Zur Aetiologie der Hysterie [V.] 1896-003/1896.5
  • S.

    Zur Aetiologie der Hysterie.
    Von
    Dr. Sigm. Freud.

    (Schluss.*)

    III.

    Meine Herren, das Problem, dessen Ansätze ich soeben
    formulirt habe, betrifft den M e c h a n i s m u s der hysterischen
    Symptombildung. Wir sind aber genöthigt, die Erörterung
    dieser Symptome darzustellen, ohne diesen Mechanismus in
    Betracht zu ziehen, was eine unvermeidliche Einbusse an Ab-
    rundung und Durchsichtigkeit unserer Erörterung mit sich
    bringt. Kehren wir zur Rolle der infantilen Sexualscenen zu-
    rück. Ich fürchte, ich könnte Sie zur Ueberschätzung von
    deren symptombildender Kraft verleitet haben. Ich betone
    darum nochmals, dass jeder Fall von Hysterie Symptome auf-
    weist, deren Determinirung nicht aus infantilen, sondern aus
    späteren, oft aus recenten Erlebnissen herstammt. Ein anderer
    Antheil der Symptome geht freilich auf die allzufrühsten Er-
    lebnisse zurück, ist gleichsam vom ältesten Adel. Dahin ge-
    hören vor Allem die so zahlreichen und mannigfaltigen Sen-
    sationen und Parästhesien an den Genitalien und anderen
    Körperstellen, die einfach dem Empfindungsinhalt der Infantil-
    scenen in hallucinatomischer Reproduction, oft auch in schmerz-
    hafter Verstärkung, entsprechen.

            Eine andere Reihe überaus gemeiner hysterischer Phä-
    nomene, der schmerzhafte Harndrang, die Sensationen bei der
    Defäcation, Störungen der Darmthätigkeit, das Würgen und
    Erbrechen, Magenbeschwerden und Speise-Ekel gar sich in
    meinen Analysen gleichfalls und zwar mit überraschender
    Regelmässigkeit — als Derivat derselben Kindererlebnisse zu
    erkennen und erklärte sich mühelos aus constanten Eigen-
    thümlichkeiten derselben. Die infantilen Sexualscenen sind näm-
    lich — im Gegensatz zum Coitus in adultis — ungeeignet
    Zurückziehungen aus dem geschlechtlichen Verkehr zu tragen,
    enthalten alle Ausschreitungen, die von Wüst-
    lingen und Impotenten bekannt sind, bei denen Mundhöhle
    und Darmausgang missbräuchlich zu sexuellen Verwendungen ge-
    langen. Die Verwunderung hierüber weicht beim Arzte alsbald
    einem völligen Verständniss. Von Personen, die kein Bedenken
    tragen, ihre sexuellen Bedürfnisse an Kindern zu befriedigen,
    kann man nicht erwarten, dass sie an Nuancen in der Weise
    dieser Befriedigung Anstoss nehmen, und die dem Kindesalter
    anhaftende sexuelle Impotenz drängt unausbleiblich zu denselben
    Surrogathandlungen, zu denen sich der Erwachsenen im Falle er-
    worbener Impotenz erniedrigt. Alle die seltsamen Bedingungen,
    unter denen das ungleiche Paar sein Liebesverhältniss fortführt,
    — der Erwachsene, der sich seinem Antheil an der gegenseitigen
    Abhängigkeit nicht entziehen kann, wie sie aus einer sexuellen
    Beziehung nothwendig hervorgeht, der dabei doch mit aller
    Autorität und dem Rechte der Züchtigung ausgerüstet ist, und
    zur ungebahnten Befriedigung seiner Launen die eine Rolle
    mit der anderen vertauscht; das Kind, dessen Willkür in seiner
    Hilflosigkeit preisgegeben, vorzeitig zu allen Empfindlichkeiten
    erweckt und allen Enttäuschungen ausgesetzt, häufig in der
    Ausübung der ihm zugewiesenen sexuellen Leistungen durch
     

    *) Siehe Wiener klinische Rundschau 1896, Nr. 22–25.

    eine unvollkommene Beherrschung der natürlichen Bedürf-
    nisse unterbrochen; alle diese grotesken und doch tragischen
    Missverhältnisse prägen sich in der ferneren Entwicklung des
    Individuums und seiner Neurose in einer Unzahl von Dauer-
    effecten aus, die der eingehendsten Verfolgung würdig wären.
    Wir werden von da an das E r l e b n i s selbst weniger
    für die Gesundheit der Sexualscenen zu Kinder abgelobt,
    bleibt der Charakter der Sexualscenen doch der nämliche ab-
    stossende, da ja jedes Kinderverhältniss eine vorausgegangene
    Verführung des einen Kindes durch einen Erwachsenen postu-
    lirt. Die psychischen Folgen eines solchen Kinderverhältnisses
    sind ganz ausserordentlich tiefgreifende; die beiden Personen
    bleiben für ihre ganze Lebenszeit durch ein unschätzbares Band
    miteinander verknüpft.

            Gelegentlich sind es Nebenunstände dieser infantilen
    Sexualscenen, welche in späteren Jahren zu determinirender
    Macht für die Symptome der Neurose gelangen. So hat in
    einem meiner Fälle der Umstand, dass das Kind abgerichtet
    wurde, mit seinem Fuss die Genitalien des Erwachsenen zu
    reizen, längergedauert, und Jahre hindurch die neurotische Auf-
    merksamkeit auf die Beine und deren Function zu fixiren
    und schliesslich eine hysterische Paraplegie zu erzeugen. In
    einem anderen Falle wäre es räthselhaft geblieben, warum
    die Kranke in ihren Angstanfällen, die gewisse Tagesstunden
    bevorzugten, gerade eine einzige von ihren zahlreichen
    Schwestern zu ihrer Beruhigung nicht von ihrer Seite lassen
    wollte, wenn die Analyse nicht ergeben hätte, dass der Acten-
    thäter seinerzeit sich bei jedem dieser Besuche erkundigt hatte,
    ob diese Schwester zu Hause sei, von der er eine Störung be-
    fürchten musste.

            Es könnte, vor, dass die determinirende Kraft der In-
    fantilscenen auch so sehr geringt, dass sie bei oberflächlicher
    Analyse übersehen werden muss. Man vermeint dann, man
    habe die Entstehung eines gewissen Symptoms im Inhalt einer
    der späteren Scenen gefunden, und stösst im Verlaufe der
    Arbeit auf denselben Inhalt in einer der Infantilscenen, so
    dass man sich schliesslich sagen muss, die späteren Scenen ver-
    danke ihre ware Symptome zu determiniren doch nur ihrer
    Uebereinstimmung mit der früheren. Ich will darum die spätere
    Scene nicht als bedeutungslos hinsichteln; wenn ich, die Auf-
    gabe hätte, die Regeln der hysterischen Symptombildung vor
    Ihnen zu erörtern, würde ich als eine dieser Regeln aner-
    kennen müssen, dass zum Symptom jene Vorstellung ausge-
    wählt wird, zu deren Hebung mehrere Momente zusammen
    wirken, die von verschiedenen Seiten her gleichzeitig gewickt
    wird, was ich an anderer Stelle durch den Satz auszudrücken
    versucht habe: Die hysterischen Symptome seien
    überdeterminirt.

            Noch eines, meine Herren; ich habe zwar vorhin das
    Verhältniss der recenten Aetiologie zur infantilen als ein be-
    sonderes Thema bei Seite gerückt; aber ich kann doch den
    Gegenstand nicht verlassen, ohne diesen Vorsatz durch
    wenigstens eine Bemerkung zu übertreten. Sie gestehen mir,
    es ist ein Verallgemeinung der Thatsache, die uns am psychisch
    logischen Verständniss der hysterischen Phänomene irrtuhend
    lässt, die uns zu warnen scheint, psychische Acte bei Hysteri-
    schen sind bei Normalen mit gleichem Mass zu messen. Es
    ist dies das Missverhältniss zwischen psychisch erregendem
    Reiz und psychischer Reaction, das wir bei den Hysterischen
    antreffen, welches wir durch die Annahme eines allgemeinen
    abnormen Reizzustand zu decken suchen und häufig physio-
    logisch zu erklären bemüht sind. Auf die gewisse Ueber-
    tragung dienende Hirnorgane sich bei den Kranken in einem
    besonderen chemischen Zustande befindet, etwa wie die
    Spinalnerven den Stirnhöhlen zugezogen, oder sich dem Einflusse
    höherer hemmender Centren entzogen hätten, wie im vivi-
    sectorischen Thierexperiment. Beide Auffassungen mögen hier
    und dort zur Erklärung der hysterischen Phänomene vollbe-
    rechtigt sein. Das stelle ich nicht in Abrede; aber der Haupt-
    antheil der Phänomene, der abnormen, übergrossen hysteri-
    schen Reaction auf psychische Reize lässt eine andere Er-
    klärung zu, die durch zahllose Beispiele aus den Analysen

  • S.

    gestützt wird. Und diese Erklärung lautet: Die Reaction
    der Hysterischen ist eine nur scheinbar über-
    triebene; sie muss uns so scheinen, weil wir
    nur einen kleinen Theil der Motive kennen,
    aus denen sie erfolgt.

            In Wirklichkeit ist diese Reaction proportionirt dem
    erregenden Reiz, normal und psychologisch verständlich.
    Wir sehen dies sofort ein, wenn die Analyse zu den mani-
    festen, dem Kranken bewussten Motiven jene anderen Motive
    hinzugefügt hat, die gewirkt haben, ohne dass der Kranke un-
    sie wusste, die er uns also nicht mittheilen konnte.
            Ich könnte Stunden damit ausfüllen, Ihnen diesen
    richtigen Satz für den ganzen Umfang der psychischen Thätigkeit
    bei Hysterischen zu erweisen, muss mich aber hier auf wenige
    Beispiele beschränken. Sie erinnern sich an die so häufige
    Sexual-E m p f i n d l i c h k e i t der Hysterischen, die sie auf die
    leidteste Andeutung einer Geringschätzung reagiren lässt, als
    seien sie tödlich beleidigt worden? Was würden Sie nun
    denken, wenn Sie eine solche hochgradige Verarbeitbarkeit bei
    geringfügigen Anlässen zwischen zwei gesunden Menschen,
    etwa Pflegern, beobachten würden? Sie stünden gewiss den
    Schluss ziehen, die eheliche Scene, der sie beigewohnt,
    sei nicht allein der Erfolg des letzten kleinlichen Anlasses,
    sondern da habe sich durch lange Zeit Zündstoff angehäuft,
    der nun in seiner ganzen Masse durch den letzten Anstoss
    zur Explosion gebracht worden sei. Das Gleiche gilt den
    E r l e b n i s s e, übertragen derselben Gedankengang auf die
    Hysterischen. Nicht die letzte an sich minimale Kränkung ist
    es, die den Weinkrampf, den Ausbruch von Verzweiflung, den
    Selbstmordversuch gezeugt mit Missachtung des Satzes von der
    Proportionalität des Effects und der Ursache, sondern diese
    kleine Kränkung hat die Erinnerungen so vieler unverdauter,
    früherer Kränkungen geweckt und unter Wirkung ge-
    bracht, hinter denen allen noch die Erinnerung an eine
    schwerere, nie verdaute Kränkung im Kindesalter steckt.
    Oder: wenn ein junges Mädchen sich dem entsetzlichsten Vor-
    würfe macht, weil sie geduldet, dass ein Knabe zärtlich im
    Geheimen über ihre Hand gestrichen, und von da ab den Neu-
    rosen verfallen, so können Sie zur dem Räthsel mit dem Ur-
    theil begegnen, dass sei eine abnorme, excentrisch angelegte,
    hypersensible Person; aber Sie werden ganz anders denken,
    wenn die Analyse zeigt, dass jene Berührung an eine andere
    ähnliche erinnerte, die in sehr früher Jugend vortheil und ein
    Stück aus einem minder harmlosen Ganzen war, so dass
    eigentlich die Vorwürfe jenem alten Anlass gelten. Schliess-
    lich ist das Räthsel der h y s t e r o g e n e n Zone zu erklären
    kein anderes: wenn Sie eine ungewöhnliche Stelle berühren,
    thun Sie etwas, was sie nicht beabsichtigt haben; Sie wecken
    eine Erinnerung auf, die einen krankhaften Auszulösen vor-
    mag, und da sie von einem psychischen Mittelglied nichts
    wissen, beziehen Sie den Anfall als Wirkung direct auf ihre
    Berührung als Ursache. Die Kranken befinden sich in der-
    selben Unwissenheit und verfallen darum in ähnliche Irr-
    thümer, sie stellen beständig «falsche Verknüpfungen» her
    zwischen den letztbewussten Anlässen und dem von so viel
    Mittelgliedern abhängigen Effect. Es ist dem Arzt aber mög-
    lich geworden, zur Erklärung einer hysterischen Reaction die
    bewussten und die unbewussten Motive zusammenzufassen, so
    dass er die scheinbar übermässige Reaction fast immer
    als eine angemessene, nur in der Form abnorme anerkennen
    wird. Sie werden nun gegen diese Besichtigung der hysteri-
    schen Reaction auf psychische Reize mit Recht einwenden,
    sie sei doch keine normale, denn warum benehmen die Ge-
    sunden sich nicht so? Warum wirken bei ihnen nicht alle längst
    vergessenen Erinnerungen mit, wenn eine neue Er-
    regung actuell ist? Es macht ja den Unterschied zwischen
    dem Hysterischen und allen Erlebnisse wirkungskräftigen auf
    die sehen so oft und zwar in thümischer Weise reagiren
    würde, als seien diese Personen unfähig, psychische Reize zu
    erleiden, so richtig meine Herren, etwas Derartiges muss man
    thatsächlich als wahr annehmen. Vergessen Sie nicht, dass

    die alten Erlebnisse der Hysterischen bei einem actuellen An-
    lasse als unbewusste Erinnerungen ihre Wirkung
    äussern. Es scheint, als ob die Schwierigkeit der Erledigung,
    die Unmöglichkeit, einen seelischen Eindruck in eine macht-
    lose Erinnerung zu verwandeln, gerade an dem Charakter des
    psychisch Unbewussten hinge. Sie sehen, den Rest des Pro-
    blems ist wiederum Psychologie, und zwar Psychologie von
    einer Art, für welche uns die Philosophen wenig Vorarbeit
    geleistet haben.

            Auf diese Psychologie, die für unsere Bedürfnisse erst zu
    erschaffen ist — auf die zukünftige N e u r o p s y c h o -
    l o g i e — muss ich Sie auch verweisen, wenn ich Ihnen zum
    Schlusse eine Mittheilung mache, von der Sie zunächst eine
    Störung unseres beginnenden Verständnisses für die Aetiologie
    der Hysterie besorgen werden. Ich muss es nämlich aus-
    sprechen, dass die ätiologische Rolle der infantilen Sexual-
    erlebnisse nicht auf das Gebiet der Hysterie eingeschränkt
    ist, sondern in gleicher Weise auch für die merkwürdige Neurose
    der Zwangsvorstellungen, ja vielleicht auch für Formen der chroni-
    schen Paranoia und andere functionelle Psychosen Geltung hat.
    Ich drücke mich hierbei minder bestimmt aus, weil die Anzahl
    meiner Analysen von Zwangsneurose noch weit hinter der
    von Hysterien zurücksteht; von Paranoia habe ich gar nur
    eine einzige, ausreichende und einige fragmentarische Analysen
    zur Verfügung. Aber was ich da gefunden, schien mir ver-
    lässlich und hat mich mit sicheren Erwartungen für andere
    Fälle erfüllt. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich für die
    Zusammenfassung von Hysterie und Zwangsvorstellungen unter
    dem Titel «A b w e h r s p s y c h o s e n» bereits früher eingetreten
    bin, eben weil mich die Gemeinsamkeit der infantilen Aetio-
    logie bekannt war. Nun muss ich hinzufügen, — was man
    freilich nicht allgemein zu erwarten, beginnt man unter
    meiner Fülle von Zwangsymptomen sämtlich einen Unter-
    grund von hysterischen Symptomen, meist Sensationen und
    Schmerzen, erkennen ließen, die auch gerade auf die ältesten
    Kindererlebnisse zurückleiteten. Worin liegt nun die Ent-
    scheidung, ob aus den unbewusst gebliebenen infantilen Sexual-
    scenen später Hysterie oder Zwangsneurose oder gar Para-
    noia hervorgehen soll, wenn sich die anderen pathogenen
    Momente hinzugesellt haben? Diese Verallgemeinerung unserer Er-
    kenntniss hätte es verdient, Sie in die ätiologischen Werth dieser Scenen
    eintrag zu thun, indem sie die Specificität der ätiologischen
    Reaction aufhebt.

            Ich bin noch nicht in der Lage, meine Herren, eine ver-
    lässliche Antwort auf diese Frage zu geben. Die Anzahl
    meiner analysirten Fälle, die Mannigfaltigkeit der Bedingungen
    in ihnen, ist nicht gross genug dafür. Ich merke blos jetzt,
    dass die Zwangsvorstellung bei der Analyse regelmässig als
    verkappte und verwandte Vorwürfe wegen sexueller
    Aggressionen im Kindesalter zu erkennen sind,
    dass sie darum bei Männern häufiger gefunden werden als bei
    Frauen, und häufiger bei ihnen sich entwickeln als Hysterie. Ich
    könnte daraus schliessen, es liegt in der Wahl des Anfalls-
    musters oder nur passiv erlebt wird, einen be-
    stimmenden Einfluss auf die Auswahl der späteren Neurose
    hat, aber ich möchte auch den Einfluss des Alters, in dem diese
    Kinderreactionen vorfallen, und anderer Momente nicht unter-
    schätzen. Hierüber muss erst die Discussion weiterer Ana-
    lysen Aufschluss geben; wenn es aber klar sein wird, welche
    Momente die Entscheidung zwischen den möglichen Formen
    der Abwehrpsychosen herbeiführen, wird wieder ein
    rein psychologisches Problem sein, kraft welches Mechanismus
    die eine Form gehäutet wird.

            Ich bin nun zum Ende meiner heutigen Erörterungen
    gelangt. Auf Widerspruch und Unglauben gefasst, möchte ich
    meine Sache nur noch eine Befürwortung mit auf den Weg
    geben. Wie immer Sie meine Resultate aufnehmen, möchte
    ich Sie bitten, dieselben nicht für die Frucht wohlfeiler
    Spekulation zu erklären. Sie ruhen auf mühseliger Einzel-
    erforschung der Kranken, die bei den meisten Fällen durch
    Arbeitsstunden und darüber verweilt hat. Wichtiger noch als

  • S.

    Ihre Würdigung der Ergebnisse ist mir Ihre Aufmerksamkeit
    für das Verfahren, dessen ich mich bedient habe, das neu-
    artig, schwierig zu handhaben und doch unersetzlich für
    wissenschaftliche und therapeutische Zwecke ist. Sie sehen
    wohl ein, man kann den Ergebnissen, zu denen diese modi-
    ficirte Breuer’sche Methode führt, nicht gut widersprechen,
    wenn man die Methode bei Seite lässt und sich nur der ge-
    wohnten Weise des Krankenexamens bedient. Es wäre ähn-
    lich, als wollte man die Funde der histologischen Technik
    mit der Berufung auf die makroskopische Untersuchung wider-
    legen. Indem die neue Forschungsmethode den Zugang zu
    einem neuen Element des psychischen Geschehens, zu den un-
    bewusst gebliebenen, nach Breuer’s Ausdruck «bewusst-
    s e i n s u n f ä h i g e n» Denkvorgängen breit eröffnet, winkt sie
    uns mit der Hoffnung eines neuen, besseren Verständnisses aller
    functionellen psychischen Störungen. Ich kann es nicht glauben,
    dass die Psychiatrie es noch lange aufschieben wird, sich
    dieses neuen Weges zur Erkenntniss zu bedienen.