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Nr. 6. Centralblatt für Physiologie. 187
Steiner. Sinnessphären und Bewegungen (Pflüger’s Archiv L, 1891).
St. knüpfte an die Versuche von Munk und Schäfer an, und
welche ergeben haben, dass elektrische Reizung der Rinde der Seh-
sphäre bei Affen und Hunden associrte Augenbewegungen hervorruft,
welche eine Folge des Sehens zu sein scheinen und welche nicht
ausbleiben, wenn man die Sehphäre durch einen Schnitt von der
Fühlsphäre der Thiere isoliert. Er operirt an Tauben und Kaninchen.
Wenn man bei einer fixirten, aber nicht narkotisirten Taube eine
Stelle der Hirnoberfläche (mit Ausnahme eines schmalen Streifens im
vordersten Frontalhirn und hintersten Occipitalhirn) mit faradischen
Strömen reizt, so erhält man zunächst Pupillenverengerung desS.
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gekreuzten Auges, dann Lidschluss desselben und endlich associrte
Augenbewegungen nach der der Reizstelle gegenüberliegenden Seite.
Man sieht dabei drei Formen von Augenbewegung: 1. nach
hinten, 2. nach hinten oben, 3. nach hinten unten. Dieselben Versuche
gestalten sich einfacher, wenn die Reizung durch die intact
gelassene Dura erfolgt.
Fixirt man den Kopf der Taube während der Reizung nicht,
so bekommt man von denselben Stellen auch Kopfbewegungen nach
der gegenüberliegenden Seite, nur erfolgen die Kopfbewegungen schon
bei geringeren Stromstärken.
Auch bei Kaninchen rief St. durch Reizung der hinteren Gross-
hirnpartien associrte Augen- und Kopfbewegungen hervor; die Seh-
sphäre zeigte sich dabei weniger leicht erregbar und empfindlicher
gegen Schädlichkeiten als die motorische Sphäre. Ein zwischen beiden
Sphären angebrachter Schnitt hob die Kopfbewegungen in Folge von
Sehsphärenreizung nicht auf.
Indem St. an die ähnlichen, auch von ihm bestätigten Befunde
Baginsky’s erinnert, der durch Reizung der Hirnsphäre des Hundes
Ohr- und Augenlidbewegungen erzielt hatte, gelangt er zur Vermu-
thung, dass von jeder Sinnessphäre ein Bündel Stabkranzfasern nach
abwärts ziehe, welches zur Hervorrufung dieser „adäquaten“ Bewe-
gungen bestimmt sei. Dass der Effect der Reizung, die Abtrennung
der Sehsphäre von der motorischen Sphäre überdauere, beweist näm-
lich, dass diese adäquaten Bewegungen, welche die Folge von Gesichts-
eindrücken sind, nicht vermittelst der Association mit motorischen
Centren auf den bekannten motorischen Bahnen zu Stande kommen.
Sigm. Freud (Wien).
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