S.
275
[…]
Herr Dr. Sigm. Freud in Wien überreicht eine Abhandlung:
„Über den Bau der Nervenfasern und Nervenzellen beim Fluss-
krebs“, deren Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammengefasst sind:Der Inhalt der Nervenfasern besteht aus geradlinigen, iso-
lirten, in eine homogene Substanz eingebetteten Fibrillen von sehr
grosser, aber nicht an allen Stellen gleicher Hinfälligkeit.Die Nervenzellen bestehen aus zwei Substanzen, von denen
die eine, netzförmig angeordnete sich in die Fibrillen der Nerven-
fasern, die andere, homogene, in die Zwischensubstanz der Fibrillen
fortsetzt. Der Kern der Nervenzellen besteht aus einer gegen
den Zellleib nicht scharf abgegrenzten homogenen Masse, in
welcher geformte Bildungen von verschiedener Gestalt und Halt-
barkeit enthalten sind. Diese Inhaltskörper des Kernes zeigen
auffällige Form‑ und Ortsveränderungen, durch welche der über-
lebende Zustand der Zelle dargethan wird.Unter der Voraussetzung, dass die einzelnen Fibrillen der
Nervenfaser zur isolirten Leitung der Erregung befähigt sind,
begründet die beschriebene Structur des Nervengewebes beim
Flusskrebs die Auffassung, dass die in der Nervenfaser getrennten
Bahnen in der Nervenzelle zusammenfliessen.S.
276
Die Prüfung der in der Literatur niedergelegten Beob-
achtungen lässt vermuthen, dass diese Structur nicht dem Nerven-
gewebe des Flusskrebses eigenthümlich, sondern die allgemeine
Structur des Nervengewebes sei.Die überlebende Nervenzelle zeigt die nämlichen Structur-
verhältnisse des Protoplasmas und des Kerns, welche in neuerer
Zeit an sehr vielen und sehr verschiedenen, lebenden Zellen
anderer Gewebe erkannt worden sind.Im Nervensystem des Flusskrebses kommt eine Anzahl
multipolarer Zellen vor, welche nach dem von Deiters für die
Elemente des Centralnervensystems der Wirbelthiere aufgestellten
Schema gebaut sind.
275
–276