Die Nennung von Namen von realen Personen, die im gedruckten Werk von Sigmund Freud und handschriftlichen Textzeugnissen genannt werden, berührt rechtliche, ethische und philologische Fragen. Juristisch gilt es, nicht nur das Copyright und das Verwertungsrecht sondern auch das Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Und ganz allgemein geht es um den Schutz von Intimität und Vertraulichkeit. Das gilt insbesondere für Menschen, die bei Freud und Mitgliedern seines Kreises in Behandlung waren.  Aber es gilt auch für diejenigen, die die Briefe geschrieben haben, sie waren – bis auf einzelne Ausnahmen – niemals zur Veröffentlichung vorgesehen. Aber es gilt auch – für die Kranken, die sich in analytische Behandlung begeben haben in besonderem Maße, aber auch für alle Personen, die in den Briefen genannt wurden, ja auch für die, die die Briefe geschrieben haben, dass sie wegen ihrer Verbindung zu Freud und ihrer Rolle in der Pionierzeit einer neuen wissenschaftlichen Disziplin einen Platz in der Geschichte der Psychoanalyse eingenommen haben, selber zu historischen Persönlichkeiten und damit ihrerseits zum Gegenstand von Forschungen geworden sind. 
So dankt sich die Überlieferung der Korrespondenz von Freud zumeist dem Umstand, dass entweder diejenigen, die die Briefe geschrieben haben oder ihre  Familien und Erben im Bewusstsein des wissenschaftlichen bzw. finanziellen Werts dieser Dokumente diese der Forschung zur Verfügung gestellt oder zum Verkauf gegeben haben. 

Als 1938 seine Briefe an Wilhelm Fließ zum Kauf standen und von Marie Bonaparte erworben wurde, drang Freud sehr darauf, dass man sie vernichtet. Wir sind heute froh, dass sich Bonaparte seinem Wunsch widersetzte, aber man darf dabei nie vergessen, was man tut, wenn man trotzdem diese Dokumente veröffentlicht. 

Heute sind Freuds Briefe ein Stück Literatur, die Korrespondenzen ein zeitgeschichtliches Dokument und eine reiche historische Quelle für die Geschichte der Psychoanalyse und ihrer Institutionen, der Zeitgeschichte, der Biografik nicht nur zu Freud sondern vieler Personen um ihn herum. Sie zeugen in wissenschaftlicher aber auch institutioneller Hinsicht von seinen Kampf um die Psychoanalyse, seinen Verbindungen und Verstrickungen mit seinem Schülerkreis, denen, die ihn kritisierte und denen, die ihn unterstützten und jenen, die zu ihm in Analyse kamen sei es, weil sie krank waren oder sei es, dass sie sich in Psychoanalyse ausbilden wollten. 

In der Korrespondenz zwischen Sigmund Freud und Sándor Ferenczi wurden die Namen von Patienten und Patientinnen nicht anonymisiert. Im Gefolge der Veröffentlichung der ersten Bände kam es in dieser Frage zu einer Kontroverse, die in der Psyche 1994/95 publiziert wurde: 
G. Fichtner, Gerhard (1994): Die ärztliche Schweigepflicht, der Analytiker und der Historiker. Eine notwendige Stellungnahme zur Edition des Freud/Ferenczi-Briefwechsels. Psyche, 48, 1994, 8:738-745.
Schröter, Michael (1994): Freud und Ferenczi. Zum ersten Band ihres Briefwechsels. Psyche, 48, 1994, 8:746-774.
Haynal, Andre (1995): Entgegnung auf Gerhard Fichtners »notwendige Stellungnahme« und Anmerkungen zu Michael Schröters Buchbesprechung. Psyche 1995, 49, 2:174-181.
Eissler, K. R. (1995): Ärztliche Schweigepflicht und wissenschaftliche Forschung. Bemerkungen zur Glosse Gerhard Fichtners. Psyche, 49, 1995, 2:182-183.
Schröter, Michael (1995): Sollen Patientennamen in den Korrespondenzen Freuds verschlüsselt werden? Zehn Thesen zur Diskussion. Psyche, 49, 1995, 8:802-806. 
Die Argumente beider Seiten haben bis heute ihre Berechtigung. Die Ausgangssituation hat sich aber seither geändert. Es ist nicht nur seither wieder viel Zeit vergangen, die Briefe sind heute weitgehend veröffentlicht – ohne jede Anonymisierung. 

Eine systematische Re-Anonymisierung der Namen von Personen, die in den Korrespondenzen und Manuskripten Freuds Erwähnung fanden, die auch die Begleitumstände erfassen hätte müssen, erschien uns im Kontext einer historisch-kritischen Ausgabe nicht durchführbar. Eine Schwärzung der entsprechenden Stellen und die Auslassung dieser Details in den Umschriften wäre dem Ziel nicht dienlich gewesen, man kommt sehr leicht zu den unzensierten Originalen. Wir hätten aber auf die Einbeziehung des Briefwerkes in diese Edition verzichten können. 

Nachdem gerade die systematische Kontextualisierung zwischen den Korrespondenzen und dem Werk eines der wissenschaftlich produktivsten Ergebnisse dieser Edition sein wird, haben wir die – für uns schwere – Entscheidung getroffen, die Korrespondenz in toto zu veröffentlichen und die darin vorkommenden Namen nicht zu anonymisieren, wenn diese bereits zuvor veröffentlicht wurden. 
Bisher noch nicht veröffentlichte Namen werden unsererseits anonymisiert. 
Die Patientenkalender Freuds und seine Krankengeschichten aus Institutionen werden in das Werkverzeichnis der Edition aufgenommen, aber editorische derzeit nicht erschlossen. 

Christine Diercks (2014-2025)
[Erste Fassung: 23.9.2014, zuletzt geändert 2025-09-13]