Schlusswort der Selbstmord-Diskussion 1910-061/1925.2
S.

SCHLUSSVVORT
DER SELBSTMORD—DISKUSSION

Meine Herren, ich habe den Eindruck, daß wir trotz all des
wertvollen Materials, das hier vorgebracht wurde, zu einer Ent-
scheidung über das uns interessierende Problem nicht gelangt
sind. Wir wollten vor allem wissen, wie es möglich wird, den
so außerordentlich starken Lebenstrieb zu überwinden, ob dies
nur mit Hilfe der enttäuschien Libido gelingen kann, oder ob es
einen Verzicht des Ichs auf seine Behauptung aus eigenen Ich»
motiven gibt. Die Beantwortung dieser psychologischen Frage
konnte uns vielleicht darum nicht gelingen, weil wir keinen
guten Zugang zu ihr haben. Ich meine, man kann hier nur von
dem klinisch bekannten Zustand der Melancholie und von deren
Vergleich mit dem Affekt der Trauer ausgehen. Nun sind uns
aber die Alfektvorgänge bei der Melancholie, die Schicksale der
Libido in diesem Zustande, völlig unbekannt, und auch der Dauer—
affekt des Trauerns ist psychoanalylisch noch nicht verständlich
gemacht werden. Verzögem wir also unser Urteil, bis die
Erfahrung diese Aufgabe gelöst hat.