Die Abwehr-Neuro-psychosen 1894-001/1906
  • S.

    IV.

    Die Abwehr-Neuro-psychosen. 1)

    Versuch einer psychologischen Theorie der aequirierten
    Hysterie, vieler Phobien und Zwangsvorstellungen und
    gewisser hnlluzinatorischer Psychosen.

    Bei eingehendenm Studium mehrerer mit Phobien und
    Zwangsvurstellungen behafteter Nervöser hat sich mir ein
    Erklärungsversuch dieser Symptome aufgedrängt, der mir
    dann gestattete, die Herkunft solcher krankhafter Vor-
    stellungen in neuen, anderen Fällen glücklich zu erraten,
    und den ich darum der Mitteilung und Weiteren Prüfung
    würdig erachte. Gleichzeitig mit dieser „psychologischen
    Theorie der Phobien und Zwangsvorstellungen

    ergab sich aus der Beobachtung der Kranken ein Beitrag
    zur Theorie der Hysterie oder vielmehr eine Abänderung
    derselben, welche einem wichtigen, der Hysterie wie den
    genannten Neurosen gemeinsamen Charakter Rechnung zu.
    tragen scheint. Ferner hatte ich Gelegenheit, in den psycho-
    logischen Mechanismus einer Form von unzweifelhaft psychischer
    Erkrankung Einsicht zu nehmen, und fand dabei, daß die von
    mir versuchte Betrachtungsweise eine einsichtliche Verknüpfung
    zwischen diesen Psychosen und den beiden angeführten Neu-
    rosen herstellt. Eine Hilfshypothese, deren ich mich in allen
    drei Fällen bedient habe, werde ich zum Sehlnsse dieses Auf-
    satzes hervorheben.

    I.

    Ich beginne mit jener Abänderung, die mit an der
    Theorie der hysterischen Neurose erforderlich scheint:

    Daß der Symptomkomplex der Hysterie, soweit er bis
    jetzt ein Verständnis zuläßt, die Annahme einer Spaltung des
    Bewußtseins mit Bildung separater psychischer Gruppen recht-

    1) „Neurologisches Centralblatt“, 1394, Nr. 10 u, 11.

     

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    fertigt, dürfte seit den schönen Arbeiten von P. Janet,
    J. Breuer u. A. bereits zur allgemeinen Anerkennung ge-
    langt sein. Weniger geklärt sind die Meinungen über die Her-
    kunft dieser Bewußtseinsspaltung und über die Rolle, welche
    dieser Charakter im Gefüge der hysterischen Neurose spielt.

    Nach der Lehre von Janet1) ist die Bewußtseinsspaltung
    ein primärer Zug der hysterischen Veränderung. Sie beruht
    auf einer angeborenen Schwäche der Fähigkeit zur psychischen
    Synthese, auf der Enge des „Bewußtseinsfeldes“ (champ du
    conscience), welche als psychisches Stigma die Degeneration
    der hysterischen Individuen bezeugt.

    Im Gegensatz zur Anschauung Janet’s, welche mir die
    mannigfaltigsten Einwände zuzulassen scheint, steht jene, die
    J. Breuer in unserer gemeinsamen Mitteilung2) vertreten hat.
    Nach Breuer ist „Grundlage und Bedingung“ der Hysterie
    das Vorkommen von eigentürnlichen traumartigen Bewußt-
    seinszuständen mit eingeschränkter Assoziationsfähigkeit, für
    Welche er den Namen „hypnoide Zustände“ vorschlägt. Die
    Bewußtseinsspaltung ist dann eine sekundäre, erworbene;
    sie kommt dadurch zustande, daß die in hypnoiden Zuständen
    aufgetauchten Vorstellungen vom assoziativen Verkehr mit
    dem übrigen Bewußtseinsinhalt abgeschnitten sind.

    Ich kann nun den Nachweis zweier weiterer extremer
    Formen von Hysterie erbringen, bei welchen die Bewußtseins-
    spaltung unmöglich als eine primäre im Sinne von Janet
    gedeutet werden kann. Bei der ersteren dieser Formen gelang
    es mir wiederholt, zu zeigen, daß die Spaltung des Be-
    wußtseinsinhaltes die Folge eines Willensaktes
    des Kranken ist
    , das heißt durch eine Willensanstrengung
    eingeleitet wird, deren Motiv man angeben kann. Ich behaupte
    damit natürlich nicht, daß der Kranke eine Spaltung seines
    Bewußtseins herbeizuführen beabsichtigt; die Absicht des
    Kranken ist eine andere, sie erreicht aber nicht ihr Ziel,
    sondern ruft eine Spaltung des Bewußtseins hervor.

    1) Etat mental des hystériques. Paris 1393 und. 1894. – Quelques
    définitions récentes de l’hystérie. Arch. de Neurol. 1893. XXXV-VI.

    2) Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene.
    Dieses Centralblatt, 1893, Nr. 1 u. 2.

     

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    Bei der dritten Form der Hysterie, die wir durch psychische
    Analyse von intelligenten Kranken erwiesen haben, spielt die
    Bewußtseinsspaltung nur eine geringfügige, vielleicht über-
    haupt keine Rolle. Es sind dies jene Fälle, in denen bloß die
    Reaktion auf traumatische Reize unterblieben ist, die denn
    auch durch „Abreagieren1) erledigt und geheilt werden, die
    reinen Retentionshysterien.

    Für die Anknüpfung an die Phobien und Zwangsvor-
    stellungen habe ich es hier nur mit der zweiten Form der
    Hysterie zu tun, die ich aus bald ersichtlichen Gründen als
    Abwehrhysterie bezeichnen und durch diesen Namen von
    den Hypnoid- und Retentionshysterien sondern will.
    Ich kann meine Fälle von Abwehrhysterie auch vorläufig als
    „acquirierte“ Hysterie aufführen, Weil bei ihnen weder von
    schwerer hereditärer Belastung, noch von eigener degenerativer
    Verkürnmerung die Rede war.

    Bei den von mir analysierten Patienten hatte nämlich
    psychische Gesundheit bis zu dem Moment bestanden, in dem
    ein Fall von Unverträglichkeit in ihrem Vor-
    stellungsleben vorfiel
    , d. h. bis ein Erlebnis, eine
    Vorstellung, Empfindung an ihr Ich herentrat, welches einen
    so peinlichen Affekt erweckte, daß die Person beschloß, daran
    zu vergessen, weil sie sich nicht die Kraft zutraute, den
    Widerspruch dieser unverträglichen Vorstellung mit ihrem Ich
    durch Denkerbeit zu lösen.

    Solche unverträgliche Vorstellungen erwachsen bei weib-
    lichen Personen zumeist auf dem Boden des sexuelen Erlebens
    und Empfindens, und die Erkrankten erinnern sich auch mit
    aller wünschenswerten Bestimmtheit ihrer Bemühungen zur
    Abwehr, ihrer Absicht, das Ding „fortzuschieben“, nicht daran
    zu denken, es zu unterdrücken. Hierher gehörige Beispiele
    aus meiner Erfahrung, deren Anzahl ich mühelos vermehren
    könnte, sind etwa: Der Fall eines jungen Mädchens, welches
    es sich verübelt, während der Pflege ihres kranken Vaters
    an den jungen Mann zu denken, der ihr einen leisen erotischen
    Eindruck gemacht hat, der Fall einer Erzieherin, die sich in

    1) Vgl. unsere gemeinsame Mitteilung.

     

     

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    ihren Herrn verliebt hatte, und die beschloß, sich diese Neigung
    aus dem Sinn zu schlagen, weil sie ihr mit ihrem Stolze un-
    verträglich schien u. dgl. m.1)

    Ich kann nun nicht behaupten, daß die Willensenstrengung,
    etwas derartiges aus seinen Gedanken zu drängen, ein patho-
    logischer Akt ist, auch weiß ich nicht zu sagen, ob und auf
    Welche Weise das beabsichtigte Vergessen jenen Personen
    gelingt, welche unter denselben psychischen Einwirkungen
    gesund bleiben. Ich weiß nur, daß ein solches „Vergessen“
    den von mir analysierten Patienten nicht gelungen ist, sondern
    zu verschiedenen pathologischen Reaktionen geführt hat, die
    entweder eine Hysterie, oder eine Zwangsvorstellung‚ oder eine
    halluzinatorische Psychose erzeugten. In der Fähigkeit, durch
    jene Willensanstrengung einen dieser Zustände hervorzurufen,
    die sämtlich mit Bewußtseinsspaltung verbunden sind, ist
    der Ausdruck einer pathologischen Disposition zu sehen, die
    aber nicht notwendig mit persönlicher oder hereditärer „De-
    generation“ identisch zu sein braucht.

    Über den Weg, der von der Willensanstrengung des
    Patienten bis zur Entstehung des neurotischen Symptoms
    führt, habe ich mir eine Meinung gebildet, die sich in den
    gebräuchlichen psychologischen Abstraktionen etwa so aus-
    drücken läßt: Die Aufgabe, welche sich das abwehrende Ich
    stellt, die unverträgliche Vorstellung als „non arrivée“ zu
    behandeln, ist für dasselbe direkt unlösbar; sowohl die Ge-
    dächtnisspur als auch der der Vorstellung anhaftende Affekt
    sind einmal da und nicht mehr auszutilgen. Es kommt aber
    einer ungefähren Lösung dieser Aufgabe gleich, wenn es
    gelingt, aus dieser starken Vorstellung eine schwache
    zu machen
    , ihr den Affekt, die Erregungssumme, mit der
    sie behaftet ist, zu entreißen. Die schwache Vorstellung wird
    dann so gut wie keine Ansprüche an die Assoziationsarbeit
    zu stellen haben; die von ihr abgetrennte Erregungs-
    summe muß aber einer anderen Verwendung zu-
    geführt werden
    .

    1) Diese Beispiele sind der noch nicht veröffentlichten ausführlichen
    Arbeit von Breuer und mir über den psychischen Mechanismus der
    Hysterie entnommen.

     

     

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    Soweit sind die Vorgänge bei der Hysterie und bei den
    Phobien und Zwangsvorstellungen die gleichen; von nun an
    scheiden sich die Wege. Bei der Hysterie erfolgt die Un-
    schädliehmachung der unverträglichen Vorstellung dadurch,
    daß deren Erregungssumme ins Körperliche um-
    gesetzt wird, woür ich den Namen der Konversion
    vorschlagen möchte.

    Die Konversion kann eine totale oder partielle sein und
    erfolgt auf jene motorische oder sensorische Innervation hin,
    die in einem innigen oder mehr lockeren Zusammenhang mit
    dem traumatischen Erlebnis steht. Das Ich hat damit erreicht,
    daß es widerspruchsfrei geworden ist, es hat sich aber daür
    mit einem Erinnerungssymbol belastet, welches als unlösbare
    motorische Innervation oder als stets wiederkehrende halluzi-
    natorische Sensation nach Art eines Parasiten im Bewußtsein
    haust, und welches bestehen bleibt, bis eine Konversion in
    umgekehrter Richtung stattfindet. Die Gedächtnisspur der
    verdrängten Vorstellung ist darum doch nicht untergegangen,
    sondern bildet von nun an den Kern einer zweiten psychischen
    Gruppe.

    Ich will diese Anschauung von den psycho-physischen
    Vorgängen bei der Hysterie nur noch mit wenigen Worten
    ausführen: Wenn einmal ein solcher Kern für eine hysterische
    Abspaltung in einem „traumatischen Moment“ gebildet worden
    ist, so erfolgt dessen Vergrößerung in anderen Momenten,
    die man „auxiliär traumatische“ nennen könnte, sobald
    es einem neu anlangenden Eindruck gleicher Art gelingt, die
    vom Willen hergestellte Schranke zu durchbrechen, der ge-
    schwächten Vorstellung neuen Affekt zuzuführen und für eine
    Weile die assoziative Verknüpfung beider psychischer Gruppen
    zu erzwingen, bis eine neuerliche Konversion Abwehr schafft.
    – Der so bei der Hysterie erzielte Zustand in der Verteilung
    der Erregung stellt sich dann zumeist als ein labiler heraus;
    die auf einen falschen Weg (in die Körperinnervation) ge-
    drängte Erregung gelangt mitunter zur Vorstellung zurück,
    von der sie abgelöst wurde, und nötigt denn die Person zur
    assoziativen Verarbeitung oder zur Erledigung in hysterischen
    Anfällen, wie der bekannte Gegensatz der Anfälle und der Dauer-

     

     

     

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    symptome beweist. Die Wirkung der kathartischen Methode
    Breuer’s besteht darin, daß sie eine solche Zurückleitung der Er-
    regung aus dem Körperlichen ins Psychische zielbewußt erzeugt,
    um dann den Ausgleich des Widerspruches durch Denkarbeit
    und die Abfuhr der Erregung durch Sprechen zu erzwingen.

    Wenn die Bewußtseinsspaltung der acquirierten Hysterie
    auf einem Willensakt beruht, so erklärt sich überraschend
    leicht die merkwürdige Tatsache, daß die Hypnose regelmäßig
    das eingeengte Bewußtsein der Hysterischen erweitert und
    die abgespaltene psychische Gruppe zugänglich macht. Wir
    kennen es ja als Eigentümlichkeit aller schlafähnlichen Zu-
    stände, daß sie jene Verteilung der Erregung aufheben, auf
    welcher der „Wille“ der bewußten Persönlichkeit beruht.

    Wir erkennen demnach des für die Hysterie charakteri-
    stische Moment nicht in der Bewußtseinsspaltung‚ sondern in
    der Fähigkeit zur Konversion und dürfen als ein
    wichtiges Stück der sonst noch unbekannten Disposition zur
    Hysterie die psycho-physische Eignung zur Verlegung so großer
    Erregungssummen in die Körperinnervation anführen.

    Diese Eignung schließt an und für sich psychische Ge-
    sundheit nicht aus und führt zur Hysterie nur im Falle einer
    psychischen Unverträglichkeit oder einer Aufspeicherung der
    Erregung. Mit dieser Wendung nähern wir, Breuer und ich,
    uns den bekannten Definitionen der Hysterie von Oppen-
    heim
    1) und Strümpel2) und sind von Janet ahgewichen,
    welcher der Bewußtseinsspaltung eine übergroße Rolle in der
    Charakteristik der Hysterie zuweist3). Die hier gegebene Dar-

    1) Oppenheim: Die Hysterie ist ein gesteigerter Ausdruck der Gemüte-
    bewegung. Der „Ausdruck der Gemutsbewegung“ stellt aber jenen Betrag
    psychischer Erregung dar, der namalerweise eine Konversion erfährt.

    2) Strümpel: Die Störung der Hysterie liegt im Psycho-physischen,
    dort, wo Körperliches und Seelisches mit einander zusammenhängen.

    3) Janet hat im zweiten Abschnitt seines geistvollen Aufsatzes
    „Quelques définitions etc.“ den Einwand, daß die Bewußtseinsspaltung
    auch den Psychosen und der sogenannten Psychasthenie zukommt, selbst
    behandelt, aber nach meinem Ermessen nicht befriedigend gelöst. Dieser
    Einwand ist es wesentlich, der ihn dazu drängt, die Hysterie für eine
    Degenerationsform zu erklären. Er kann aber die hysterische Bewußt-
    seinsspaltung durch keine Charakteristik genügend von der psychntischen
    u. dgl. sondern.

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    stellung darf den Anspruch erheben, daß sie den Zusammen-
    hang der Konversion mit der hysterischen Bewßtseinsspaltung
    verstehen läßt.

    ll

    Wenn bei einer disponierten Person die Eignung zur
    Konversion nicht vorhanden ist und doch zur Abwehr einer
    unerträglichen Vorstellung die Trennung derselben von ihrem
    Afl'ekt vorgenommen wird, dann muß dieser Affekt auf
    psychischem Gebiet Verbleib en. Die nun geschwächte
    Vorstellung bleibt abseits von aller Assoziation im Bewußtsein
    übrig, ihr frei gewordener Affekt aber hängt sich an
    andere, an sich nicht unverträgliche Vorstellungen
    an, die durch diese „falsche Verknüpfung“ zu Zwangs»
    Vorstellungen werden. Dies ist in Wenig Worten die
    psychologische Theorie der Zwangsvorstellungen und Phobien,
    von der ich eingangs gesprochen habe,

    Ich werde nun angeben, Welche von den Stücken, die
    in dieser Theorie gefordert sind, sich direkt nachweisen
    lassen, Welche andere ich ergänzt habe, Direkt nachweisbar
    ist außer der!) Endprodukt des Vorganges, eben der Zwangs—
    vorstellung, zunächst die Quelle, aus Welcher der in falscher
    Verknüpfung befindliche Afl'ekt stammt. In allen von mir
    analysierten Fällen war es das S exuall eb en, Welches einen
    peinlichen Afi'ekt von genau der nämlichen Beschaffenheit
    geliefert hatte, wie er der Zwangsvorstellung anhing. Es
    ist theoretisch nicht ausgeschlossen, daß dieser Affekt nicht
    gelegentlich auf anderem Gebiete entstehen könnte; ich habe
    bloß mitzuteilen, daß eine andere Herkunft sich mir bisher
    nicht ergeben hat, Übrigens versteht man es leicht, daß
    gerade das Sexualleben die reichliehsten Anlässe zum Auf—
    tauchen unverträglicher Vorstellungen mit sich bringt

    Naohweisbar ist ferner durch die unzweideutigsten
    Äußerungen der Kranken die Willensanstrengung, der Ver-
    such zur Abwehr, auf den die Theorie Gewicht legt, und
    wenig-tens in einer Reihe von Fällen geben die Kranken selbst
    darüber Aufsehluß, daß die Phobie oder Zwangsvorstellung
    erst dann auftrat, nachdem die Willensanstrengung scheinbar
    ihre Absicht erreicht hatte. „Mir ist einmal etwas sehr Un-

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    angenehmes passiert, ich habe mich mit Macht bemüht, es
    fortzuschieben, nicht mehr daran zu denken. Endlich ist es
    mir gelungen, da bekam ich dafiir das andere, das ich seither
    nicht losgeworden hin.“ Mit diesen Worten bestätigte mir
    eine Patientin die Hauptpunkte der hier entwickelten Theorie.

    Nicht alle, die an Zwangsvcrstellungen leiden, machen
    sich die Herkunft derselben so klar. In der Regel bekömmt
    man, wenn man den Kranken auf die ursprüngliche Vorstellung
    sexueller Natur aufmerksam macht, die Anwort: „Davon kann
    es ja doch nicht kommen. Ich habe ja gar nicht viel daran
    gedacht. Einen Moment war ich erschrecken, dann habe ich
    mich abgelenkt und seither Ruhe davor gehabt.“ In dieser
    so häufigen Einwendung liegt ein Beweis, daß die Zwangs—
    vorstellung einen Ersatz oder Surrogat der unverträglichen
    sexuellen Vorstellung darstth und sie im Bewußtsein ab-
    gelöst hat.

    Zwischen der Willensanstrengung des Patienten, der es
    gelingt, die unannehmbare sexuelle Vorstellung zu verdrängen,
    und dem Auflauchen der Zwangsvorstellung, die, an sich
    wenig intensiv, hier mit unbegreiflich starkem Afl'ekt aus-
    gestattet ist, klaflt die Lücke, welche die hier entwickelte
    Theorie ausfüllen will. Die Trennung der sexuellen Vorstellung
    von ihrem Affekt und die Verknüpfung des letzteren mit
    einer anderen, passenden, aber nicht unverträglichen Vor-
    stellung — dies sind Vorgänge, die ohne Bewußtsein geschehen,
    die man nur supponieren, aber durch keine klinisch-psycho—
    logische Analyse erweisen kann, Vielleicht wäre es richtiger,
    zu sagen: Dies sind überhaupt nicht Vorgänge psychischer
    Natur, sondern physische Vorgänge, deren psychische Folge
    sich so darstellt, als wäre das durch die Redensarten: Trennung
    der Vorstellung von ihrem Afl'ekt und falsche Verknüpfung
    des letzteren, Ausgedrückte Wirklich geschehen.

    Neben den Fällen, die ein Nacheinander der sexuellen
    unverträglichen Vorstellung und der Zwangsvcrstellung be-
    weisen, findet man eine Reihe anderer, in denen gleichzeitig
    Zwangsvorstellungen und peinlich betonte sexuelle Vor—
    stellungen vorhanden sind Letztere „sexuelle Zwangsvor-
    stellungen“ zu heißen, geht nicht gut an; es mangelt ihnen

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    ein wesentlicher Charakter der Zwangsvorstellungen; sie er-
    weisen sich als vollberechtigt, während die Peinlichkeit der
    gemeinen Zwangsvorstellungen ein Problem für den Arzt und
    den Kranken bildet. Soweit ich mir in Fälle dieser Art Ein—
    sicht verschaffen konnte, handelte es sich hier um eine fort-
    gesetzte Abwehr gegen beständig neu anlangende sexuelle
    Vorstellungen, eine Arbeit also, die noch nicht zum Abschluß
    gekommen war.

    Die Kranken verheimlichen häufig ihre Zwengsvor-
    stellungen, so lange sie sich der sexuellen Abkunft derselben
    bewußt sind. Wenn sie darüber klagen, so geben sie zumeist
    ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, daß sie dem betrefl‘enden
    Afi‘ekt unterliegen, daß sie sich iingstigen, bestimmte Impulse
    haben u. dgl, Dem kündian Arzt dagegen erscheint dieser
    Afl'ekt berechtigt und verständlich; er findet das Auffällige
    nur in der Verknüpfung eines solchen Affektes rnit einer
    hiefür nicht würdigen Vorstellung. Der Afl’ekt der Zwangs—
    vorstellung erscheint ihm —- mit anderen Worten — als ein
    dislßeierter oder transponierter, und wenn er die
    hier niedergelegten Bemerkungen angenommen hat, kann er
    für eine große Reihe von Fällen von Zwangsvorstellung die
    Rüekübersetzung ins Sexuelle versuchen.

    Zur sekundären Verknüpfung des frei gewordenen Aflektes
    kann jede Vorstellung benützt werden, die entweder ihrer
    Natur nach mit einem Afi'ekt von solcher Qualität ver-
    einbar ist, oder die gewisse Beziehungen zur unverträglichen
    hat, denen zufolge sie als Sur-rogat derselben brauchbar er—
    scheint. So zum Beispiel wirft sich frei gewordene Angst, deren
    sexuelle Herkunft nicht erinnert werden soll, auf die gemeinen
    primären Phobien des Menschen vor Tieren, Gewitter, Dunkel-
    heit u. dgl., oder auf Dinge, die unverkennbar mit dem
    Sexuellen in irgend einer Art assoziiert sind, auf das Urinieren,
    die Defä.kation‚ auf Besohmutzu.ng und Ansteckung überhaupt.

    Der Vorteil, den das Ich erreicht, indem es zur Abwehr
    den Weg der Transposition des Afi'ektes einschlägt, ist
    ein weit geringerer als bei der hysterischen Konver—
    sion psychischer Erregung in sometische Innervetion. Der
    Afl'ekt, unter dem das Ich gelitten hat, bleibt unverändert

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    und unverringert nach wie vor, nur daß die unverträgliche
    Vorstellung niedergehalten, vom Erinnern ausgeschlossen ist.
    Die verdrängten Vorstellungen bilden wiederum den Kern
    einer zweiten psychischen Gruppe, die, wie mir scheint, auch
    ohne Zuhilfenahme der Hypnose zugänglich ist. Wenn bei
    den Phobien und Zwangsvorstellungen die auffälligen Symp—
    tome ausbleiben, Welche bei der Hysterie die Bildung einer
    unabhängigen psychischen Gruppe begleiten, so rührt dies
    wohl daher, daß im ersteren Falle die gesamte Veränderung
    auf psychischem Gebiet geblieben ist, die Beziehung zwischen
    psychischer Erregung und somatischer Innervation keine
    Änderung erfahren hat.

    Ich will das hier über die Zwangsvorstellungen Gesagte
    durch einige Beispiele erläutern, die wahrscheinlich typischer
    Natur sind:

    1, Ein junges Mädchen leidet an Zwangsvorwürf'en. Las
    sie in der Zeitung von Falschmünzern, so kam ihr der Ge-
    danke, sie habe auch falsches Geld gemacht; war irgendwo
    von einem unbekannten Täter eine Mordtat geschehen, so
    fragte sie sich ängstlich, ob sie nicht diesen Mord begangen
    habe. Dabei war sie sich der Ungereimtheit dieser Zwangs-
    vorwürfe klar bewußt. Eine Zeit lang gewann das Schuld—
    bewußtsein solche Macht über sie, daß ihre Kritik erstickt
    wurde und sie sich vor ihren Verwandten und vor dem Arzt
    anklagte, sie habe alle diese Untaten wirklich begangen
    (Psychose durch einfache Steigerung — Überwältigungs-
    psychose). Ein scharfes Verhör deckte jetzt die Quelle auf,
    aus der ihr Schuldbewnßtsein stammte: Durch eine zufällige
    wollüstige Empfindung angeregt, hatte sie sich von einer
    Freundin zur Masturbation verleiten lassen und betrieb diese
    seit Jahren mit dem vollen Bewußtsein ihres Unrechtes und
    unter den hefiigsten, aber wie gewöhnlich nutzlosen Selbst-
    verwiirfen. Ein Exzeß nach dem Besuche eines Balles hatte
    die Steigerung zur Psychose hervorgerufen — Das Mädchen
    heilte nach einigen Monaten Behandlung und strengster
    Überwachung.

    24 Ein anderes Mädchen litt unter der Furcht, von
    Harndrang überfallen zu werden und sich nässen zu müssen,

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    seitdem ein solcher Drang sie wirklich einmal genötigt hatte,
    einen Konzertsaal während der Aufführung zu verlassen.
    Diese Phabie hatte sie allmählich völlig genul3- und ver-
    kehrsunfa'hig gemacht. Sie fühlte sich nur wohl, wenn sie ein
    Kloset in der Nähe wußte, zu dem. sie unauffällig gelangen
    konnte. Ein organisches Leiden, Welches dieses Mißtrauen
    in die Beherrschung der Blase gerechtfertigt hätte, war aus-.
    geschlossen. Der Hamdrang war zu Hause unter ruhigen
    Verhältnissen und zur Nachtzeit nicht vorhanden. Eingehen-
    des Examen wies nach, daß der Harndrang zum ersten Male
    unter folgenden Verhältnissen aufgetreten war: In dem Kon-
    zertsaale hatte ein Herr nicht weit von ihr Platz genommen,
    der ihrem Empfinden nicht gleichgiltig war. Sie begann an
    ihn zu denken und sich anszumalen, wie sie als seine Frau
    neben ihm sitzen würde. In dieser erotischen Träumerei be—
    kam sie jene körperliche Empfindung, die man mit der Erek-
    tion des Mannes vergleichen muß, und die bei {ihr — ich
    weiß nicht, ob allgemein — mit einem leichten Harndrang
    absehloß. Sie erschrak jetzt heftig über die ihr sonst ge-
    wohnte sexuelle Empfindung, weil sie bei sich beschlossen
    hatte, diese wie jede andere Neigung zu bekämpfen, und im
    nächsten Moment hatte sich der Afi’ekt auf den begleitenden
    Hamdrang übertragen und nötigte sie, nach qualvollem Kampf
    den Saal zu verlassen. Sie war im Leben so prüde, daß sie
    sich vor allem Sexuellen intensiv grauste, und den Gedanken,
    je zu heiraten, nicht fassen konnte; andererseits war sie
    sexuell so hyperlisthetisch, daß bei jeder erotischen Träumerei
    die sie sich gerne gestattete, jene wollüstige Empfindung
    auftrat. Der Harndl'ang hatte die Erektion jedesmal begleitet,
    ohne ihr bis zu der Szene im Konzertsaal einen Eindruck
    zu machen, Die Behandlung fiihrte zu einer fast vollkommenen
    Beherrschung der Phobie.

    3. Eine junge Frau, die aus fünfjä.hriger Ehe nur ein
    Kind hatte, klagte mir über den Zwangsimpuls, sich vom
    Fenster oder Balkon zu stürzen, und über die Furcht, die
    sie beim Anblick eines scharfen Messers ergreife, ihr Kind
    damit zu erstechen. Der eheliche Verkehr, gestand sie zu,
    werde selten und nur mit Vorsicht gegen die Konzeption

  • S.

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    ausgeübt; allein das fehle ihr nicht, sie sei keine sinnliche
    Natur. Ich getraute mich darauf ihr zu sagen, daß sie beim
    Anblicke eines Mannes erotische Vorstellungen bekomme, daß
    sie darum das Vertrauen zu sich verloren habe und sich als
    eine verworfene Person vorkomme, die zu allem fähig sei.
    Die Rückübersetzung der Zwengsvorstellung in: Sexuelle war
    gelungen; sie gests.nd sofort Weinend ihr lange verborgenes
    eheliches Elend ein und teilte später auch peinliche Vor-
    stellungen von unverändert sexuellen: Charakter mit, so die
    häufig wiederkehrende Empfindung, als ob sich etwas unter
    ihre Röcke dränge.

    Ich habe mir derartige Erfahrungen für die Therapie
    zunutze gemacht, um bei Phobien und Zwangsvorstellungen
    trotz alles Sträubens der Kranken die Aufmerksamkeit auf
    die verdrängten sexuellen Vorstellungen zurückzulenken und,
    wo es anging, die Quellen, aus denen dieselben stammten, zu
    verstopfen. Ich kann natürlich nicht behaupten, daß alle
    Phobien und Zwengsvorstellungen auf die hier aufgedeckte
    Weise entstehen; erstens umfaßt meine Erfahrung eine im
    Verhältnis zur Reichhsltigkeit dieser Neurosen nur beschränkte
    Anzahl, und zweitens weiß ich selbst, daß diese „psychia—
    sthenischen“ Symptome (nach Janets Bezeichnung) nicht
    alle gleichwertig sind.‘) Es gibt zum Beispiel rein hysterisehe
    Phobien. Ich meine aber, daß der Mechanismus der Trans—
    position des Afi'ektes bei der großen Mehrzahl der Phobien
    und Zwangsvorstellungen nachzuweisen sein wird, und möchte
    dafür eintreten, diese Neurosen, die sich ebenso ort isoliert
    als mit Hysterie oder N eurusthenie kombiniert finden, nicht mit
    der gemeinen Nemesthenie zsammenzuwerfen, für deren Grund-
    symptome ein psychischer Mechanismus gar nicht anzu»
    nehmen ist.

    1) Die Gruppe von typischen Phobien, fiir welche die Agora-
    phobie Vorbild ist, läßt sich nicht auf den oben entwickelten psychi-
    schen Mechanismus zurückfuhrsn, vielmehr weicht der Mechanismus der
    Agorephobie von dem der echten Zwangsvorstellungen und der auf
    solche reduzierbaren Phobien in eine m entscheidenden Punkte ab. Es
    findet sich hier keine verdrängte Vorstellung, von welcher der Angst-
    afi'ekt abgetrennt wäre. Die Angst dieser Phobien hat einen anderen
    Ursprung.

  • S.

    51

    ‘ 111.

    In beiden bisher betrachteten Fällen war die Abwehr
    der unverträglichen Vorstellung durch Trennung derselben
    von ihrem Affekt geschehen; die Vorstellung war, wenngleich
    geschwächt und isoliert, dem Bewußtsein verblieben. Es gibt
    nun eine weit energischere und erfolgreichen; Art der Abwehr,
    die darin besteht, daß das Ich die nnerträgliche Vorstellung
    mitsamt ihrem Afl'ekt verwirft und sich so benimmt, als ob
    die Vorstellung nie an das Ich herangetreten wäre. Allein
    in dem Moment, in dem dies gelungen ist, be-
    findet sich die Person in einer Psychose, die
    man wohl nur als „halluzinatorische Verworren-
    heit“ klassifizieren kann. Ein einziges Beispiel soll
    diese Behauptung erläutern:

    Ein junges Mädchen hat einem Manne eine erste im-
    pulsive Neigung geschenkt und glaubt fest an seine Gegen-
    lieba Tatsächlich befindet sie sich im Irrtum; der junge
    Mann hat ein anderes Motiv, ihr Haus aufzusuchen. Die
    Enttäuschungen bleiben auch nicht aus; sie erwehrt sich
    ihrer zunächst, indem sie die entsprechenden Erfahrungen
    hysterisch konvertiert, erhält so ihren Glauben, daß er eines
    Tages kommen und um sie anhalten würde, fühlt sich aber
    dabei infolge unvollständiger Konversion und beständigen
    Andranges neuer schmerzlicher Eindrücke unglücklich und
    krank. Sie erwartet ihn endlich in höchster Spannung für
    einen bestimmten Tag, den Tag einer Familienfeien Der
    Tag verrinnt, ohne daß er gekommen wäre. Nachdem alle
    Züge, mit denen er ankommen könnte, vorüber sind, schlägt
    sie in halluzinatorische Verworrenheit um. Er ist angekommen,
    sie hört seine Stimme im Garten, eilt in Nachtkleidung
    herunter, ihn zu empfangen. Von da an lebt sie durch zwei
    Monate in einem glücklichen Traum, dessen Inhalt ist: er
    sei da, sei immer um sie, es sei alles so wie vorhin (vor
    der Zeit der mühsam abgewehrten Enttäuschungen). Hysterie
    und Verstimmung sind überwunden; von der ganzen letzten
    Zeit des Zweifels und der Leiden wird während der Krank-
    heit nicht gesprochen; sie ist glücklich, so lange man sie
    ungestört läßt, und tobt nur dann, wenn eine Maßregel ihrer

  • S.

    58

    Umgebung sie an etwas hindert, was sie ganz konsequent
    aus ihrem seligen Traum folgern Will. Diese seinerzeit un—
    verständliche Psychose wurde zehn Jahre später durch eine
    hypnotische Analyse aufgedeckt.

    Die Tatsache, auf die ich aufmerksam mache, ist. die,
    daß der Inhalt einer solchen halluzi.natorischen Psychose
    gerade in der Hervorhebung jener Vorstellung
    besteht, die durch den Anlaß der Erkrankung bedroht
    war. Man ist also berechtigt zu sagen, daß das Ich durch
    die Flucht in die Psychose die unerträgliche Vorstellng
    abgewehrt hat; der Vorgang, durch den dies erreicht worden
    ist, entzieht sich wiederum der Selbstwahrnehiuung wie der
    psychologisch—klinischen Analyse. Er ist als der Ausdruck
    einer pathologischen Disposition höheren Grades anzusehen
    und läßt sich etwa wie folgt umschreiben: Das Ich reißt
    sich von der unverträglichen Vorstellung los, diese hängt aber
    untrennbar mit einem Stück der Realität zusammen, und.
    indem das Ich diese Leistung vollbringt, hat es sich auch
    von der Realität ganz oder teilweise losgelöst. Letzteres ist
    nach meiner Meinung die Bedingung, unter der eigenen Vor-
    stellungen halluzinatorische Lebhaftigkeit zuerkannt wird,
    und somit befindet sich die Person nach glücklich gelungener
    Abwehr in halluzinatorischer Verworrenheit.

    Ich verfüge nur über sehr wenige Analysen von der-
    artigen Psychosen; ich meine aber, es muß sich um einen
    sehr häufig benützten Typus psychischer Erkrankung handeln,
    denn die als analog aufzufassenden Beispiele der Mutter,
    die, über den Verlust ihres Kindes erkrankt, jetzt unablässig
    ein Stück Holz im Anne wiegt, oder der verschmähten Braut,
    die seit Jahren im Putz ihren Bräutigam erwartet, fehlen in
    keinem Irrenhause.

    Es ist vielleicht nicht überflüssig hervorzuheben, daß
    die drei hier geschilderten Arten der Abwehr und somit die
    drei Formen von Erkrankung, zu denen diese Abwehr fiihrt,
    an derselben Person vereinigt sein können. Das gleichzeitige
    Vorkommen von Phobien und hysterischen Symptomen, das
    in praxi so häufig beobachtet wird, gehört ja mit zu den
    Momenten, die eine reinhche Trennung der Hysterie von

  • S.

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    anderen Neurusen erschweren und zur Aufstellung der
    „gemischten Neurosen“ nötigen Die helluzinetorische Ver-
    Worrenheit zwar verträgt sich häufig nicht mit dem Fort-
    bestand der Hysterie, in der Regel nicht mit dem der Zwangs«
    vorstellungen. Dafür ist es nichts seltenes, daß eine Abwehr-
    psychose den Verlauf einer hysterischen oder gemischten
    Neurose episodisch durchbrieht.

    Ich will endlich mit wenigen Worten der Hilfsvor-
    stellung gedenken, deren ich mich in dieser Darstellung der
    Abwehrneurosen bedient habe. Es ist dies die Vorstellung,
    daß an den psychischen Funktionen etwas zu unterscheiden
    ist (Afi‘ektbetreg, Erregungesumme), das alle Eigenschaften
    einer Quantität het — Wenngleich wir kein Mittel besitzen,
    dieselbe zu messen —— etwas, das der Vergrößerung, Ver—
    minderung, der Verschiebung und der Abfuhr fähig ist und
    sich über die Gedächtnisspuren der Vorstellungen verbreitet,
    etwa wie eine elektrische Ladung über die Oberflächen der
    Körper.

    Man kann diese Hypothese, die übrigens bereits unserer
    Theorie des „Abreegierens“ (Vorläufige Mitteilung 1893) zu—
    gründe liegt, in demselben Sinne verwenden, wie es die
    Physiker mit der Annahme des strömenden elektrischen
    Fluidums tun. Gerechtfextigt ist sie vorläufig durch ihre
    Brauchberkeit zur Zusammenfassung und Erklärung mannig-
    faltiger psychischer Zustände,

    W i e n, Ende Jänner 1894.