Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom 1916-003/1918
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    XII.

    EINE BEZIEHUNG ZWISCHEN EINEM SYMBOL
    UND EINEM SYMPTOM.”

    Der Hut als Symbol des Genitales, vorwiegend des månn-
    lichen, ist durch die Erfahrung der Traumanalysen hin-
    reichend sichergestellt. Man kann aber nicht behaupten, daB
    dieses Symbol zu den begreiflichen gehört. In Phantasien
    wie in mannigfachen Symptomcn erscheint auch der Kopf
    als Symbol des månnlichen Genitales, oder wenn man will,
    als Vertretung desselben. Mancher Analytiker wird bemerkt
    haben, daß seine zwangsleidenden Patienten ein Maß von
    Abscheu und Entriistung gegen die Strafe des Kôpfens äußern
    wie weitaus gegen keine andere Todesart, und wird sich ver-
    anlaBt gesehen haben, ihnen zu erklären, daß sie das Gekópft-
    werden wie einen Ersatz des Kastriertwerdens behandeln.
    Wiederholt sind Tråume jugendlicher Personen oder aus
    jungen Jahren analysiert und auch mitgeteilt worden, die
    das Thema der Kastration betrafen, und in denen von einer
    Kugel die Rede war, welche man als den Kopf des Vaters
    deuten mußte. Ich habe kürzlich ein Zeremoniell vor dem
    Einschlafen auflösen können, in dem es vorgeschricben war,
    daß das kleine Kopfpolster rautenfórmig auf den anderen
    Polstern liegen und der Kopf der Schlafenden genau im
    langen Durchmesser der Raute ruhen sollte. Die Raute hatte

    *) Intern. Zeitschr. für ärztl. Psychoanalyse, IV, 1916

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    XII. BEZIEHUNG ZWISCHEN EINEM SYMBOL U. EINEM SYMPTOM. 199

    die bekannte, aus Mauerzeichnungen vertraute Bedeutung,
    der Kopf sollte ein männliches Glied darstellen.

    Es könnte nun sein, daß die Symbolbedeutung des Hutes
    sich aus der des Kopfes ableitet, insofern der Hut als ein
    fortgesetzter, aber abnehmbarer Kopf betrachtet werden kann.
    In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich eines Symptoms
    der Zwangsneurotiker, aus dem sich diese Kranken eine hart-
    nåckige Quålerei zu bereiten wissen. Sie lauern auf der Straße
    unausgesetzt darauf, ob sie ein Bekannter zuerst durch Hut-
    abnehmen gegrifit hat, oder ob er auf ihren Gruß zu warten
    scheint, und verzichten auf eine Anzahl von Beziehungen,
    indem sie die Entdeckung machen, daB der Betreffende sie
    nicht mehr grüßt oder ihren Gruß nicht ordentlich erwidert.
    Sie finden solcher GruBschwierigkeiten, die sie nach Stim-
    mung und Belieben aufgreifen, kein Ende. Es åndert an die-
    sem Verhalten auch nichts, wenn man ihnen vorhålt, was
    sie ohnedies alle wissen, daß der Gruß durch Hutabnehmen
    eine Erniedrigung vor dem BegriiBten bedeutet, daß ein
    Grande von Spanien z. B. das Vorrecht genoB, in Gegenwart
    des Königs bedeckten Hauptes zu bleiben, und daß ihre GruB-
    empfindlichkeit also den Sinn hat, sich nicht geringer dar-
    zustellen, als der andere sich dünkt. Die Resistenz ihrer
    Empfindlichkeit gegen solche Aufklärung läßt die Vermutung
    zu, daß man die Wirkung eines dem Bewußtsein weniger
    gut bekannten Motivs vor sich hat, und die Quelle dieser
    Verstärkung könnte leicht in der Beziehung zum Kastrations-

    komplex gefunden werden,