Die psychogene Sehstörung in der psychoanalytischen Auffassung 1910-005/1921
  • S.

    Die psyehogene Sehstorung in psycho-
    analytischer Auffassung”.

    D

    + Meine Herren Kollegen! Ich möchte Ihnen an. dem Bei:
    "spiel der psychogenen Sehstórung zeigen, welche Veründerungen
    unsere Auffassung von der Genese solcher Leiden ‘unter dem
    W mflusse der psychoanalytischen Untersuchungsmethode erfahren _
    ‘hat. Sie wissen, man nimmt die hysterische Blindheit als den
    Typus einer “psychogenen Sehstórung an. Die Genese einer
    solchen glaubt man nach den Untersuchungen der französischen
    Schule eines Charcot, Janet, Binet zu kennen. Man ist ja
    imstande, eine solche Blindheit experimentell zu erzeugen, wenn |
    man eine des Somnambulismus fihige Person zur "Verfügung |
    “hat. Versetzt man diese in tiefe Hypnose und suggeriert ihr die
    ‚Vorstellung, sie sehe mit dem einen Auge nichts, so benimmt
    sie "sich tatsächlich. wie eine auf diesem Auge Erblindete, wie
    gine Hysterika mit spontan. entwickelter Sehstórung. Man darf
    also den Mechanismus | der spontanen - hysterischen Sehstórung
    nach dem Vorbild der. seggerierten hypnotischen konstruieren.
    Bei der Hysterika entsteht die Vorstellung, blind zu sein, nicht

    - aus der Eingebung des Hypnotiseurs, RESA spontan, wie man . —/

    sagt, durch Autosuggestion, und diese Vorstellung ist in beiden

    Fållen so stark, daB sie sich in Wirklichkeit umsetzt, ganz ||

    — "Ahnlich wie eine suggerierte Halluzmation, Lähmung u. dgl.
    RIVE Das klingt ja vollkommen verläBlich und muß jeden be- _
    x friedigen, der sich üher die vielen. hinter den Begriffen Hypnose,

    3 gtliche Standeszeitung, | Wien, 1910. Festnummer | “tir Prof,
    Königstein, ; ,

  • S.

    Suggestion und. Autosuggestion versteckten Riitselhaftigkeiten
    linwegsetzen kann. Insbesondere die Autosuggestion gibt An-
    lab zu weiteren Fragen. Wann, unter welchen Bedingungen è
    wird eine Vorstellung so stark, daß sie sich wie eine Suggestion
    s henehmén und ohne weiteres in Wirklichkeit umsetzen kann? Ein-
    gehendere Untersuchungen haben da gelehrt, daB man diese
    $ Frage nicht beantworten kann, ohne den Begriff des „Un-
    ES bewuDten* zu Hilfe zu nehmen. Viele Philosophen strüuben sich
    gegen die Annahme eines solchen seelischen UnbewuBten, weil у
    sie sich um die Phänomene nicht gekümmert haben, die zu |
    - seiner Aufstellung nötigen. Den Psychopathologen ist es unver-
    + - , meidlich geworden, mit unbewuBten seelischen Vorgängen, un-
    dod bewuDten Vorstellungen п. dgl. zu arbeiten,

    Sinnreiche Versuche haben gezeigt, daD die hysterisch
    ඞඝ, Blinden doch in gewissem Sinne sehen, wenn auch nicht im
    NOU vollen Sinne. Die Erregungen des blinden Auges künnen doch |
    gewisse psychische Folgen haben, z. B. Affekte hervorrufen, ob- |
    gleich sie nicht bewuft werden. Die hysterisch Blinden sind ?
    Å also nur fürs Bewußtsein blind, im UnbewuBten sind sie sehend. |
    Es sind gerade Erfahrungen dieser Art, die uns zur Sonderung
    von bewußten und unbewulten seelischen Vorgängen nötigen. ①
    ③ Wie kommt es, daß sie die unbewuBte , Autosuggestion®, blind > Fru
    SE sein, entwickeln, während sie doch im UnbewuBten sehen?
    1 å Auf diese weitere Frage antwortet die Forschung der IS.
    Franzosen mit der Erklärung, daß bei den zur Hysterie dis-.

    ponierten Kranken von vornherein eine Neigung zur Disso-

    ziation — zur Auflösung des Zusammenhanges im seelischen

    Geschehen - | bestehe, in deren Folge‘ manche unbewuBte x
    . Vorgünge sich nicht zum BewuBten fortsetzen. Lassen wir nun 4

    den Wert dieses Erklürungsversuches für das Verstündnis der 4

    behandelten Erscheinungen ganz außer Betracht und wenden
    wir uns einem andern Gesichtspunkte zu. Sie sehen doch ein, |
    meine Herren, daß die anfänglich betonte Identität. der hysteri- | |
    schon Blindheit mit der durch Suggestion hervorgerufenen wieder ‘ |
    aufgegeben ist. Die Hysterischen sind nicht infolge der auto- |
    suggestiven Vorstellung, daß sie nicht sehen, blind, sondern in- e
    ‚folge der Dissoziation zwischen unbewufiten und bewuBten Pro- > |
    . Zessen im Sehakt; ihre - Vorstellung, nicht zu sehen, ist der

    i s ^ i LER

  • S.

    berechtigte Ausdruck des psychischen Sachverhältes und nicht |
    ‚die Ursache desselben,

    Meine Herren! Wenn Sie der vorstehenden Darstellung
    Unklarheit zum Vorwurf machen, so wird es mir nicht leicht _
    werden, sie zu verteidigen. Ich habe versucht, Ihnen eine Synthese
    aus den Ansichten verschiedener Forscher zu gehen und dabei
    wahrscheinlich die Zusammenhänge zu straff angezogen: Ich
    wollte die Begriffe, denen man das Verständnis der psychogenen
    Störungen ‚unterworfen hat: die Entstehung aus übermächtigen
    Ideen, die Unterscheidung bewußter von unbewußten seelischen
    - Vorgängen und die Annahme | der seelischen Dissoziation, zu
    einer einheitlichen SVE verdichten, und dies konnte mir
    ebensowenig , gelingen, wie 'es den französischen Autoren, an
    “ihrer Spitze P. J anet, gelungen ist. Verzeihen Sie mir also
    . nebst der Unklarheit auch die Untreue, meiner Darstellung und.
    lassen Sie sich erzählen, wie uns die Psychoanalyse zu einer in
    sich besser gefestigten und wahrscheinlich lebenswahreren Auf-
    fassung der psychogenen Sehstôrungen geführt hat. 0242

    Die Psychoanalye akzeptiert ‚ebenfalls die Annahmen: der:
    | Dissoziation und des Unbewubten, setzt sie aber in eine andere
    au zueinander. Sie ist eine dynamische | Auffassung, die |
    das seelische Leben auf ein Spiel von einander fördernden und -
    _ hemmenden Kräften Zuräeckfilliet. Wenn in einem Falle eine
    | Gruppe von Vorstellungen im UnbewuBten verbleibt, so schließt |
    sie nicht auf eine konstitutionelle Unfähigkeit zur Synthese, die

    . sich gerade in dieser Dissoziation kundgibt, sondern behauptet,
    _ daB ein, aktives Sträuben anderer "Vorstellungsgruppen die Tso- -
    Jierung _ und, ‘UnbewuBtheit der einen Gruppe verursacht hat.
    si Å ‘Den Prozeb, der ein solches Schicksal für die eine Gruppe her- |
    _ beifiihrt, | heißt ‘sie „Verdrängung“ und erkennt in ihm etwas | ⑥
    Analoges, wie es auf logischem Grebiete die Urteilsverwerfung | «
    | ist, Bie weist. nach, ‚daß ‚solche Verdringungen eine auBerordent- 4
    lich wichtige Rolle in unserem Seelenleben spielen, dab sie ·
    y “dem Individuum auch häufig miBlingen können, und dab. das «
    | Miblinge en ‚der Verdrängung die VASE der Symptome
    ‚bildung ist. .-,
    R die also a pe sans, wie wir g er

  • S.

    \

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    Wert

    i Vorstellungen vom Bewußtsein abgetrennt bleiben, so muß die
    ー psychoanalytische Denkweise annehmen, diese Vorstellungen seien
    in einen Gegensatz zu anderen stärkeren getreten, für die wir
    den jeweilig anders ¿usammengesetzten Sammelbegriff des ,, 1 0115
    verwenden, und seien darum in die Verdriingung geraten. Woher
    "soll aber ein solcher, zur Verdrängung auffordernder Gegensatz
    zwischen dem Ich und einzelnen Vorstellungsgruppen rühren?

    ' Sie merken wohl, daß diese Fragestellung vor der Psychoanalyse
    nicht méglich war, denn vorher wußte man nichts vom psychi-
    'schen Konflikt und von der Verdringung. Unsere Unter-
    _ suchungen haben uns nun in den Stand gesetzt, die verlangte
    Antwort zu geben. Wir sind auf die Bedeutung der Triebe
    für das Vorstellungsleben aufmerksam geworden; wir haben er-
    fahren, daß sich jeder Trieb durch die Belebung der.zu seinen
    Zielen passenden Vorstellungen zur Geltung zu bringen sucht.
    Diese Triebe vertragen sich nicht immer miteinander; sie ge-
    raten häufig in einen Konflikt der Interessen; die Gegensätze
    der Vorstellungen sind nur der Ausdruck der Kämpfe zwischen
    den einzelnen Trieben. Von ganz besonderer Bedeutung für
    unsern Erklårungsversuch ist der unleugbare Gegensatz zwischen .
    "den Trieben, welche der Sexualität, der Gewinnung sexueller
    Lust dienen, und den anderen, welche. die Selbsterhaltung des
    Individuums zum Ziele haben, den Ichtrieben. Als ,Hunger*
    ‚oder als „Liebe können wir nach den Worten des Dichters

    . alle in unserer Seele wirkenden organischen Triebe klassifizieren.
    Wir haben den ,Sexualtrieb“ von seinen ersten Äußerungen
    beim Kinde bis zur Erreichung der als „normal“ bezeichneten
    Endgestaltung vérfolgt und gefunden, daß er aus zahlreichen
    „Partialtrieben“ zusammengesetzt ist, die an den Erregungen
    von Kürperregionen haften; wir haben eingesehen, daß diese
    Finzeltriebe eine komplizierte Entwicklung durchmachen müssen,
    ehe sie sich in zweckmäßiger Weise den Zielen der Fortpflanzung
    einordnen können, Die psychologische Beleuchtung - unserer

    - Kulturentwicklung hat uns gelehrt, daB die Kultur wesentlich
    auf ‘Kosten der sexuellen Partialtriebe entsteht, daB diese unter-
    drückt, eingeschränkt, umgebildet, auf höhere Ziele gelenkt
    werden müssen, um die kulturellen seelischen Konstruktionen her-
    . zustellen. Als wertvolles Ergebnis dieser Untersuchungen konnten

  • S.

    ‚wir erkennen, was uns die Kollegen noch nicht glauben wollen,
    daß die als „Neurosen“ bezeichneten Leiden der Menschen auf
    die mannigfachen Weisen des Mibgliickens dieser Umbildungs-
    mvorgånge an den sexuellen Partialtricben zurückzuführen sind.
    Das „Ich“ fühlt sich durch die Anspriiche dér sexuellen Triebe
    bedroht und erwehrt sich ihrer durch- Verdrängungen, die aber
    nicht immer den erwiinschten Erfolg haben, sondern bedrohliche
    Ersatzbildungen des Verdriingten und listige Reaktionsbildungen
    des 1088 zur Folge haben. Aus diesen beiden Klassen von
    Phänomenen setzt sich zusammen, was wir die Symptome der
    Neurosen heißen. — .- - /
    > Wir sind von unserer Aufgabe anscheinend weit abge-
    schweift, haben aber dabei die Verknüpfung der neurotischen
    Krankheitszustinde mit unserem | gesamten Geistesleben ge-
    streift. Gehen wir jetzt zu unserem engeren Problem zurück.
    Den sexuellen wie den Ichtrieben stehen im allgemeinen die
    nimlichen Organe und Organsysteme zur Verfügung. Die sexuelle
    Lust ist nicht bloß an die Funktion der Genitalien geknüpft;
    der Mund dient dem Küssen ebensowohl wie dem Essen und
    der sprachlichen. Mitteilung, die Augen nehmen nicht nur die
    für die Lebenserhaltung wichtigen Veränderungen der Außen-
    welt wahr, sondern auch die Eigenschaften der Objekte, durch
    . welche diese zu Objekten der Liebeswahl erhoben werden, ihre
    „Reize“. Es bewahrheitet sich nun, daß es für niemand leicht |
    wird, zweien Herren zugleich zu dienen. In je innigere Be-
    ziehung ein Organ mit solch doppelseitiger Funktion zu dem
    einen der großen Triebe tritt, desto mehr verweigert, es sich
    dem andern. Dies Prinzip muß zu pathologischen Konsequenzen
    führen, wenn sich die beiden Grundtriebe entzweit haben, wenn
    von seiten des Tchs eine Verdrängung gegen den betreffenden |
    sexuellen Partialtrieb unterhalten wird. Die Anwendung &uf
    das Auge und das Sehen ergibt sich leicht. Wenn der sexuelle

    Partialtrieb, der sich des Schauens bedient, die sexuelle Schau- |

    lust, wegen seiner übergrofen Ansprüche die Gegenwehr der _
    1611011606 auf sich gezogen hat, so daß die "Vorstellungen, in

    denen sich sein Streben ausdrückt, der Verdrängung verfallen
    ‚und vom. BewuBtwerden abgehalten werden, so. ist damit, die |
    — Beziehung des Auges und des Sehens zum Ich und zum, Be- E

  • S.

    319
    wuvtsein überhaupt gestört, Das Ich hat seine Herrschaft über

    das Organ verloren, welches sich nun" ganz dem verdrüngten

    sexuellen T'rieb zur Verfügung stellt: Es macht den Eindruck,
    als ginge die Verdrüngung von seiten des Ichs zu weit, als
    schiittete sie das Kind mit dem Bade aus, indem das Ich jetzt
    überhaupt nichts mehr-sehen will, seitdem sich die sexuellen
    Interessen im Sehén so sehr vorgedrüngt haben. Zutreffender

    „ist aber wohl die andere Darstellung, welche die Aktivität nach

    der Seite der verdrängten Schaulust verlegt. Es ist die Rache,
    die Entschädigung des verdringten Triebes,'daB er; von weiterer

    _ psychischer Entfaltung ‚abgehalten, seine Herrschaft über das
    " ihm dienende Organ nun zu steigern vermag, Der Verlust der be-

    wußten Herrschaft über das Organ ist die schädliche Ersatzbildung
    får die mibglückte Verdrängung, die nur um diesen Preis er-

    måglicht war.

    “Deutlicher noch als am Auge ist diese Beziehung des:

    i zweifach in Anspruch genommenen Organs zum bewußten Ich

    und zur verdrüngten Sexualität an den ‚motorischen Organen
    ersichtlich, wenn z. B. die Hand hysterisch gelihmt wird, die
    eine sexuelle Aggression. ausfiihren wollte, und nach deren
    Hemmung nichts anderes *mehr tun kann, gleichsam als bez
    stünde sie eigensinnig auf der Ausführung der einen verdrångten
    Innervation, oder wenn die Finger von Personen, welcher der
    Masturbation entsagt haben, sich weigern, das feine Bewegungs-
    spiel, welches am Klavier oder an der Violine erfordert wird,
    zu erlernen, Für das Auge pflegen wir die dunkeln psychischen
    Vorgiinge bei der-Verdrüngung der sexuellen Schaulust und bei
    der Entstehung der psychogenen Sehstôrung so zu übersetzen,
    als erhåbe sich in dem Individuum eine strafende Stimme,'
    welche sagte: „Weil du dein Sehorgan zu böser Sinneslust mili.
    brauchen wolltest, geschieht es dir ganz recht, wenn du über-
    haupt nichts mehr siehst;“ „und die so den Ausgang des Pro-
    zesses billigte. Es liegt dann die 1406 der Talion darin, und

    unsere Erklårung der psychogenen Sehstürung ist eigentlich mit

    jener zusammengefallen, die von der Sage, dem Mythus, der

    Legende dargeboten wird. In der schönen. Sage von der Lady

    Godiva verbergen sich alle Einwohner der Städtchens hinter
    ihren verschlossenen Fenstern, um der Dame der Aufgabe, bei

  • S.

    hellem Tageslichte nackt durch die StraBen zu. reiten, zu er-
    leichtern. Der einzige, der durch die Fensterliden nach der ent- |
    blößten Schönheit späht, wird gestraft, indem er erblindet. Es ist
    dies übrigens nicht das einzige Beispiel, welches uns ahnen libt, daß
    der Nenrotik auch den Schlüssel zur Mythologie in sich birgt.
    | Meine Herren, man macht der Psychoanalyse mit Unrecht
    “den Vorwurf, daß sie zu rein psychologischen Theorien der
    krankhaften Vorgänge führe. Schon die Betonung der pathogenen ~
    Rolle der Sexualität, die doch gewiß kein ausschließlich psychi-
    scher Faktor ist, sollte sic gegen diesen Vorwurf schützen. Die |
    ' Psychoanalyse. vergiDt. niemals, daß das Seelische auf dem
    Organischen ruht, wenngleich ihre Arbeit es nur bis zu dieser
    Grundlage und nicht darüber hinaus verfolgen kann, So ist die.
    | Psychoanalyse auch bereit: zuzugeben, ja zu postulieren, dal
    ‘nicht alle funktionellen Sehstórungen psychogen sein kønnen,
    | wie die durch Verdrängung der erotischen Schaulust hervor- |
    „gerufenen. Wenn ein Organ, welches beiderlei Trieben dient,
    — seine erogene Rolle steigert, so ist ganz allgemein zu erwarten,
    İLAN dal dies nicht ohne Veränderungen der Erregbarkeit und der
    | Innervation abgehen wird, die sich bei der Funktion: des Organs
    im Dienste des Ichs als Stórungen kundgeben werden. Ja, wenn
    wir sehen, daß ein Organ, welches sonst der Sinneswahrnehmung
    dient, sich bei Erhöhung seiner ‚erogenen Rolle geradezu: wie Å
    ein Genitale gebärdet, werden wir auch toxische Veränderungen
    in demselben nicht für unwahrscheinlich halten. Für beide
    Arten von Funktionsstörungen infolge der gesteigerten erogenen
    Bedeutung, die physiologischen, wie die toxischen Ursprungs,
    wird man, in Ermangelung eines besseren, den alten, unpas- |
    senden Namen .,neurotische% Störungen beibehalten müssen. Die
    | neurotischen Störungen des Sehens verhalten sich zu den
    psychogenen wie ganz allgemein die Aktualneurosen zu den |
    | Psychoneurosen; psychogene Sehstórungen werden wohl kaum ~
    | jemals ohne neurotische vorkommen kónnen, wohl aber letztere
    “ohne jene. Leider sind diese ,neurotischen“ Symptomé hente
    | noch sehr wenig gewürdigt und verstanden, denn der Psycho- |
    analyse sind sie nicht unmittelbar zugänglich und die anderen |
    Untersuchungsweisen. haben den Gesichtspunkt „der Sexvalitüt |

    | außer acht gelassen - | も Wa

  • S.

    Von der Psychoanalyse zweigt noch ein anderer, in die
    | organische Forschung reichender Gedankengang ab. Man kann
    f sich die Frage vorlegen, ob die durch die Lebenseinflüsse er-
    zeugte Unterdrückung sexueller Partialtriebe für sich allein
    k hinreicht, die Funktionsstórungen der Organe hervorzurufen,
    = oder ob nicht besondere konstitutionelle Verhältnisse vorliegen
    muBten, welche erst die Organe zur Übertreibung ihrer erogenen
    Rolle veranlassen und dadurch die Verdrängung der Triebe
    provozieren. In diesen Verhältnissen müßte man den konstitu-
    tionellen Anteil der Disposition zur Erkrankung an psychogenen
    . und neurotischen Stórungen erblicken. Es ist dies jenes Moment,
    pa welches‘ ich bei der Hysterie vorläufig als „somatisches Ent-
    | gegenkommen“ der Organe bezeichnet habe.

    Freud, Neurosenlehre III.