Die Abwehr-Neuro-Psychosen 1894-001/1922
  • S.

    IV.

    zinatorischer Psychosen. |

    Bei eingehendem Studium mehrerer mit Phobien und
    / Ca behafteter Nervöser hat sich mir ein Er-

    tattete, die Herkunft solcher krankhafter ය o in
    en, anderen Fällen glücklich zu erraten, und den ich darum
    r Mitteilung und weiteren Prüfung würdig erachte. Gleich-
    zeitig mit. dieser „psychologischen Theorie der Phobien
    u Zwangsvorstellungen® ergab sich aus der Beobach-
    g der Kranken ein Beitrag zur Theorie der. Hysterie ‘oder |
    mehr eine Abänderung derselben, welche einem wichtigen,
    sterie wie den genannten Neurosen gemeinsamen Charakter |
    ‚nung zu tragen scheint. Ferner hatte ich Gelegenheit, in
    len psychologischen Mechanismus einer Form von „unzweifelhaft. å
    scher Erkrankung Einsicht zu nehmen, und fand dabei,
    . von mir versuchte Betrachtungsweise eine’ einsichtliche
    7 rknüpfung zwischen diesen Psychosen und den beiden
    ührten Neurosen herstellt. Eine Fron n

  • S.

    einer angeborenen Schwäche der Fähigkeit zur psychischen В

    er den Namen „hypnoide Zustände“ vorschligt. Die Bewuß

    | unmöglich als eine primäre im Sinne von Janet gedeutet

    deren Motiv man angeben kann. Ich behaupte damit nat

    Daß der Symptomkomplex der Hysterie, soweit er
    jetzt ein Verständnis zuläßt, die Annahme einer Spaltung
    BewuÂtseins mit Bildung separater psychischer Gruppen re
    fertigt, dürfte seit den schönen Arbeiten von P. Jat
    J. Breuer u. a. bereits zur allgemeinen Anerkennung gelan
    sein. Weniger geklärt sind die Meinungen über die Herku
    dieser Bewubtseinsspaltung und über die Rolle, welche di
    Charakter im Gefüge der hysterischen Neurose spielt. — .

    Nach der Lehre von Janet!) ist die BewuBtseinsspalt
    ein primårer Zug der hysterischen Veränderung. Sie beruht ax

    these, auf der Enge des „Bewubtseinsfeldes* (champ du c
    science), welche als psychisches Stigma die Degeneration:
    hysterischen Individuen bezeugt. i

    Im Gegensatz zur Anschauung Janets, welche mir
    mannigfaltigsten Einwände zuzulassen scheint, steht jene,
    J. Breuer in unserer gemeinsamen Mitteilung?) vertreten
    Nach Breuer ist „Grundlage und Bedingung“ der Hyst
    das Vorkommen von eigentümlichen traumartigen Bewußtsein
    zuständen mit eingeschränkter Assoziationsfähigkeit, für wel

    seinsspaltung ist dann eine sekundäre, erworbene; sie kommt
    dadurch zustande, daß die in hypnoiden Zuständen aufgetauchten
    Vorstellungen vom assoziativen Verkehr mit dem übrigen Bewuß
    seinsinhalte abgeschnitten sind.

    _ Ich kann nun den Nachweis zweier weiterer extremer For:
    von Hysterie erbringen, bei welchen die Bewußtseinsspaltu

    den kann, Bei der ersteren dieser Formen gelang es mir wiede
    holt, zu zeigen, daß die Spaltung des Bewußtsein
    inhaltes die Folge eines Willensaktes des Kran
    ist, das heißt durch eine "Willensanstrengung. eingeleitet wi

    fe daß der Kranke eine Spaltung. seines Bewuftseins her

    ) État mental des hystériques. Paris 1893 und 1894. — Quel
    définitions, récentes de Phystérie, Arch. de Neurol. 1898. XXXV—V.

    5 ‘ber den psychischen Mechanismus sner Phänomene.
    Zentralblatt, 1898, S 1 at 2.

  • S.

    47

    zuführen beabsichtigt; die Absicht des Kranken ist eine andere;

    sie erreicht aber nicht ihr Ziel, sondern ruft eine Spaltung des
    Bewultseins hervor.

    Bei der dritten Form der Hysterie, die wir durch psychische
    Analyse von intelligenten Kranken erwiesen haben, spielt die
    Bewußtseinsspaltung nur eine geringfügige, vielleicht überhaupt :
    keine Rolle. Es sind dies jene Fälle, in denen bloß die Reaktion
    auf traumatische Reize unterblieben ist, die dann auch durch
    „Abreagieren* 1) erledigt und geheilt werden, die reinen Re-
    tentionshysterien.

    Fiir die Ankniipfung an die Phobien und Zwangsvorstel-
    lungen habe ich es hier nur mit der zweiten Form der Hysterie
    zu tun, die ich aus bald ersichtlichen Gründen als A bwehr-
    hysterie bezeichnen und durch diesen Namen ron den Hypnoid-
    und Retentionshysterien sondern will. Ich kann meine Fille
    von Abwehrhysterie auch vorläufig als ,akquirierte“ Hysterie auf-
    führen, weil bei ihnen weder von schwerer hereditårer Belastung,
    noch von eigener degenerativer Verkiimmerung die Rede war,

    Bei den von mir analysierten Patienten hatte nämlich
    psychische Gesundheit bis zu dem Moment bestanden, in dem
    ein Fall von Unvertriglichkeit in ihrem Vorstel-
    lungsleben vorfiel, d. h. bis ein Erlebnis, eine Vorstellung,

    9 Empfindung an ihr Ich herantrat, welches einen so peinlichen

    Affekt erweckte, daß die Person beschloB, daran zu vergessen, weil
    sie sich nicht die Kraft zutraute, den Widerspruch dieser unver-

    : tråglichen Vorstellung mit ihrem Ich durch Denkarbeit zu låsen.

    Solche unverträgliche Vorstellungen erwachsen bei weib-

    "lichen Personen zumeist auf dem Boden des sexualen Erlebens

    " und Empfindens, und die Erkrankten erinnern sich auch mit
    aller wiinschenswerten Bestimmtheit ihrer Bemiihungen zur Ab-

    wehr, ihrer Absicht, das Ding „fortzuschieben*, nicht daran zu

    _denken, es zu unterdrücken. Hierher gehörige Beispiele aus

    meiner Erfahrung, deren Anzahl ich mühelos vermehren. könnte,

    "sind etwa: Der Fall eines jungen Mädchens, welches es sich

    verübelt, während der Pflege ihres kranken Vaters an den jungen
    Mann zu denken, der ihr einen leisen erotischen Eindruck ge-

    ed,
    1) Vgl. unsere gemeinsame Mitteilung.

  • S.

    — die Erregungssumme, mit der sie behaftet ist, zu entr

    し an die Assoziationsarbeit zu stellen haben; die von ihr al

    48

    macht hat; der Fall einer Erzieherin, die sich in ihren
    verliebt hatte, und die beschloB, sich diese Neigung aus
    Sinne zu schlagen, weil sie ihr mit ihrem Stolze unvertrigl
    schien u. dgl. m.")

    Ich kann nun nicht behaupten, daß die Willensanstrengi
    etwas derartiges aus seinen Gedanken zu drången, ein pa
    logischer Akt ist, auch weiß ich nicht zu sagen, ob un
    welche Weise das beabsichtigte Vergessen jenen Personer
    . lingt, welche unter denselben psychischen Einwirkungen gesur

    bleiben. Ich weiß nur, daß ein solches „Vergessen“ den von
    analysierten Patienten nicht gelungen ist, sondern zu verse
    denen pathologischen Reaktionen geführt hat, die entweder
    Hysterie oder eine Zwangsvorstellung, oder eine halluzinatori
    Psychose erzeugten. In der Fähigkeit, durch jene Willensanst
    gung einen dieser Zustände: hervorzurufen, die sämtlich
    BewuBtseinsspaltung verbunden sind, ist der Ausdruck e
    pathologischen Disposition zu sehen, die aber nicht notwe
    mit persönlicher oder hereditürer ARE ide
    sein braucht. -

    Über den Weg, der von der Willensanstrengung nc
    tienten bis zur Entstehung des neurotischen Symptoms füh
    habe ich mir eine Meinung gebildet, die sich in den gebräuc
    lichen psychologischen Abstraktionen etwa so ausdrücken
    Die Aufgabe, welche sich das abwehrende Ich stellt, die un
    trügliche Vorstellung. als „non arrivée“ zu behandeln, ist
    dasselbe direkt unlósbar; sowohl die Gedächtnisspur als au
    der der Vorstellung anhaftende Affekt sind einmal da. und
    mehr auszutilgen. Es kommt aber einer ungeführen Li
    dieser Aufgabe gleich, wenn es gelingt, aus dieser sta |

    Vorstellung eine schwache zu machen, ihr den Affek

    Die schwache Vorstellung wird dann so gut wie keine Ansprii

    getrennte Erregungssumme mub aber einer ande
    Verwendung zugeführt werden. — ॥

    5 5513 Diese _ Beispiele. sind der noch nicht veröffentlichten es rli
    Arbeit von Breuer und mir über don m Mechanismus
    Hysterie OD .. , ;

  • S.

    Soweit sind die Vorgänge bei der Hysterie und bei den,
    hobien und Zwangsvorstellungen die gleichen; von nun an
    iden sich die Wege. Bei der Hysterie erfolgt die Unschüd-
    ichmachung der unvertrüglichen Vorstellung dadurch, dab deren
    gungssumme ins Kórperliche umgesetzt wird, ⑧

    ich den Namen der Konversion vorschlagen möchte.

    Die Konversion kann eine totale oder partielle sein und

    gt auf jene motorische oder sensorische Intervention hin,

    es an cS ist, es hat sich aber dafür
    “einem Erinnerungssymbol belastet, welches als unläsbare
    motorische Innervation oder als stets wiederkehrende halluzi-
    torische Sensation nach Art eines Parasiten im Bewußtsein
    aust, und welches bestehen bleibt; bis eine Konversion in

    = umgekehrter Richtung stattfindet. Die Gedächtnisspur der
    rdrängten Vorstellung ist darum doch nicht. _untergegangen,

    ppe.
    Ich will diese Anschauung von den psycho- ie

    glingen bei der Hysterie nur noch mit wenigen Worten

    ihren: Wenn einmal ein solcher Kern fiir eine hysterische

    paltung in einem „traumatischen Moment“ gebildet worden
    i A erfolgt dessen Vero bist in anderen Momenten, die

    pauxiliär traumatische“ nennen könnte, ‘sobald es
    em neu anlangenden Eindruck gleicher Art gelingt, di vom
    en hergestellte Schranke zu durchbrechen, der geschwiichten
    tellung neuen Affekt zuzuführen und für eine Weile. die —
    ziative Verkniipfung beider psychischer Gruppen zu erzwingen, :
    eine neuerliche Konversion Abwehr schafft. — Der so bei
    Hysterie erzielte Zustand in der Verteilung der Erregung.

    stellt sich dann zumeist als ein labiler heraus; die auf einen | =

    chen Weg (in die Krperinnervation) eme Erregung:

    urde, a nøtigt dann die Person zur assoziativen he キ ョ

    zur Erledigung in hysterischen Anfüllen, wie der bekannte |
    gensatz der Anfälle und der Dauersymptome beweist. Die
    Virkung der kathartischen Methode Breuers > besteht darin, |

    eud, Neurosenlehre. | L4 E

  • S.

    50

    daß sie eine solche Zuriickleitung der Erregung aus dem Kö
    lichen ins Psychische zielbewul3t erzeugt, um dann den Ausgle
    des Widerspruches durch Denkarbeit und die Abfuhr der
    regung durch Sprechen zu erzwingen.

    . Wenn die Bewubtseinsspaltung der akquirierten Hyste
    auf einem Willensakt beruht, so erklärt sich überraschend le
    die merkwürdige Tatsache, daß die Hypnose regelmäßig das
    geengte Bewußtsein der Hysterischen erweitert und die al
    spaltene psychische Gruppe zugänglich macht. Wir kennen, e
    ja als Eigentümlichkeit aller schlafihnlichen Zustände, daß
    jene Verteilung der Erregung aufheben, auf welcher der „W:
    der bewuBten Persönlichkeit beruht.

    Wir erkennen demnach das für die Hysterie chara
    stische Moment nicht in der Bewuftseinsspaltung, sondern
    der Fähigkeit zur Konversion und dürfen als ein w
    tiges Stück der sonst noch unbekannten Disposition zur Hys
    die psycho-physische Eignung zur Verlegung so großer Er
    regungssummen in die Kórperinnervation anführen.

    Diese Eignung schließt an und für sich psychische G
    sundheit nicht aus und führt zur Hysterie nur im Falle ein
    psychischen Unyerträglichkeit oder einer Aufspeicherung d
    ‚Erregung: Mit dieser Wendung nähern wir, Breuer und ic
    . uns den bekannten Definitionen der Hysterie von Oppe
    heim!) und Striimpell?) und sind von Janet abgewic
    welcher der Bewultseinsspaltung eine übergroBe Rolle in de
    Moi OR der Hysterie zuweist*). Dis. hier gegebene Da

    5 ENA. Die Hysteris ist ein ma Ausdruck der
    miitsbewegung, Der „Ausdruck der Gomiitsbewegung“ stellt aber jenen Bet
    psychischer Erregung dar, der normalerweise eine Konversion erfährt.

    3) Strüm pell: Die Störung: der Hysterie liegt im Psychophysisch
    dort, wo Kórperliches und Seelisches miteinander zusammenhängen.

    3) Janet hat im zweiten Abschnitt seines geistvollen Anfsat
    »Quelques définitions etc.“ den Einwand, daß die BewuBtseinsspaltung
    auch den Psychosen und der sogenannten Psychasthenie zukommt, selb
    behandelt, aber nach meinem Ermessen nicht befriedigend‘ gelöst, Dies
    Einwand ist es wesentlich, der ihn dazu drängt, die Hysterie für
    Degenerationsform zu erklären: Er kann aber die hysterische Bewußtsei
    spaltung durch keine Charakteristik gentigend v von der psychotisohen u,
    sondern. : |

  • S.

    ELE

    51

    stellung darf den Anspruch erheben, daß sie den Zusammen-
    hang der Konversion mit der hysterischen Bewußtseinsspaltung

    = verstehen läßt.

    II.
    Wenn bei einer disponierten Person die Eignung zur Kon-

    version nicht vorhanden ist und doch zur Abwehr einer uner-

    triiglichen Vorstellung die Trennung derselben von ihrem Affekt
    vorgenommen wird, dann muß dieser Affekt auf psychi-
    schem Gebiet verbleiben. Die nun geschwächte Vor-
    stellung bleibt abseits von aller Assoziation im Bewußtsein
    übrig, ihr frei gewordener Affekt aber hängt sich an
    andere, an sich nicht unverträgliche Vorstellungen
    an, die durch diese „falsche Verknüpfung“ zu Zwangs-
    vorstellungen werden. Dies ist in wenig Worten die
    psychologische Theorie der Zwangsvorstellungen | und Phobien,
    von der ich eingangs gesprochen habe.

    Ich werde nun angeben, welche von den Stiicken, die in
    | dieser Theorie gefordert sind, sich direkt nachweisen lassen,
    welche andere ich ergänzt habe. Direkt nachweisbar ist außer
    dem Endpunkt des Vorganges, eben der Zwangsvorstellung,
    zunächst die Quelle, aus welcher der in falscher Verknüpfung
    befindliche Affekt stammt. In allen von mir analysierten Fällen
    war es das Sexualleben, welches einen peinlichen Affekt
    von genau der nämlichen Beschaffenheit geliefert hatte, wie er
    der Zwangsvorstellung anhing. Es ist theoretisch nicht aus-
    geschlossen, daß dieser Affekt nicht gelegentlich auf anderem
    Gebiete entstehen könnte; ich habe bloß mitzuteilen, daß eine
    andere Herkunft sich mir bisher nicht ergeben hat. Übrigens
    versteht man es leicht, daß gerade das Sexualleben die reich-
    Jichsten Anlässe zum Auftauchen unvertrüglicher Vorstellungen
    mit sich bringt.

    Nachweisbar ist ferner durch die unzweidentigsten Äuße-
    rungen der Kranken die Willensanstrengung, der Versuch zur |
    Abwebr, auf den die Theorie Gewicht legt, und wenigstens in
    einer Reihe von Fällen geben die Kranken selbst darüber Auf-
    .schluD, daB die Phobie oder Zwangsvorstellung erst dann auf-
    trat, nachdem die Willensanstrengung scheinbar ihre Absicht
    erreicht hatte. ,Mir ist einmal etwas sehr Unangenehmes pas-

    4%

  • S.

    ‚sexueller Natur aufmerksam macht, die Antwort: „Davon ka

    . löst hat.

    den, aber nicht unvertrüglichen Vorstellung — dies sind Vor

    deren psychische Folge sich so darstelli, als wire das d

    siert, ich habe mich mit Macht bemüht, es fortzuschiel
    nicht mehr daran zu denken. Endlich ist es mir gelunge |
    bekam ich das andere, das ich seither nicht losgeworden bi
    Mit diesen Worten bestiitigte mir eine Patientin die E
    punkte der hier entwickelten Theorie.
    Nicht alle, die an Zwangsvorstellungen leiden, mac
    sich die Herkunft derselben so klar, In der Regel bekomm:
    man, wenn man den Kranken auf die ursprüngliche Vorstellun

    es ja doch nicht. kommen. Ich habe ja gar AN viel da
    gedacht. Hinen Moment war ich erschrocken, dann habe icl
    mich abgelenkt und seither Ruhe davor gehabt.“ In diese
    so häufigen Einwendung liegt ein Beweis, daß die Zwangs
    vorstellung einen Ersatz oder Surrogat der unverträgli hel
    sexuellen Vorstellung darstellt und sie im Bewußtsein abge

    Zwischen der Willensanstrengung des Patienten, der
    gelingt, die unannehmbare sexuelle. Vorstellung zu verdränger
    und dem Auftauchen der Zwangsvorstellung, die, an sich weni
    intensiv, hier mit unbegreiflich starkem Affekt ausgestatte
    klafft die Lücke, welche die hier, entwickelte Theorie ausfülle;
    will, Die Trennung der sexuellen Vorstellung von ihrem Aff
    und die Verkniipfung des letzteren mit einer anderen, passen.

    günge, die ohne Bewußtsein geschehen, die man nur supponieren,
    aber durch keine klinisch-psychologische Analyse erweisen kan
    Vielleicht wire es richtiger, zu sagen: Dies sind überhaup
    nicht Vorgünge psychischer Natur, sondern physische Vorgänge,

    die Redensarten: Trennung der Vorstellung. von ihrem A fek
    und falsche Verknüpfung des e Ausgedriickte wirklich
    geschehen. — - .

    Neben den Füllen, die ein Nacheinander der sorde
    unvertriiglichen - Vorstellung und der Zwangsvorstellung be
    weisen, findet man eine Reihe ‚anderer, in denen gleichzeitig
    Zwangsvorstellungen und peinlich betonte sexuelle Vorstellun
    vorhanden sind. Letztere sexuelle Zwangsvorstellungen* zu
    heißen, geht nicht gut an; es mangelt inen ein THEN

  • S.

    53

    : "Charakter der Zwangsvorstellungen; sie erweisen sich als voll-
    berechtigt, während die Peinlichkeit der gemeinen Zwangs-
    = vorstellungen ein Problem für den Arzt und den Kranken
    bildet. Soweit ich mir in Fülle dieser Art Einsicht verschaffen
    konnte, handelte es sich hier um eine fortgesetzte Abwehr gegen
    beständig neu anlangende sexuelle Vorstellungen, eine Arbeit
    also, die noch nicht zum Abschluß gekommen war.

    Die Kranken verheimlichen häufig ihre Zwangsvorstellungen,
    solange sie sich der sexuellen Abkunft derselben bewußt sind.
    | Wenn sie darüber klagen, so geben sie zumeist ihrer Ver-
    | wunderung darüber Ausdruck, daß sie dem betreffenden Affekt
    unterliegen, daß sie sich ångstigen, bestimmte Impulse haben
    u. dgl. Dem kundigen Arzt dagegen erscheint dieser Affekt
    berechtigt und verständlich; er findet das Auffillige nur in
    ' der Verknüpfung eines solchen Affektes mit einer hierfür nicht
    würdigen Vorstellung. Der Affekt der Zwangsvorstellung er-
    scheint ihm — mit anderen Worten — als ein dislozierter
    oder transponierter, und wenn er die hier niedergelegten
    " Bemerkungen angenommen hat, kann er für eine große Reihe
    . von Fällen von Zwangsvorstellung die Rückübersetzung
    ins Sexuelle versuchen.

    Zur sekundüren Verknüpfung des frei gewordenen Affektes
    - kann jede Vorstellung benutzt werden, die entweder ihrer Natur

    nach mit einem Affekt von solcher Qualität vereinbar ist,
    oder die gewisse Beziehungen zur unvertrüglichen hat, denen
    zufolge sie als Surrogat derselben brauchbar erscheint. So zum
    . Beispiel wirft sich frei gewordene Angst, deren sexuelle Her-
    kunft nicht erinnert werden soll, auf die gemeinen primären
    Phobien des Menschen vor Tieren, Gewitter, Dunkelheit u. dgl.,
    oder auf Dinge, die unverkennbar mit dem Sexuellen in irgend
    einer Art assoziiert sind, auf das Urinieren, die Defäkation, '
    auf Beschmutzung und Ansteckung überhaupt. ~

    Der Vorteil, den das Ich erreicht, indem es zur Avr
    den Weg der Transposition des Affektes einschlägt, ist ein
    weit geringerer als bei der hysterischen Konversi on psychi-
    scher Erregung in .somatische Innervation. Der Affokt, unter
    dem das Ich gelitten hat, bleibt unverändert und unverringert
    | nach wie vor, nur daß die anvertrügliche Vorstellung nieder-

    x

  • S.

    54

    gehalten, vom Erinnern ausgeschlossen ist. Die verdringten Vor
    stellungen bilden wiederum den Kern einer zweiten psychisch
    Gruppe, die, wie mir scheint, auch ohne Zuhilfenahme d
    Hypnose zugänglich ist. Wenn bei den Phobien und Zwan
    vorstellungen die auffälligen Symptome ausbleiben, welche
    der Hysterie die Bildung einer unabhängigen psychischen Grup)
    begleiten, so rührt dies wohl daher, daß im ersteren Falle d
    gesamte Veränderung auf psychischem Gebiete geblieben i
    die Beziehung zwischen psychischer Erregung und somatisch !
    Innervation keine Anderung erfahren hat,
    Ich will das hier über die Zwangsvorstellungen Gesag
    durch einige Beispiele erläutern, die wahrscheinlich typisch
    Natur sind:
    1. Ein junges Mädchen leidet an Zwangsvorwürfen, Li
    sie in der Zeitung von Falschmiinzern, so kam ihr der G.
    danke, ‘sie habe auch falsches Geld gemacht; war irgendwo
    von einem unbekannten Titer eine Mordtat geschehen, so fr
    sie sich ängstlich, ob sie nicht diesen Mord begangen hal
    Dabei war sie sich der Ungereimtheit dieser Zwangsvorwii
    klar bewuBt. Eine Zeit lang gewann das SchuldbewuBtsei
    solehe Macht über sie, daß ihre Kritik erstickt wurde und
    sich vor ihren Verwandten und vor dem Arzt anklagte,
    habe alle diese Untaten wirklich begangen (Psychose durch
    fache Steigerung — Uberwiltigungspsychose). Ein scharf
    Verhór deckte jetzt die Quelle auf, aus der ihr SchuldbewuBt-
    sein stammte: Durch eine zufällige wolliistige Empfindung ang
    regt, hatte sie sich von einer Freundin zur Masturbation ve
    leiten lassen und betrieb. diese seit Jahren mit dem vollen |
    wuDtsein ihres. Unrechtes und unter den heftigsten, aber w
    gewöhnlich nutzlosen Selbstvorwiirfen. Ein ExzeB nach |
    Besuche eines Balles hatte die Steigerung zur Psychose 3
    vorgerufen. — Das Mädchen heilte nach einigen Monaten Be-
    handlung und strengster Überwachung.
    : 2. Ein anderes Müdchen litt unter der Furcht, von Ha
    drang überfallen zu werden und sich nüssen zu müssen, seitde n
    ein solcher Drang sie wirklich einmal genötigt hatte, einen —
    Konzertsaal wührend der Aufführung zu verlassen. Diese Phobie _ 2
    hatte sie allmählich völlig genuß- und s cena gemac

  • S.

    55

    = Sie fühlte sich nur wohl, wenn sie ein Klosett in der Nähe
    | wußte, zu dem sie unauffällig gelangen konnte. Ein organisches —
    Leiden, welches dieses MiDtrauen in der Beherrschung der Blase
    | gerechtfertigt hätte, war ausgeschlossen. Der Harndrang war
    zu Hause unter ruhigen Verhältnissen und zur Nachtzeit nicht
    = vorhanden. Eingehendes Examen wies nach, daß der Harndrang
    | zum ersten Male unter folgenden Verhältnissen aufgetreten war:
    — In dem Konzertsaale hatte ein Herr nicht weit von ihr Platz
    | genommen, der ihrem Empfinden nicht gleichgültig war. Sie
    "begann an ihn zu denken und sich auszumalen, wie sie als
    seine Frau neben ihm sitzen würde. In dieser erotischen Träu-
    merei bekam sie jene körperliche Empfindung, die man mit: der
    Erektion des Mannes vergleichen muß, und die bei ihr — ich
    = weiB nicht, ob allgemein — mit einem leichten Harndrang
    abschlof. Sie erschrak jetzt heftig über die ihr sonst gewohnte
    sexuelle Empfindung, weil sie bei sich beschlossen hatte, diese
    wie jede andere Neigung zu bekümpfen, und im náchsten Moment

    hatte sich der Affekt auf den begleitenden Harndrang über-
    ‚tragen und nótigte sie, nach qualvollem Kampf den Saal zu
    verlassen. Sie war im Leben so prüde, daD sie sich vor allem
    _ Sexuellen intensiv grauste, und den Gedanken, je zu heiraten,
    nicht fassen konnte; anderseits war sie sexuell so hyperüsthe-
    | tisch, daß bei jeder erotischen Träumerei, die sie sich gerne
    gestattete, jene wollüstige Empfindung auftrat. Der Harndrang
    hatte die Erektion jedesmal begleitet, ohne ihr bis zu der Szene
    | jm Konzertsaal einen Eindruck zu machen. Die Behandlung
    | führte zu einer fast vollkommenen Beherrschung der Phobie.
    3. Eine junge Frau, die aus fiinfjihriger Ehe nur ein |
    Kind hatte, klagte mir über den Zwangsimpuls, sich vom -
    Fenster oder Balkon zu stürzen, und über die Furcht, die sie
    - beim Anblick eines scharfen Messers ergreife, ihr Kind damit
    zu erstechen. Der eheliche Verkehr, gestand sie zu, werde
    selten und nur mit Vorsicht gegen die Konzeption ausgeiibt;
    | allein.das fehle ihr nicht, sie sei keine sinnliche Natur. Ich
    — getraute mich darauf ihr zu sagen, daB sie beim Anblicke eines
    ~ Mannes erotische Vorstellungen bekomme, daB sie darum das
    | Vertrauen zu sich verloren habe und sich als eine verworfene
    Person vorkomme, die zu allem fähig sei. Die Rückübersetzung

  • S.

    _ stopfen. Ich kann natürlich nicht behaupten, daß alle Phobii

    “der großen Mehrzahl der Phobien und Zwangsvorstellun

    masthenie zusammenzuwerfen, für deren Grundsymptome ein
    : Ps ych ischer Mechanismus gar nicht anzunehmen ist.

    |

    | nismus zurückführen, vielmehr weicht der. Mechanismus der Agoraphobi
    von dem der echten Zwangsvorstellungen und der auf solche reduzierbaren

    a rata En

    7
    T

    PTS

    56

    der Zwangsvorstellung ins Sexuelle war gelungen; sie gestal
    sofort weinend ihr lange verborgenes eheliches Elend ein ur
    teilte später auch peinliche . Vorstellungen von unveründe
    sexuellem Charakter mit, so die hüufig wiederkehrende Em
    findung, als ob sieh etwas unter ihre Rócke drünge.

    Ich habe mir derartige Erfahrungen für die Therapie
    zunutze gemacht, um bei Phobien und Zwangsvorstellung
    trotz alles Strüubens der Kranken die Aufmerksamkeit auf
    verdrüngten sexuellen Vorstellungen zuriickzulenken und, wo |
    anging, die Quellen, aus denen dieselben stammten, zu ve

    und Zwangsvorstellungen auf die hier aufgedeckte Weise en
    stehen; erstens umfaßt meine Erfahrung eine im Verhültnis
    Reichhaltigkeit dieser Neurosen nur beschränkte Anzahl, und
    zweitens weiß ich selbst, daß diese ,psychasthenische:
    Symptome (nach Janets Bezeichnung) nicht alle gleichwe
    sind). Es gibt z. B. rein hysterischo Phobien. Ich meine abe
    daß der Mechanismus der Transposition des Affektes b

    nachzuweisen sein wird, und möchte dafür eintreten, dies
    Neurosen, die sich ebenso oft isoliert als mit Hysterie 00
    Neurasthenie kombiniert finden, nicht mit der gemeinen Neu

    SR

    5 In Velden: bisher betrachteten Füllen war die Abel de
    unvertrüglichen Vorstellung durch Trennung | derselben |
    ihrem Affekt geschehen; die Vorstellung war, wenngleich | は
    schwächt und isoliert, dem Bewußtsein verblieben. Es gibt
    eine weit energischere und erfolgreichere Art der Abwehr,

    1) Die Grippe von ee Phobien, für welche die A Fora puel
    Vorbild ist, lift sich nicht auf den oben entwickelten psychischen Me

    Phobien in einem entscheidenden Punkte ab. Es findet sich hier |
    verdringte Vorstellung, von weloher der Angstaffekt abgetrennt wäre.
    Anger dieser Phobien hat einen andern Ursprung. |

  • S.

    57

    darin besteht, daß das Ich die unerträgliche Vorstellung mit-
    ‘samt ihrem Affekt verwirft und sich so benimmt, als ob die
    Vorstellung nie an das Ich herangetreten wire. Allein in
    dem Moment, in dem dies gelungen ist, befindet
    sich die Person in einer Psychose, die man wohl
    nur als ,halluzinatorische Verworrenheit“ klassi-
    fizieren kann. Ein einziges Beispiel soll diese Behauptung
    erläutern:
    Ein junges Mädchen hat einem Mann eine erste impulsive
    Neigung geschenkt und glaubt fest an seine Gegenliebe. Tat-
    sächlich befindet sie sich im Irrtum; der junge Mann hat ein
    anderes Motiv, ihr Haus aufzusuchen. Die Enttäuschungen
    bleiben auch nicht aus; sie erwehrt sich ihrer zunächst, indem
    sie die entsprechenden Erfahrungen hysterisch konvertiert, er-
    hält so ihren Glauben, daß er eines Tages kommen und um

    sie anhalten werde, fühlt sich aber dabei infolge unvollständiger‘

    Konversion und beständigen | Andranges neuer schmerzlicher
    Eindrücke unglücklich und krank. Sie erwartet ihn endlich in
    höchster Spannung für einen bestimmten Tag, den Tag einer
    Familienfeier. Der Tag verrinnt, ohne daß er gekommen wäre.
    Nachdem alle Züge, mit denen er ankommen könnte, vorüber
    = sind, schlägt sie in halluzinatorische Verworrenheit um. Er ist
    angekommen, sie hort seine Stimme im Garten, eilt in Nacht-
    kleidung herunter, ihn zu empfangen. Von da an lebt sie durch
    zwei Monate in einem gliicklichen Traum, dessen Inhalt ist: er
    sei da, sei immer um sie, es sei alles so wie vorhin (vor der
    Zeit der mühsam abgewehrten Enttäuschungen). Hysterie und
    . Verstimmung sind überwunden; von der ganzen letzten Zeit des
    "Eweifels und der Leiden wird während der Krankheit nicht
    gesprochen; sie ist glücklich, solange man sie ungestört lift,
    . und tobt.nur dann, wenn eine Mafregel ihrer Umgebung sie
    . an etwas hindert, was sie ganz konsequent aus ihrem seligen
    | Traum folgern will Diese seinerzeit unverständliche Psychose
    wurde zehn Jahre spüter durch eine hypnotische DER auf-
    gedeckt.
    Die Tatsache, auf die ich ka mache, ist die, daß
    der Inhalt einer solchen halluzinatorischen Psychose gerade
    in der Hervorhebung jener Vorstellung besteht, die

    4x

  • S.

    durch den Anlaß der Erkrankung bedroht war. Man ist |
    berechtigt zu sagen, daß das Ich durch die Flucht in
    Psychose die unertriigliche Vorstellung abgewehrt hat; der
    gang, durch den dies erreicht worden ist, entzieht sich wieder
    der Selbstwahrnehmung wie der psychologisch-klinischen Anal
    Er ist als der Ausdruck einer pathologischen Disposition
    heren Grades anzusehen und läßt sich etwa wie folgt
    schreiben: Das Tch reißt sich von der unertriglichen Vorstellun
    los, diese hängt aber untrennbar mit einem Stück der Real
    zusammen, und indem das Ich diese Leistung vollbringt, |
    es sich auch von der Realität ganz oder teilweise losgel
    . Letzteres ist nach meiner Meinung die Bedingung, unter
    eigenen Vorstellungen halluzinatorische Lebhaftigkeit zuer
    wird, und somit befindet sich die Person nach glücklich.
    lungener Abwehr in halluzinatorischer Verworrenheit.
    Få Ich verfüge mur über sehr wenige Analysen von derarti
    Psychosen; ich meine aber, es muß sich um einen sehr hii
    benutzten Typus psychischer Erkrankung handeln, denn die

    . analog aufzufassenden Beispiele der Mutter, die, über
    Verlust ihres Kindes erkrankt, jetzt unablissig ein Sti
    Holz im Arme wiegt, oder der verschmähten Braut, die _
    Jahren im Putz ihren Bräutigam erwartet, fehlen in keir
    Irrenhause.
    Es ist vielleicht nicht iiberfliissig hervorzuheben, daß

    drei hier geschilderten Arten der Abwehr und somit die
    Formen von Erkrankung, zu denen diese Abwehr führt, an
    selben Person vereinigt sein können, Das gleichzeitige Vorkon
    ‘men von Phobien und hysterischen Symptomen, das in praxi

    . häufig beobachtet wird, gehärt ja mit zu den Momenten,
    eine reinliche Trennung der Hysterie von anderen Neuro
    ‚erschweren und zur Aufstellung der „gemischten Neuros

    — nótigen. Die halluzinatorische Verworrenheit zwar verträgt si
    häufig nicht mit dem Fortbestand der Hysterie, in der Re
    nicht mit dem der Zwangsvorstellungen. Dafür ist es nich
    Seltenes, daß eine Abwehrpsychose den Verlauf einer hyst
    schen oder gemischten Neurose episodisch durchbricht.

    i

  • S.

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    Ich will endlich mit wenigen Worten der Hilfsvorstellung
    gedenken, deren ich mich in dieser Darstellung der Abwehr-

    neurosen bedient habe. Es ist dies die Vorstellung, daß an den

    psychischen Funktionen etwas zu unterscheiden ist (A ffektbetrag,
    Erregungssumme), das alle Eigenschaften einer Quantität hat —
    wenngleich wir kein Mittel besitzen, dieselbe zu messen — etwas,
    das der Vergrößerung, Verminderung, der Verschiebung und der
    Abfuhr fähig ist und sich über die Gedächtnisspuren der Vor-
    stellungen verbreitet, etwa wie eine elektrische Ladung über
    die Oberflächen der Körper.

    Man kann diese Hypothese, die übrigens bereits unserer
    Theorie des „Abreagierens“ (Vorläufige Mitteilung 1893) zu-
    grunde liegt, in demselben Sinne verwenden, wie es die Physiker
    mit der Annahme des strömenden elektrischen Fluidums tun,
    Gerechtfertigt ist sie vorläufig durch ihre Brauchbarkeit zur
    Zusammenfassung und Erklärung mannigfaltiger psychischer
    Zustände. .

    Wien, Ende Jänner 1894.