche nach Zerstörung
    des Kleinhirns beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus
    zurückzuführen? (Pflüger’s Archiv. L, 1891).
        Zur Entscheidung der im Titel enthaltenen Frage zerstörte L.
    (unter Leitung Ewald’s) Tauchern den grössten Theil der Kleinhirn-
    und führte dann, nachdem die anfängliche stürmische Ataxie bis auf
    gewisse Dauersymptome gewichen war, an denselben Thieren die be-
    kannten Labyrinthoperationen aus. Die Dauersymptome der Kleinhirn-
    exstirpation bestanden in einem eigenthümlichen, stelzbeinigen Gang,
    geringen Intentionstremor des Kopfes, leichtem Schwanken und in
    einer constanten Farbenveränderung der Extremete (bei gleicher

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    Fütterung). Später schlug er den umgekehrten Weg ein, führte zuerst
    die Operationen an den Bogengängen aus, und exstirpierte nachträglich
    das Kleinhirn, wenn die Erscheinungen constant geworden waren.
    Es ergab sich mit aller Sicherheit, dass die Kleinhirnsymptome sich
    von den Acusticussymptomen strenge trennen lassen und in einem
    unbedeutenden Antheil zusammenfallen. Ferner, dass man bei Auf-
    einanderfolge der beiden Operationen einfach die Störungen, die jede
    einzelne gemacht hätte, summiert. Der Verlust des Kleinhirns hindert
    nicht das Auftreten der Labyrinthsymptome, dieselben sind im Gegen-
    theil heftiger und gleichen sich schwerer aus. Die Vorstellung, dass
    nach der zweiten Operation Symptome wieder auftreten, die nach der
    ersten bereits latent geworden waren, zeigte sich unhaltbar. Dagegen
    ist die Annahme berechtigt, dass das Kleinhirn und der Sinnesapparat
    in den Bogengängen einander unterstützen und zum Theil ersetzen
    können.                                                            Sigm. Freud (Wien).