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A. A. Nieden. Ein Fall von Lesescheu, Dyslezie (Dyeanagnosie) mit
Sectimsbefund (Arebiv f. Augenheilk. XVII, 2).
Bei einem 39jährigen, bisher gesunden Manne trat im Anschluss
an einen epileptiforinen Anfall, dem acht Tage vorher ein erster Anfall
vorbergegangen war, das von Berlin besehriebene Symptom der -Lese-S.
52 Centralblatt für Physiologie. Nr. 2.
scheu" auf; dasselbe besteht darin, dass der Kranke nicht ausdauernd
lesen kann. Nach vier bis fünf Worten wendet er Kopf und Blick von dem
Gelesenen weg, und zwar-nicht, weil ihm die Buehstaben verschwimmen,
oder weil schmerzhafte Bmptindungen in den Augen ihn dazu veranlassen,
8ondern in Folge eines unwiderstehlichen physischen Zwanges, etwa
in der Art, wie der Hlydrophobische sich vom Wasser abwendet. Ver-
suehe, diese Lesescheu zu überwinden, riefen bei N.'s Kranken Ohn-
machtsanfälle hervor, die durch perverse Geruehsempfindungen ein-
geleitet wurden. Dabei bestand keine andere Functionsstörung, kein
Zeichen allgemeiner nervöser Asthenie. Der Kranke starb in allmählich
zunehmendem Coma. nachdem drei Tage vor dem Tode vorübergehende
rechtsseitige Parese autgetreten war. Die Sectiou ergab drei verschieden
alte Erweichungsherde im Linsenkern-Streifenhügelgebiet, von denen
der zweitälteste vermöge 8einer Lage in den subcortialen Fasermassen,
hinter der Broca8ehen Windung, für die Erklärung der nlesescheu
in Betracht kommt. Von physiologischem Interesse ist ferner, dass der
erste, grösste Erweichungsherd im Streifenhügel keine motorischen
Bymptome, der dritte, in der Mitte des Linsenkernes gelegene, nur eine
fachtige halbseitige Parese erzeugt hatte. Ferner mag die Eigenthûm-
lichkeit der Aura (Geruchsempfindung) bei den Ohnmachtsanfallen in
Zusammenhang mit der erkrankten Localität (Streifenhügel) gebracht
Worden. Sigm. Freud (Wien).
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