ELŐSZÓ.1

 

1 Die psychoanalytische Untersuchung der Neurosen (mannigfacher Formen von seelisch bedingter Nervosität) hat den Zusammenhang dieser Störungen mit dem Triebleben, mit den Beeinträchtigungen desselben durch die Ansprüche der Kultur, mit der Phantasie‑ und Traumtätigkeit des normalen Einzelwesens und mit den Schöpfungen der Volksseele in Religion, Mythus und Märchen aufzudecken erstrebt. Die auf diese Untersuchungsmethode gegründete psychoanalytische Behandlung der Nervösen stellt an Arzt und Patient weit höhere Ansprüche, als die bisher gebräuchlichen mit Medikamenten, Diät, Wasserprozeduren und Suggestion, bringt aber den Kranken soviel mehr Erleichterung anhaltende Stärkung für die Aufgaben des Lebens, daß man sich über die unaufhaltsamen Fortschritte dieser therapeutischen Methode trotz heftiger Opposition, nicht zu verwundern braucht.

Der Verfasser der nachstehenden Aufsätze, mir enge befreundet und mit allen Schwierigkeiten der psychoanalytischen Probleme wie wenige vertraut, ist der erste Ungar, der es unternimmt, die Ärzte und die Gebildeten seiner Nation durch die in seiner und ihrer Muttersprache abgefassten Arbeiten für die Psychoanalyse zu interessieren. Möge ihm dieser Versuch gelingen und den Erfolg haben, für das neue Arbeitsgebiet neue Arbeitskräfte aus der Mitte seiner Compatrioten zu gewinnen.

Wien, im Dezember 1909.

Freud.