Rezension von: Sternberg, [Maximilian] ›Hemmung, Ermüdung und Bahnung der Sehnenreflexe im Rückenmark‹ 1892-204/1892
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    Nr. 25.                                    Centralblatt für Physiologie.                                    859

    Physiologie des centralen und sympathischen Nervensystems.

    Sternberg. Hemmung, Ermüdung und Bahnung der Sehnenreflexe
    im Rückenmark (Wiener Akad. Sitzber. Juni 1891).
        Zahlreiche Versuche und Beobachtungen haben längst ergeben,
    dass auch die Sehnenreflexe Beeinflussungen unterliegen, welche als
    „Ermüdung Hemmung und Bahnung“ zu erklären sind. Es erhob
    sich nun die Frage, ob diese bahnenden und hemmenden Einflüsse
    stets nur vom Gehirn aus auf die spinalen Reflexcentren wirken, oder
    ob Hemmung und Bahnung der Reflexe auch direct durch Einwirkung
    auf das Rückenmark zu erzielen ist. E. T. Reichert hatte bei seinen
    Versuchen (1890) die Stärke der Patellarreflexe durch spinale Beein-
    flussung nicht verändern können.
        S.'s Versuche erbringen nun den Beweis, dass in dem vom Hirn
    abgetrennten Rückenmark der Säugethiere sich Vorgänge abspielen,
    welche bedeutende Veränderungen in der Art und Stärke der Sehnen-
    reflexe zur Folge haben, und dass diese Vorgänge durch Reize, die
    auf sensorische Nerven und innerspinale Fasern ausgeübt werden, eine
    wesentliche Beeinflussung erfahren.
        Er arbeitete an Kaninchen und Hunden mit durchschnittenen
    Brustmark, an denen — nach dem sich die Thiere von der Operation
    erholt haben — der Sehnenreflex einer bestimmten Muskelgruppe
    längere Zeit unter verschiedenen Bedingungen geprüft wurde. Die
    Details der Versuchsanordnung, mehrere genaue Protokolle und fünf
    Curventafeln sind im Originale einzusehen.
        S. konnte bei Kaninchen nur die Hemmung, bei Hunden nur
    die Bahnung der Sehnenreflexe nachweisen. Wenn er an einem
    Kaninchen, dessen Brustmark durchschnitten und dessen Wadenmuskel
    als Prüfungsobject eingespannt war, den N. peroneus durchschnitt,
    verschwand der Achillessehnenreflex, um erst nach mehreren Minuten
    wiederzukehren, in manchen Fällen verschwand er von Neuem jedes-
    mal, wenn ein Stück vom centralen Stumpf des Nerven abgeschnitten
    wurde. Auch die Durchschneidung eines Harnleiters zeigte einen
    hemmenden Einfluss auf die Stärke des Achillessehnenreflexes. Bei
    Hunden blieb der gleiche Versuch ganz erfolglos.
        An Hunden studirte St. das Verhalten des Patellarreflexes bei
    Faradisation des Rückenmarkes und des Ischiadicus des anderen Beines.
    In allen Fällen, in welchen die Reflexe schwach waren oder allmäh-
    lich geringer wurden, rief nach Einwirkung genügend starker
    faradischer Ströme sehr starke Reflexe hervorgerufen. Wenn dagegen
    sehr starke Reflexe vorhanden waren, so wurde durch Application des
    faradischen Stromes auf's Rückenmark eine bedeutende Herabsetzung
    derselben erzielt.

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    Das paradoxe Kniephänomen (Bengestoss anstatt Streckung)
    bei Beklopfen der Patellarsehne erklärt St. durch Ueberwiegen des Knochen-
    reflexes, der nach seinen früheren Untersuchungen einen Antheil an
    dem Phänomen des sogenannten „Sehnenreflexes“ hat.                                                                       Sigm. Freud (Wien).