Rezension von: Steiner, [Isidor] ›Sinnessphären und Bewegungen‹ 1892-209/1892
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    Nr. 6.                                    Centralblatt für Physiologie.                                    187

     

    Steiner. Sinnessphären und Bewegungen (Pflüger’s Archiv L, 1891).
        St. knüpfte an die Versuche von Munk und Schäfer an, und
    welche ergeben haben, dass elektrische Reizung der Rinde der Seh-
    sphäre bei Affen und Hunden associrte Augenbewegungen hervorruft,
    welche eine Folge des Sehens zu sein scheinen und welche nicht
    ausbleiben, wenn man die Sehphäre durch einen Schnitt von der
    Fühlsphäre der Thiere isoliert. Er operirt an Tauben und Kaninchen.
        Wenn man bei einer fixirten, aber nicht narkotisirten Taube eine
    Stelle der Hirnoberfläche (mit Ausnahme eines schmalen Streifens im
    vordersten Frontalhirn und hintersten Occipitalhirn) mit faradischen
    Strömen reizt, so erhält man zunächst Pupillenverengerung des

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    188                                    Centralblatt für Physiologie.                                    Nr. 6.

    gekreuzten Auges, dann Lidschluss desselben und endlich associrte
    Augenbewegungen nach der der Reizstelle gegenüberliegenden Seite.
        Man sieht dabei drei Formen von Augenbewegung: 1. nach
    hinten, 2. nach hinten oben, 3. nach hinten unten. Dieselben Versuche
    gestalten sich einfacher, wenn die Reizung durch die intact
    gelassene Dura erfolgt.
        Fixirt man den Kopf der Taube während der Reizung nicht,
    so bekommt man von denselben Stellen auch Kopfbewegungen nach
    der gegenüberliegenden Seite, nur erfolgen die Kopfbewegungen schon
    bei geringeren Stromstärken.
        Auch bei Kaninchen rief St. durch Reizung der hinteren Gross-
    hirnpartien associrte Augen- und Kopfbewegungen hervor; die Seh-
    sphäre zeigte sich dabei weniger leicht erregbar und empfindlicher
    gegen Schädlichkeiten als die motorische Sphäre. Ein zwischen beiden
    Sphären angebrachter Schnitt hob die Kopfbewegungen in Folge von
    Sehsphärenreizung nicht auf.
        Indem St. an die ähnlichen, auch von ihm bestätigten Befunde
    Baginsky’s erinnert, der durch Reizung der Hirnsphäre des Hundes
    Ohr- und Augenlidbewegungen erzielt hatte, gelangt er zur Vermu-
    thung, dass von jeder Sinnessphäre ein Bündel Stabkranzfasern nach
    abwärts ziehe, welches zur Hervorrufung dieser „adäquaten“ Bewe-
    gungen bestimmt sei. Dass der Effect der Reizung, die Abtrennung
    der Sehsphäre von der motorischen Sphäre überdauere, beweist näm-
    lich, dass diese adäquaten Bewegungen, welche die Folge von Gesichts-
    eindrücken sind, nicht vermittelst der Association mit motorischen
    Centren auf den bekannten motorischen Bahnen zu Stande kommen.
                                                               Sigm. Freud (Wien).