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EINE BEZIEHUNG ZWISCHEN EINEM SYMBOL
UND EINEM SYMPTOMErschien zuerst in der „Internat, Zeitschr. fir
ärztl. Psychoanalyse“, IV, 1916, dann in der
Vierten Folge der „Sammlung kleiner Schriften zur
Neurosenlehre“,Der Hut als Symbol des Genitales, vorwiegend des männlichen,
ist durch die Erfahrung der Traumanalysen hinreichend sicher-
gestellt. Man kann aber nicht behaupten, daB dieses Symbol zu
den begreiflichen gehört. In Phantasien wie in mannigfachen
Symptomen erscheint auch der Kopf als Symbol des männlichen
Genitales, oder wenn man will, als Vertretung desselben. Mancher
Analytiker wird bemerkt haben, daB seine zwangsleidenden
Patienten ein MaB von Abscheu und Entrüstung gegen die Strafe
des Kópfens äußern wie weitaus gegen keine andere Todesart,
und wird sich veranlaBt gesehen haben, ihnen zu erklären, daß
sie das Gekopftwerden wie einen Ersatz des Kastriertwerdens
behandeln. Wiederholt sind Träume jugendlicher Personen oder
aus jungen Jahren analysiert und auch mitgeteilt worden, die
das Thema der Kastration betrafen, und in denen von einer
Kugel die Rede war, welche man als den Kopf des Vaters deuten
mußte. Ich habe kürzlich ein Zeremoniell vor dem Einschlafen
auflösen können, in dem es vorgeschrieben war, daß das kleine
Kopfpolster rautenformig auf den anderen Polstern liegen und
der Kopf der Schlafenden genau im langen Durchmesser der
Raute ruhen sollte. Die Raute hatte die bekannte, aus Mauer-S.
Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom — 511
zeichnungen vertraute Bedeutung, der Kopf sollte ein månnliches
Glied darstellen.Es könnte nun sein, daß die Symbolbedeutung des Hutes sich
aus der des Kopfes ableitet, insofern der Hut als ein fortgesetzter,
aber abnehmbarer Kopf betrachtet werden kann. In diesem
Zusammenhange erinnerte ich mich eines Symptoms der Zwangs-
neurotiker, aus dem sich diese Kranken eine hartnäckige Quälerei
zu bereiten wissen. Sie lauern auf der Straße unausgesetzt
darauf, ob sie ein Bekannter zuerst durch Hutabnehmen gegriiBt
hat, oder ob er auf ihren Gruß zu warten scheint, und verzichten
auf eine Anzahl von Beziehungen, indem sie die Entdeckung
machen, daß der Betreffende sie nicht mehr grüßt oder ihren
GruB nicht ordentlich erwidert. Sie finden solcher GruBschwierig-
keiten, die sie nach Stimmung und Belieben aufgreifen, kein
Ende. Es ändert an diesem Verhalten auch nichts, wenn man
ihnen vorhält, was sie ohnedies alle wissen, daB der Gruß durch
Hutabnehmen eine Erniedrigung vor dem BegrüBten bedeutet,
daß z. B. ein Grande von Spanien das Vorrecht genoD, in Gegen-
wart des Kónigs bedeckten Hauptes zu bleiben, und daB ihre
GruBempfindlichkeit also den Sinn hat, sich nicht geringer dar-
zustellen, als der andere sich dünkt. Die Resistenz ihrer Empfind-
lichkeit gegen solche Aufklärung läBt die Vermutung zu, daB
man die Wirkung eines dem Bewußtsein weniger gut bekannten
Motivs vor sich hat, und die Quelle dieser Verstirkungkónnte leicht in der Beziehung zum Kastrationskomplex gefunden
werden.
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