S.
Physiologische Psychologie.
Oberstainer. De Hypnotismus mit besonderer Berilcksichtigung seiner
klinischen und forensischen Bedeutung (Klinische Zeit- und Streit-
fragen, Wien 1887).
Die 80 Seiten starke Schrift stellt sich die Aufgabe, in möglichster
Kürze den Standpunkt zu charakterisiren, auf welchen die Lehre romS.
Nr. 23. Centralblatt für Physiologie. 633
Hypnotismus durch die Untersuchungen der letzten Jahre gebracht
worden ist und daraus für den Arzt die Nothwendigkeit abzuleiten,
sieh mit diesem Gegenstande niher vertraut zu maclhen. Auf Grund
reichster Literaturkenntniss und eigener Erfahrung bellandelt O. die
Methode zur Herbeiführung der Hypn0se, die Erscheinungen wührend
der Hypnose auf dem Gebiete der Motilität, der Sensihilitit, in der
vegetativen Sphäre und die physische Phänomene, sowie die That-
sacben und Probleme, die sich an die sogenannte ,Suggestion" knüpfen,
ferner die therapeutisehe Verwendung der Hypnose, welche zu einer
ansehnlichen Rolle in der 'Therapie der Neurosen berufen scheint, und
die forensisehe Bedeutung der hypnotischen Zustünde. Besonders her-
vorzuheben ist der wissenschaftlich correcte Standpunkt les Autors,
der sorgtiltüg vermeidet, als unmöglich oder als 0genhatt zurûckzu-
weisen, was über_den Kreis seiner eigenen Erfahrungen hinausgeht
und jedesmal die Frage nach der Wahrheit einer helhaupteten, noch
als wunderbar erscheinenden Thatsache von. der Frage nach ihrer Er-
klärbarkeit durch unsere gegenwirtigen physiologischen Anschauungen
trennt. n Betreffder Beeinffussung des Nervensystems iureh den
Magneten vertritt 0. den Standpunkt, dass ein ,magnetischer Sinn"
lem Mensclhen zuzusprechen sei, dessen Empfindungen in der Norm
unter dem Schwellenwerthe bleiben, unter krankhaften Verhältnissen
(Hypnose, Hysterie) denselben aber übersteigen. Eine, wie dem Ref.
seheint, unzutreffende Bemerkung macht ). über die berühmıten Ver-
suche von Babinski bei Charcot, in welchen eine Suggestion von
einer hypnotisirten Person auf eine andere durch V'ermittelung eines
agneten übertragen wird. Wenn man aunehmen müsse, dass ein
Magnet unter Umständen auf einen Menschen einwirkt, so dürfe es
nicht als absonderlich erscheinen, wenn dieser Menseh wieder einen
weiten beeindusst, so wie ein magnetisirtes weiches Eisenstück die
Higenschaft erhilt, ein zweites anzuziehen. Diese Analogie verringert
nämlich nicht die Wunderbarkeit der Thatsache, da»s ein Nerven-
system durch andere Mittel als dureh die uns bekannten sinnlichen
Wahrnehmungen ein anderes Nervensystem beeinftussen kann. Man Man
muss vielmehr zugeben,_dass eine Bestütigung dieser Versuche unserer
Weltanschauung etwas Neues, bisher nicht Anerkanntes hinzufügen und
gleichsam die (irenzen der Persönlichkeit hinausrücken wiürde.
Sigm. Freud (Wien).
bsb11549788
632
–633